Frage an Elmar Brok von Gerhard G. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Sehr geehrter Herr Brok,
Bürger einiger EU-Länder können seit wenigen Jahren als Besucher "visumsfrei" in die USA einreisen. US-Staatsbürger dürfen es umgekehrt auch. ABER: Ein EU-Bürger, muss 1.) einen gültigen, elektronisch lesbaren Reisepass vorlegen, 2.) ein Einreiseformular ausfüllen und darin schriftlich auf jegliche Einspruchsrechte gegen die Entscheidungen des US-Grenzbeamten verzichten (also auch auf Kontakt mit seiner Botschaft), bevor er sich den weitern Prozeduren stellen darf, 3.) ein Zollformular ausfüllen, 4.) Fragen nach dem Zweck der Reise zu beantworten, 5.) Fingerabdrücke ALLER 10 Finger zu machen, 6.) ein Foto des Gesichtes zu gestatten, und 7.) sich einen Kontrollabschnitt des Einreiseformulars für die Wiederausreise in den Pass heften lassen.
DAHINGEGEN braucht der US-Bürger lediglich einen gültigen Reisepass vorzulegen, wenn er in die EU einreisen will.
Frage: Warum und wie lange ist die EU bereit, diese Diskriminierende Behandlung ihrer Bürger hinzunehmen?
Ist die EU bereit, finanziell dadurch zu Schaden gekommene Bürger zu entschädigen?
Findet die EU den geforderten bedingungslosen Verzicht auf Einspruchsrechte mit den Menschenrechten vereinbar?
Danke für jegliche Antwort und beste Grüße
Gerhard Gruber
Sehr geehrter Herr Gruber,
die von Ihnen beschriebene Situation ist ärgerlich und Ihr Unverständnis kann ich nachvollziehen. Allerdings haben die Anschläge vom 11. September in den USA das Sicherheitsempfinden der Amerikaner fundamental erschüttert. Das müssen wir in Europa verstehen, wenn wir auch nicht alle Maßnahmen als geeignet oder vorteilhaft ansehen.
Eine der Grundgedanken Europas ist die Reisefreiheit. Wenn man an einen Grundsatz glaubt, will man diesen auch nicht opfern. Benachteiligende Maßnahmen gegen europäische Bürger durch außereuropäische Staaten, in dem von Ihnen angesprochenen Fall durch die USA, sind nicht wünschenswert aber nicht mit analogen Gegenmaßnahmen zu beantworten.
Das gleiche Prinzip betrifft auch Datenschutz und Datensicherheit in der EU. Europa sollte auch hier seine Vorstellungen von einer freien Gesellschaft nicht im Gegenzug zu anderen Ansichten nach dem Prinzip "Auge um Auge, Zahn um Zahn" angleichen.
Europa wird nur auf dem politischen Wege versuchen können als Vorbild für andere zu dienen oder im Dialog Lösungen zu finden. Das Europäische Parlament hatte schon 2007 eine erste Vereinbarung mit den USA zurückgewiesen, weil Washington noch weitergehende Maßnahmen zur Datenspeicherung gefordert hatte.
Ein einflussreicheres Europa wird auch eher gehört werden. Deshalb sehe ich die Ratifizierung des Lissabon Vertrags als so entscheidend an. Wenn die Bevölkerung in Irland dem Vertrag zugestimmt hat, ist der Weg frei für ein gestärktes Europa. Dann wird die EU mit einem "Hohen Vertreter", dem de facto EU-Außenminister mit einer Stimme vertreten werden können. Als langjähriger Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments habe ich dies stets gefordert.
Auch wenn in Europa nun der Datenschutz als Grundprinzip juristisch verankert ist, so ist das in anderen Teilen der Welt leider nicht der Fall. Ich bin aber zuversichtlich, dass unsere amerikanischen Freunde bald diese, ihnen selbst vertraute Werte bald wiederfinden werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Elmar Brok