Frage an Erik Schweickert von Jürgen D. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Erik Schweickert,
derzeit wird wg. des drohenden Defizits der gesetzlichen Krankenkassen über höhere Belastungen der Versicherten und der Arbeitgeber diskutiert.
Das derzeitige parallele System PKV-GKV gestattet den Besserverdienenden und den Staatsdienern, der auf dem Solidaritätsprinzip aufgebauten gesetzlichen Krankenversicherung zu entgehen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen diejenigen, die nicht für sich sorgen können (Hartz4-Empfänger etc.) ohne Beteiligung gerade dieser überdurchschnittlich leistungsfähigen Teile der Bevölkerung weitgehend allein mitfinanzieren. Gerechter wäre aus meiner Sicht eine Mitgliedschaft in der GKV für jeden Bürger, steuerfinanziert bei Leistungsempfängern, als gesundheitliche Grundsicherung. Die PKV als Zusatzversicherung für alle, die zusätzliche Leistungen wünschen. Die Steuerfinanzierung der GKV für Leistungsempfänger beteiligt gerechterweise alle Steuerzahler an dieser Belastung.
Wann ist mit einer grundlegenden Reform des Gesundheitssystems zu rechnen und wie sähe diese aus Ihrer Sicht grob skizziert aus?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort!
Mit freundlichen Grüßen,
Jürgen Daul
Sehr geehrter Herr Daul,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen und Anmerkungen zur Struktur des deutschen Gesundheitssystems.
Ihre Argumente sind durchaus nachvollziehbar. Aus diesem Grunde möchte die FDP ja das Gesundheitssystem dahingehen verändern, dass für diejenigen, die nicht selbst in die GKV einzahlen (z.B. Hartz IV-Empfänger), der Beitrag aus dem Steuer-Transfer-System gezahlt wird. Dies ist Kern der von uns ins Spiel gebrachten „Kopfpauschale“ (leider ein kommunikationspolitisch suboptimaler Begriff, denn viele Menschen assoziierten damit, dass z.B. bei einer 4-köpfigen Familie vier Mal eine Kopfpauschale gezahlt werden müsste. Was natürlich nicht der Fall ist! Die beitragsfreie Familienmitversicherung bleibt unverändert, denn die Gesundheitsprämie wird von mitversicherten Familienmitgliedern nicht erhoben. Die Kosten für die Krankenversicherung der Kinder sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und daher aus Steuermitteln zu finanzieren.) Der Begriff „Kopfpauschale“ bedeutet nämlich, dass nicht mehr die gesetzlich Versicherten allein durch das Umlageverfahren auch für diejenigen einzahlen, die sich eine Versicherung nicht leisten können. Denn wir wollen statt des Ausgleichs innerhalb der gesetzlichen Krankenkassen einen Steuerausgleich. Dieser würde nicht nur durch die gesetzlich Versicherten aufgebracht, sondern von allen Steuerzahlern – also auch den Besserverdienenden und den Beamten. Die von Ihnen beschriebene Ungerechtigkeit zwischen bestimmten Berufsgruppen, die nicht in das gesetzliche Krankenversicherungssystem einzahlen und denjenigen, die dies tun, würde damit überwunden.
Allerdings halte ich es für den falschen Weg, die privaten Krankenversicherungen abzuschaffen und eine Zwangsmitgliedschaft in der GKV einzuführen. Wir wollen allen Versicherten umfassende Wahlmöglichkeiten zur Gestaltung ihres Versicherungsschutzes geben und damit endlich richtig verstandenen Wettbewerb im Gesundheitswesen erreichen. Das FDP-Modell ist die bessere Alternative zur Einheitsversicherung, die höhere Beiträge bei sinkenden Leistungen bedeutet.
Die FDP spricht sich aus für eine Pflicht zur Versicherung der Risiken, die den Einzelnen im Krankheitsfall überfordern würden, bei einem Versicherer der eigenen Wahl. Jeder Bürger muss die Möglichkeit haben, im Umfang der Existenz bedrohenden Risiken unabhängig vom Gesundheitszustand ohne die Erhebung von Risikozuschlägen versichert zu werden. Wer ein höheres Sicherheitsbedürfnis hat, kann sich selbstverständlich für einen umfangreicheren Versicherungsschutz entscheiden. Dabei sind auch unterschiedliche Tarifgestaltungen innerhalb der GKV oder der PKV möglich.
Da ich als verbraucherschutzpolitischer Sprecher meiner Fraktion die Fachzuständigkeit für den Bereich des Verbraucherschutzes übernommen habe, empfehle ich Ihnen, sich für weitere detaillierte Informationen zum Gesundheitssystem an unsere gesundheitspolitische Sprecherin, Ulrike Flach (ulrike.flach@bundestag.de), oder an den parlamentarischen Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Daniel Bahr (daniel.bahr@bundestag.de), zu wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Erik Schweickert, MdB