Portrait von Erik Schweickert
Erik Schweickert
FDP
100 %
/ 8 Fragen beantwortet
Frage von Eugen S. •

Frage an Erik Schweickert von Eugen S. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Prof. Schweickert,

beim Kandidatencheck für die Bundestagswahl 2009 antworteten Sie auf die These „Atomkraftwerke müssen möglichst schnell vom Netz genommen werden“ mit JA!
Wie begründen Sie Ihr Abstimmungsverhalten zum Thema „Verlängerung von AKW-Laufzeiten“, bei dem Sie mit JA gestimmt haben? Verwechseln Sie möglichst schnell mit möglichst langsam?

Bei der Abstimmung zum „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“, das seinen Namen nicht verdient, wie es besser wohl „Klientelbefriedigungsgesetz“ heißen müsste, stimmten Sie ebenfalls zu, obwohl Sie damals beim Kandidatencheck der These zustimmten „Der Haushalt sollte so schnell wie möglich ausgeglichen werden, auch wenn Konjunkturprogramme dadurch beschnitten werden.“

Durch Ihre Nichtzustimmung zum Antrag „Vorläufiger Bau- und Vergabestopp bei Stuttgart 21 haben Sie es ebenso versäumt, Ihre Versprechung einzuhalten, den Haushalt zu sanieren.
Außerdem haben Sie die Abschaffung der reduzierten Mehrwertsteuer für Hotels abgelehnt.
Was soll ich von so einer Verhaltensweise halten? Möchten Sie schon in jungen Jahren die Politikerverdrossenheit fördern?

Mit freundlichem Gruß
Eugen Schiebel

Portrait von Erik Schweickert
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schiebel,

haben Sie vielen Dank für Ihren Eintrag bei Abgeordnetenwatch. Gerne gehe ich auf Ihre Fragen ein und erläutere Ihnen, warum meine Antworten vom Kandidatencheck auch heute noch Gültigkeit beanspruchen und ich auch dementsprechend abgestimmt habe. Ich räume allerdings ein, dass es bei sehr komplexen Fragen immer äußerst schwierig ist, nur mit ja oder nein antworten zu können. Somit kann nie ganz ausgeschlossen werden, dass gelegentlich der Eindruck einer Inkonsistenz entsteht, wenn man nicht die genaue sachliche Begründung im Detail kennt.

Lassen Sie mich mit der Frage der AKW-Laufzeiten beginnen. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass wir so schnell wie möglich aus der Kernenergie aussteigen müssen. Wir brauchen den Umbau der Energieversorgung hin zum Zeitalter der Erneuerbaren Energien. Energie aus Atomstrom ist lediglich als eine zeitlich befristete Brückentechnologie vertretbar, sofern die Sicherheit der Kraftwerke gewährleistet ist.

Je schneller wir aussteigen, desto besser. Wir müssen aber trotzdem unseren Energiebedarf decken können – und dies zu vertretbaren Kosten für die Verbraucher. Wir wollen eine Arbeitsgruppe für die Beschleunigung der Nutzung Erneuerbarer Energien einsetzen, die auch ein besonderes Augenmerk auf den notwendigen Netzausbau legt. So fehlen vielfach beispielsweise Leitungen. Denn was bringen uns Offshore-Windparks in der Nordsee, wenn wir die dort gewonnene Energie nicht nach Pforzheim und in den Enzkreis geleitet bekommen? Hier müssen sich die Grünen nun auch bewegen. Denn man kann nicht neue Leitungen oder Pumpspeicherkraftwerke verhindern und trotzdem mehr Strom aus Erneuerbaren Energien fordern. Dies gehört alles zusammen. Schließlich wollen wir ja auch nicht in eine Situation gelangen, in der wir Atomstrom aus unsicheren Kraftwerken aus anderen Ländern importieren müssen. Auch das darf bei der jetzt geführten Debatte nicht zu kurz kommen. Und daher stehe ich heute wie damals zu meiner Position, schnellstmöglich die Atomkraftwerke vom Netz zu nehmen und somit aus der Kernenergie auszusteigen.

Nun zu Ihrer nächsten Frage: Die christlich-liberale Koalition setzt eine Priorität bei der Haushaltskonsolidierung. Um die Staatsfinanzen dauerhaft in Ordnung zu bringen, verfolgt die FDP einen strikten Sparkurs. Mit dem Sparpaket erfolgt eine Weichenstellung für eine strukturelle und dauerhafte Konsolidierung des Bundeshaushalts. Das Sparvolumen von 13,2 Mrd. Euro in 2011 wächst bis 2014 auf 26,6 Mrd. Euro an. Damit umfasst das Sparpaket in den nächsten vier Jahren ein Gesamtvolumen von über 80 Mrd. Euro.

Mit den Sparplänen wird versucht auf langfristige Sicht zu konsolidieren, zu sparen und zu gestalten. Es geht auch um Generationengerechtigkeit. Dass Einsparungen auf allen Gebieten hierfür notwendig sind, steht außer Frage. Dabei ist die Konsolidierung kein Selbstzweck, denn mit der Reduzierung der Verschuldung sichern wir nicht mehr und nicht weniger als die Zukunft künftiger Generationen, die ansonsten keinerlei Handlungsspielräume mehr hätten.

Auch beim Thema Opel haben wir uns durchgesetzt und verhindert, dass deutsche Steuergelder zum Fenster rausgeschmissen wurden. Wie richtig wir damit lagen, zeigte dann auch die Entscheidung von General Motors, die Bürgschaftsanträge zurückzuziehen und nun doch aus eigener Kraft die Standorte und Arbeitsplätze zu sichern. Dass sich Rainer Brüderle mit seiner Ablehnung der Opel-Hilfen gegen viele Widerstände letztlich auch gegen die Kanzlerin durchsetzen konnte, unterstreicht unsere Kompetenz und Durchsetzungsfähigkeit beim Thema Haushaltskonsolidierung.

Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat Familien und Mittelstand gestärkt und damit zu dem derzeitigen wirtschaftlichen Aufschwung maßgeblich beigetragen. Deshalb ist es falsch, das Wachstumsbeschleunigungsgesetz gegen die Haushaltskonsolidierung ausspielen zu wollen. Im Gegenteil ist es richtig, dass durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz die Steuereinnahmen infolge des wirtschaftlichen Aufschwungs gestiegen sind und damit auch die Haushaltskonsolidierung ein gutes Stück weiter vorangekommen ist.

Lassen Sie mich nun auf Ihren nächsten Punkt bzgl. der Mehrwertsteuerreduzierung in der Hotellerie eingehen. Grundsätzlich halte ich die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für das Hotelgewerbe für eine gute Sache. Der Tourismussektor ist eine der wichtigsten Dienstleistungs- und Wachstumsbranchen in Deutschland, insbesondere in Baden-Württemberg. Die Rahmenbedingungen in diesem Sektor müssen verbessert werden, damit es in diesem Bereich zu mehr Wachstum kommt.

Durch die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für das Hotelgewerbe stärken wir vor allem die kleineren und mittelständischen Hotelbetriebe. Diese wurden von der Wirtschaftskrise hart getroffen. Die deutsche Hotelbranche ist im internationalen Vergleich sehr mittelständisch geprägt. Der Anteil der großen Ketten macht gerade einmal gut drei Prozent der fast 38 000 Betriebe in Deutschland aus. Davon erhofften wir uns einen kräftigen Konjunkturimpuls, der ja auch eingetreten ist. Vor allem die kleineren Betriebe haben die Reduzierung der Mehrwertsteuer für die Modernisierung ihrer Bäder, Fenster, Heizungs- und Lüftungsanlagen oder die Fortbildung ihrer Mitarbeiter genutzt.

Heute erheben bereits 22 von 27 EU-Staaten den ermäßigten Steuersatz. Zu diesen Staaten gehören, mit Ausnahme von Dänemark, sämtliche Nachbarstaaten Deutschlands. Dieser Wettbewerbsnachteil war der Grund dafür, dass auch Union, SPD, Grüne und die Linke in der Vergangenheit eine Mehrwertsteuerreduzierung für Hotel und Gastronomie gefordert haben. Indem wir hier nachziehen, stärken wir also auch die internationale Konkurrenzfähigkeit des deutschen Tourismusgewerbes, was wiederum auch unsere Steuereinnahmen positiv beeinflusst.

Auch beim Bahnprojekt „Stuttgart 21“ sehe ich keinen Widerspruch in meiner Haltung. Das Bahnprojekt Stuttgart - Ulm mit den Teilprojekten „Stuttgart 21“ und der Neubaustrecke Wendlingen - Ulm hat für die Zukunft des Lebens-, Wirtschafts- und Arbeitsstandortes Baden-Württemberg eine entscheidende strategische Bedeutung. Baden-Württemberg gehört zu den wirtschaftsstärksten Regionen Deutschlands und Europas. Durch seine zentrale Lage und seine Exportstärke ist das Land in hohem Maße auf leistungsfähige Verkehrswege angewiesen. Die Anbindung von Flughafen und Messe schafft Synergieeffekte. Viele Regionen des Landes rücken näher an Stuttgart heran. Das Projekt verbessert daher die verkehrlichen Rahmenbedingungen am Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg elementar und sichert Wachstum und Beschäftigung.

Die Landesregierung hat zu dem volkswirtschaftlichen Nutzen des Bahnprojekts eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Die Untersuchung belegt eindrucksvoll, dass dem finanziellen Engagement ein herausragender volkswirtschaftlicher Nutzen gegenübersteht. Hätte ich im Übrigen dem Antrag auf einen Baustopp zugestimmt, dann hätte ich wirklich Geld der Steuerzahler verbrannt. Denn dann wären immense Kosten für die Planung und den Baubeginn in den Sand gesetzt worden. Außerdem würden etwa 1,4 Milliarden € nach konservativen Schätzungen – die Bahn schätzt mittlerweile 3 Milliarden € – an Schadenersatzzahlungen fällig werden, wenn wir die Politik, die die Grünen uns vorschlagen, durchsetzen würden. Dies käme aber ohne Gegenleistung einer Vernichtung von Steuergeldern gleich, was sicherlich nicht im Sinne einer Haushaltskonsolidierung ist.

Ich bin also abschließend der Meinung, dass ich sehr verantwortungsvoll entschieden habe und dies auch weiterhin tun werde – zum Wohle unseres Landes und auch zum Wohle künftiger Generationen.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Erik Schweickert, MdB

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Erik Schweickert
Erik Schweickert
FDP