Frage an Erna-Kathrein Groll von Ernst S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Verehrte Fr. Groll,
Geschlechterparität: Streben Sie die Parität auch für außerhalb der Politik an?
Beispiele. Bau von Frauenhäusern, Kitas, Pflegeheimen und anderen sozialen Einrichtungen.
Auf diese Weise könnte doch der Benachteiligung von Frauen (z.B. im Handwerk) entgegen gewirkt werden.
Sehr geehrter Herr S.,
Parität ist für mich gelebte Realität, in der Politik und im täglichen Leben. In der Partei Bündnis 90/Die Grünen ist es eine Selbstverständlichkeit, aber auch in dem Verband in dem ich seit 25 Jahren in verschiedenen Gremien und Ebenen in leitender Funktion tätig bin. In der Bayerischen KAB ist die Parität seit 1959 Beschlusslage.
Leider hat das Bayerische Verfassungsgericht einer Popularklage im März nicht stattgegeben und entschieden, dass es keinen Anspruch auf eine geschlechterproportionale Besetzung der Parlamente geben kann. Es widerspreche dem Demokratieprinzip. Die geforderten paritätischen Bestimmungen würden nicht nur mit wahlrechtlichen Grundsätzen und dem Verbot geschlechtsspezifischer Differenzierung in Konflikt stehen, sondern darüberhinaus einen erheblichen Eingriff in die Programm- Organisations- und Wahlvorschlagsfreiheit der Parteien und Wählergruppen mit sich bringen. Dass dies nicht so ist, zeigt die gelebte Praxis der Grünen.
Frauen und Männer sollen so leben können, wie es für deren Leben richtig ist. Zu den Voraussetzung gehört, dass Frauen und Männer gleichermaßen am gesellschaftlichen Wohlstand, am Einkommen und Vermögen teilhaben. Leider sind wir in Deutschland noch meilenweit entfernt. Noch immer werden Frauen deutlich schlechter entlohnt, deutlich öfter in prekären Arbeitsverhältnissen und nur selten in leitenden Positionen in Unternehmen beschäftigt. Wir wollen ein effektives Entgeltgleichheitsgesetz das auch tatsächlich greift.
Bereits im Jahr 1999 hat die damalige Ministerin in einem Interview angegeben, dass sie ein umfassendes gleichstellungspolitisches Aktionsprogramm gestartet und vieles davon umgesetzt habe. Leider ist davon bis heute nicht viel zu spüren. Weder bessere Arbeitsplatzchancen noch verbesserte Aufstiegschancen für Frauen sind in der Realität angekommen. Die Chancen einer Genderdifferenzierten Unternehmensstrategie in Aus- und Weiterbildung sowie die Arbeits- und Leitungsaufgaben liegen offensichtlich auf der Hand. Unternehmen profitieren durch die Mischung von Ideen, Potentialen und Talenten.
Um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern deutlich zu verbessern, braucht es umfassenden Maßnahmen die wir ergreifen müssen:
- Die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern muss unterbunden werden und die bereits gesetzlichen Regelungen deutlich besser kontrolliert werden.
- Der qualitative Ausbau der Kinderbetreuung und die Möglichkeiten der Auszeit für Pflege von Familienangehörigen muss vorangebracht werden.
- Mädchen und Jungs sollen gleichermaßen für die MINT-Fächer begeistert werden.
- Die geschlechtsspezifische Auswahl der Ausbildungsberufe soll geöffnet werden.
- Der Einkommensabstand zwischen Einkommen von Männern und Frauen muss ausgeglichen werden, besonders die bisher „typischen Frauenberufe“ im sozialen Bereich müssen besser bezahlt werden und die Rahmenbedingungen für diese Arbeitsbereiche deutlich verbessert werden.
- Die Genderforschung muss deutlich stärker gefördert werden.
Politik kann mit gesetzlichen Regelungen und Anreizprogrammen deutliche Verbesserung für die Gleichstellung von Frau und Mann erreichen und unterstützend wirken. In den öffentlichen Einrichtungen und Behörden muss die Vorreiterrolle hier eine Bewusstseinsmachung und bessere Akzeptanz erreicht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Erna-Kathrein Groll