Frage an Erwin Rüddel von Schwarz R. bezüglich Verbraucherschutz
Lieber Herr Rüddel,
in diesem Jahr wurde so allerhand über 60 Jahre Grundgesetz gesagt und es hoch gelobt. Meine Frage betrifft den Artikel 146 unseres Grundgesetzes. In diesem wird die Gültigkeitsdauer des GG festgelegt. Irgendwie ist das doch auch ein Verfassungsauftrag oder sehe ich das falsch?
"Art 146 Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist."
Meine Frage ist: Wann kann dieses Deutsche Volk sich selbst in freier Entscheidung eine eigene Verfassung geben? Ich meine eine Verfassung, die nicht immer, wenn sie den Regierenden nicht passt, einfach geändert werden kann, sondern nur von dem Volk, das sich diese Verfassung gegeben hat.
Reinhard Schwarz
Sehr geehrter Herr Schwarz,
vielen Dank für Ihre Frage. Mit der Wiedervereinigung hatte sich der Zweck des Art. 146 alter Fassung erledigt. Die ursprüngliche Bestimmung war damit eigentlich obsolet geworden und hätte gestrichen werden sollen. Dies ist damals allerdings am Widerstand der SPD gescheitert. Im Zuge der Wiedervereinigung wurde auf die Ausarbeitung einer neuen Verfassung verzichtet, die notwendigen Veränderungen wurden im Rahmen des Grundgesetzes vorgenommen.
Die Bundesrepublik hat bereits eine gültige Verfassung. Die einschlägigen Grundgesetzkommentierungen weisen darauf hin, dass aufgrund von Art. 146 keine Verpflichtung besteht, die Bestimmung überhaupt anzuwenden. Ohne vorhergehende Änderung von Art. 79 Abs. 2 GG enthält Art. 146 GG auch keine Ermächtigung oder Verpflichtung des Gesetzgebers, ein Gesetz zur Durchführung einer Volksabstimmung zu erlassen. Das Bundesverfassungsverfassungsgericht hierzu im Jahr 2000: „Wie das Bundesverfassungsgericht im Urteil des Zweiten Senats vom 12. Oktober 1993 entschieden hat, begründet Art. 146 GG kein verfassungsbeschwerdefähiges Individualrecht (BVerfGE 89, 155 <180>). Der Beschwerdeführer könnte allenfalls dann ein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und 2, Art. 146 GG auf Herbeiführung einer Volksabstimmung über die Verfassung haben, wenn aus Art. 146 GG die Pflicht staatlicher Stellen zur Durchführung einer Volksabstimmung folgte. Weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte dieses Grundgesetzartikels ergibt sich dafür ein Anhaltspunkt.“
Es ist mitnichten so, dass eine Verfassung „einfach so geändert werden kann“, wenn sie „den Regierenden nicht passt“. Das Grundgesetz stellt an die Änderung der Verfassung hohe Anforderungen, s. Art. 79 GG - Zweidrittelmehrheit in Bundestag UND Bundesrat.
Mit freundlichen Grüßen
Erwin Rüddel