Frage an Elke Hoff von Olaf M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
ich bin bestürzt über die Absicht der Bundesregierung, Tornado-Kampfflugzeuge nach Afghanistan zu schicken. Es wird behauptet, dass diese Einsätze lediglich der "Aufklärung" dienten. Klar ist jedoch,
- dass eine Frühjahrsoffensive der NATO bevorsteht und es offensichtlich ist, dass Deutschland mit dem Einsatz der Tornado-Kampfflugzeuge die Kriegshandlungen der NATO unmittelbar unterstützt (was die Lieferung von Angriffszielen mit einschließt),
- dass der Widerstand gegen die NATO-Truppen im Süden Afghanistans stetig wächst und die NATO mit ihrer Kriegsstrategie den bewaffneten Widerstand im Land anheizt,
- dass auch die Bundeswehr im Norden von Anschlägen nicht verschont blieb und bereits 66 Bundeswehrsoldaten ihr Leben verloren haben,
- dass Deutschland, das bisher schon mit Elitekampftruppen (KSK) an der sog. Antiterror-Operation der USA "Enduring Freedom" in Afghanistan beteiligt ist, endgültig und für alle Afghanen sichtbar Kriegspartei wird und entsprechende Gegenreaktionen heraufbeschwört.
Vor mehr als fünf Jahren begann der US- und NATO-Krieg in Afghanistan, der bis heute keinen nennenswerten Erfolg vorweist. Im Gegenteil, die Ablehnung gegen die Besatzer und die Bereitschaft zum bewaffneten Kampf steigt.
Der größte Teil der ländlichen Bevölkerung lebt im Elend und die zivile Aufbauhilfe tritt auf der Stelle: Während Deutschland jährlich 460 Mio. Euro für das Militär ausgibt, gehen in die Entwicklungshilfe lediglich 80 Mio. Euro.
Angesichts der zunehmenden Gewalt in Afghanistan, bedingt durch die Militärstrategie der USA und der NATO, und der immer tieferen Verwicklung deutscher Soldaten in die Kampfhandlungen fordere ich Sie auf, dem Tornado-Einsatz nicht zuzustimmen. Nach einer neuen FORSA-Umfrage sind 77 Prozent der Bevölkerung dieser Auffassung.
Frage: wann beginnen wir uns für für einen Abbau der Militärpräsenz in Afghanistan einzusetzen und dafür das Geld in den zivilen Aufbau fliessen zu lassen? den Unterschied?
Sehr geehrter Herr Manges,
herzlichen Dank für Ihr Schreiben.
Ich teile Ihr Unverständnis über die Verschleierung des Auftrages der Recce-Tornados. Aufklärung geschieht nicht zum Selbstzweck, sondern dient der Vorbereitung von Angriffshandlungen. Daher ist die Entsendung dieser Flugzeuge auch ein Kampfeinsatz.
Die Zunahme des Widerstandes gegen ISAF-Truppen der NATO hängt mit der Ausdehnung der Mission auf das ganze Land zusammen. Die Truppen wirken seit dem letzten Jahr auch im Süden und im Osten des Landes. Dies sind die Rückzugsräume der Taliban gewesen, in denen sie nun nicht mehr ungestört agieren können. Darüber hinaus haben die Taliban in der Bevölkerung, insbesondere in der paschtunischen Region,wieder mehr Rückhalt gewonnen.
Sowohl im Rahmen der Operation Enduring Freedom als auch ISAF ist der Einsatz von KSK-Soldaten möglich. Im Rahmen von Enduring Freedom kommen nach Verlautbarungen von Verteidigungsminister Franz-Josef Jung schon seit geraumer Zeit keine KSK-Kräfte mehr zum Einsatz. Im Rahmen des deutschen Beitrages für ISAF kommen im deutschen Verantwortungsbereich im Norden Afghanistans auch KSK-Soldaten zum Einsatz.
Es steht außer Frage, dass Afghanistan nicht rein militärisch zu befrieden und zu entwickeln ist. Die Bevölkerung Afghanistans muss merken, dass die internationale Präsenz für sie spürbare Vorteile mit sich bringt. Wenn es den Menschen nicht besser geht als zuvor findet die ausländische Präsenz keine Zustimmung.
Die Bundesregierung ist beim Polizeiaufbau in Afghanistan weitgehend gescheitert. Dabei ist der Aufbau eines funktionierenden Polizei-, Justiz- und Strafvollzugswesens eine wesentliche Voraussetzung für die Herstellung der Sicherheit und Ordnung und damit der Herstellung stabiler staatlicher Verhältnisse in Afghanistan. Zugleich darf das Ziel nicht aus den Augen verloren werden, die afghanische Regierung zunehmend selbst in die Verantwortung zu nehmen, so dass sie mittelfristig selbst für die Sicherheit im Lande sorgen kann ("Afghan Ownership"). Zu Recht beklagen Sie die Diskrepanz zwischen den Mitteln, die für das militärische Engagement und den zivilen Wiederaufbau in Afghanistan aufgebracht werden. Multilateral wird in Afghanistan zehn Mal so viel Geld für militärisches Handeln ausgegeben wie für zivile Projekte. Gerade Deutschland versucht den Eindruck zu erwecken, unser Wiederaufbauanteil sei besonders erfolgreich. Das stimmt leider nur bedingt.
Zwar ist Afghanistan Schwerpunktland der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und wir sind hinter den USA, Japan und Großbritannien der viertgrößte bilaterale Geber Afghanistans. Trotzdem war die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan im Jahre 2004 in der Höhe vergleichbar mit der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit mit Bolivien (AFG: 60,47 Mio. €/ Bolivien: 60,52 Mio. €). Andere Partner nehmen eine deutlich vernehmbarere Schwerpunktsetzung in Afghanistan vor. So gibt Großbritannien schon heute 151 Mio € p.a. aus und erhöht die Mittel jährlich auch noch um weitere 15 %. Deutschland geht diesen Weg nicht mit, obwohl das Afghanistan-Konzept vom 13. September 2006 die quantitative und qualitative Angemessenheit des Ressourceneinsatzes hinterfragt. Der richtigen Analyse folgt leider nicht die konsequente Umsetzung. Die Bundesregierung muss die entwicklungspolitischen Anstrengungen in Afghanistan erheblich verstärken. Afghanistan muss politisch, finanziell und personell wirklich ein Schwerpunktland der deutschen Entwicklungszusammenarbeit werden. Die Bevölkerung muss in absehbarer Zeit eine Verbesserung der Lebensverhältnisse empfinden, ansonsten droht der gesamte Afghanistan-Einsatz zu scheitern.
Ich teile Ihre Einschätzung, dass der militärische Einsatz in Afghanistan bisher keine nennenswerten Erfolge gebracht hat. Die zivilen Strukturen in Afghanistan müssen so schnell wie möglich aufgebaut und befähigt werden, die Macht der Drogenkartelle zerschlagen und die Lebensumstände der Bevölkerung spürbar verbessert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Elke Hoff