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Elke Hoff
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Frage von Martina H. •

Frage an Elke Hoff von Martina H. bezüglich Finanzen

GRIECHENLAND / BANKEN
Haben Sie den Text, über den Sie und Menschen Ihrer Partei abstimmen sollen, bereits erhalten? Um welche Uhrzeit ? In einer glaubwürdigen Übersetzung? Wieviele Seiten waren das ? Sie hatten bestimmt andere wichtige Dinge zu tun, und nicht nur das Lesen. Wieviel Zeit hatten Sie zum Lesen?

Haben Sie den Text, über den Sie abstimmen sollen, IN SEINEN KONSEQUENZEN annähernd verstanden?
Oder wenigstens von Anfang bis Ende mehr als einmal AUFMERKSAM durchgelesen?

Sind Sie Ihrem Gewissen verpflichtet ?

Fraktionszwang mit Devise: “Fraktion befiel, wir folgen.”

Einfache Frage eines einfachen Bürgers:
werden Sie, ja Sie, Sie persönlich, als Mensch mit Gewissen, mit NEIN oder (parteibuchbrav) mit JA stimmen?

Darauf hätte ich gern eine Antwort.

Gruß
Dr. Martina Homma

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Dr. Homma,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht. Lassen Sie mich im Folgenden unsere Sicht auf die Griechenlandhilfen etwas umfassender darstellen. Mit der weiteren Unterstützung Griechenlands bei seinen Reformbemühungen setzt die christlich-liberale Koalition die Sicherung unserer Gemeinschaftswährung und den Umbau Europas zur Stabilitätsunion konsequent fort. Das Fundament dieser neuen Stabilitätsarchitektur ist mit dem Fiskalvertrag, der im Gegensatz zu dem seinerzeit von SPD und Grünen aufgeweichten Stabilitätspakt verbindliche Defizitgrenzen aufzeigt, bereits erfolgreich gelegt worden. Jedoch müssen zur Vermeidung einer gefährlichen Kettenreaktion auch akute Überschuldungsfälle behandelt werden. Griechenland ist fraglos ein solcher Fall. Jahrzehntelange Misswirtschaft, fehlende ordnungspolitische Rahmensetzung und mangelnde Haushaltsdisziplin haben Griechenland in diese schwierige Lage gebracht. Zwar ist es im Nachhinein immer müßig, solche Feststellungen zu treffen, jedoch gehört es zur Wahrheit, dass die Entscheidung von Rot-Grün, Griechenland entgegen seiner bereits damals erkennbar fehlenden Beitrittsfähigkeit in die Eurozone aufzunehmen, erst die Ursache dieser Gefahr für die Gemeinschaftswährung begründet hat.

Es handelt sich bei den nun beschlossenen Veränderungen um Anpassungen am bestehenden Programm. Laufzeit und Volumen bleiben unangetastet. Der zusätzliche Finanzierungsbedarf wird aus dem Programm heraus finanziert. Die Änderungen sind nach Auffassung der Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) insbesondere aus zwei Gründen notwendig geworden. Zum einen hat sich die Konjunktur erheblich ungünstiger entwickelt als im Programm ursprünglich angenommen. Zum anderen kam es nicht zuletzt aufgrund der Neuwahlen in Griechenland zu Verzögerungen in der Umsetzung der zugesagten Maßnahmen. Die Troika hat trotz dieser nicht vorhersehbaren Entwicklungen in ihrem einvernehmlichen Bericht bestätigt, dass Griechenland ein breit gefächertes Reformprogramm, den Haushalt für 2013 und eine ambitionierte mittelfristige Haushaltsstrategie bis 2016 in zufriedenstellender Weise auf den Weg gebracht hat. Es ist zu würdigen, dass Griechenland Enormes geleistet hat. So wurden zum Beispiel die Staatsausgaben von 2009 bis 2012 um 20 Prozent reduziert.

Weitere Erfolge bei den Sanierungsbemühungen Griechenlands seien im Folgenden exemplarisch genannt:

• Reduzierung des Haushaltsdefizits seit 2009 um 9 Punkte von 16 auf 7 Prozent des BIP
• Reduzierung des Leistungsbilanzdefizits seit 2008 um 9 Punkte von 18 auf 8 Prozent des BIP
• Reduzierung der Lohnstückkosten seit 2009 um 10 Prozent
• Reduzierung der Personalausgaben seit 2009 um 23 Prozent
• Reduzierung der Sozialtransfers um seit 2009 um 26 Prozent
• Griechenland hat sich innerhalb eines Jahres von Platz 89 auf Platz 78 im „Ease of Doing Business-Indikator“ der Weltbank gesteigert.

Die harten Verhandlungen der Troika in den vergangenen Monaten haben dazu geführt, dass Griechenland bei seinen Reformbemühungen nochmals nachgelegt hat. So hat Griechenland nunmehr weitere 72 sogenannte vorrangige Maßnahmen umgesetzt und weitere wichtige Strukturreformen, wie etwa in der Finanzverwaltung beschlossen. Auch wurde im November ein zusätzliches Sparpaket im griechischen Parlament mit einem Volumen von 13,5 Mrd. Euro verabschiedet. Aufgrund der verschlechterten Rahmenbedingungen hat die Troika nun vorgeschlagen, die haushaltspolitischen Zielvorgaben des Hilfsprogramms an die neue Lage anzupassen. Das Ziel eines Primärüberschusses (unter Ausklammerung von Zinszahlungen sind bei einem Primär-Überschuss die Staatseinnahmen höher als die Staatsausgaben) soll von 2013 auf 2014 verschoben werden und das Erreichen eines Staatsdefizits unterhalb der Maastricht-Zielmarke von 3 Prozent des BIP von 2014 auf 2016. Nicht zuletzt muss die Schuldentragfähigkeit neu geprüft werden, da das ursprüngliche Ziel eines Schuldenstands von 120 Prozent des BIP im Jahr 2020 absehbar nicht mehr erreicht werden kann. Wir werden Griechenland auf seinem beschwerlichen Weg weiter hilfreich begleiten, sofern die strengen Sanierungsauflagen weiterhin eingehalten werden. Bisher hat Deutschland bei dieser Hilfe über die Bundesbank und die KfW Gewinne erzielt. Mit der Anpassung des Griechenlandprogrammes werden wir auf diese Gewinne nun verzichten. Die Sanierung des griechischen Staatssystems ist daher per Saldo nicht zwingend ein Minusgeschäft für den Bundeshaushalt, aber eben auch kein Plusgeschäft mehr. Zur Verbesserung der Schuldentragfähigkeit plant Griechenland einen Schuldenrückkauf. Die Finanzierung in Höhe von bis zu 10,2 Mrd. Euro erfolgt aus Programmmitteln, d.h. ohne Aufstockung des Programmvolumens. Die Mittel fließen erst zum Ende einer zu definierenden Angebotsphase, nachdem eine von der Troika durchzuführende Schuldentragfähigkeitsanalyse zu dem Ergebnis einer Auszahlungs-Empfehlung gekommen ist, d.h. im Rahmen der Freigabe der nächsten Tranche. Bei den EFSF-Darlehen wird von der bisher erhobenen Garantiegebühr zukünftig abgesehen.

Die Laufzeit sowohl der bilateralen Kredite unter dem Griechenland I-Programm als auch der EFSF-Kredite wird um 15 Jahre verlängert. Mit dieser Maßnahme sollen die Tilgungsverpflichtungen Griechenlands nach 2020 besser auf die nachfolgende Dekade verteilt werden. Gleichzeitig wird die Marge des Griechenland-I-Kredits, die derzeit 150 Basispunkte über Euribor beträgt, um 100 Basispunkte abgesenkt. Für den Bundeshaushalt führt dies bei den Zinsen zu Mindereinnahmen im Umfang von rd. 130 Mio. Euro jährlich, da dieses Programm über die bundeseigene KfW abgewickelt wird. Die Zinsen auf die EFSF-Darlehen werden für 10 Jahre gestundet. Damit wird der Finanzbedarf in der Programmperiode um weitere 4,1 Mrd. Euro verringert. Die EFSF wird das Zinsmoratorium durch zusätzliche Refinanzierungsgeschäfte zwischenfinanzieren. Dies wird den Umfang der von der EFSF beanspruchten Gewährleistungen im Rahmen der vereinbarten Garantieobergrenze erhöhen. Griechenland soll nach Ablauf des Zinsmoratoriums die Zinszahlungen nachholen. Die Mitgliedstaaten der Eurozone erklären sich des Weiteren bereit, einen Betrag in der Höhe der Zentralbankgewinne, die auf die im Rahmen geldpolitischer Operationen angekaufter griechischen Staatsanleihen zurückzuführen sind, an Griechenland abzuführen. Die Mittel werden ausschließlich auf ein Sonderkonto fließen. Der deutsche Anteil hieran beträgt während der Programmperiode rd. 1,13 Mrd. Euro, der sich aufteilt in rd. 600 Mio. Euro im Jahr 2013 und rd. 530 Mio. Euro im Jahr 2014. Die Vereinbarung gilt über die Programmperiode hinaus. Insgesamt beläuft sich der rechnerische deutsche Anteil aus aktueller Sicht auf rund 2,74 Mrd. Euro. Deutschland verzichtet mit dieser Maßnahme auf die Auskehrung von Gewinnen aus Notenbanktransaktionen mit griechischen Anleihen.

Im Haushaltsplan 2013 sind 1,5 Mrd. Euro als Anteil des Bundes am Reingewinn der Bundesbank etatisiert. Je nach Höhe des Reingewinns könnte sich somit ein um 599 Mio. Euro geringerer Betrag im Bundeshaushalt niederschlagen. Er muss aber nicht zwingend kleiner sein als die etatisierten 1,5 Mrd. Euro, da der Gewinn auch deutlich über 1,5 Mrd. Euro liegen könnte und die Bundesbank in ihrer Entscheidung frei ist, ob sie die 599 Mio. Euro in Rechnung stellt. Inwiefern also eine effektiv auf den Bundeshaushalt durchschlagende Wirkung eintritt, ist spekulativ. Aus diesem Grunde bedarf es auch keines Nachtragshaushaltes, sondern es wird auf das haushaltstechnische Instrument der außerplanmäßigen Ausgabe bzw. Verpflichtungsermächtigung zurückgegriffen.

Zur weiteren Deckung der Finanzierungslücke im Programm wird der vorgesehene Abbau der sog. T-Bill-Finanzierung (kurzfristig laufende Staatsanleihen) im Programm zunächst nicht erfolgen. Zudem kann Griechenland auf einen Teil der bisher im Programm geplanten und aufzubauenden Barreserve verzichten. Mit dem beschlossenen Antrag des Bundesfinanzministeriums wurde zunächst nur eine Entscheidung über inhaltliche Veränderungen am bestehenden GRC II –Programm getroffen. Die endgültige Freigabe der Tranchen soll nach Ablauf der Angebotsfrist zum Schuldenrückkauf und Vorlage eines endgültigen Troika-Berichts Mitte Dezember durch ein gesondertes Verfahren im Deutschen Bundestag erfolgen.

Aus deutscher Sicht ist die vereinbarte Anpassung des Griechenland-Programms ein
sehr guter Verhandlungserfolg der Bundesregierung:

• Es gibt keinen Schuldenschnitt öffentlicher Gläubiger. Das ist wichtig, um den Reformdruck weiterhin aufrechtzuerhalten.
• Die Maßnahmen werden innerhalb des bestehenden Programms finanziert. Es kommt nicht zu einem Griechenland III-Paket, das bisherige Nominalvolumen bleibt unverändert.
• Wir halten den Druck auf Griechenland zu Strukturreformen und Haushaltskonsolidierung aufrecht bzw. erhöhen ihn nochmals:

o Die Einrichtung eines Sonderkontos ist auf unsere Forderung zurückzuführen.
o Im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung wird dauerhaft eine für drei Jahre verbindliche Ausgabenobergrenze eingeführt. Es wird künftig automatisch eine Ausgabenkürzung geben, wenn die festgelegten Haushaltsziele verfehlt werden.
o Damit dies auch in der Praxis umgesetzt werden kann, wird künftig in jedem Ministerium zunächst ein gewisser Anteil an den variablen Ausgaben gesperrt werden. Damit ist es bei Fehlentwicklungen leichter, im Verlauf eines Haushaltsjahres entsprechend mit Ausgabensenkungen gegenzusteuern.
o Für die Zentralregierung sollen künftig mindestens 30 Prozent von einmaligen Mehreinnahmen zur Schuldentilgung verwendet werden. Bis zu 70 Prozent können unter Beachtung der Haushaltsziele für wachstumsfördernde und sozialpolitische Maßnahmen verwendet werden. Dies wird transparent über das Sonderkonto abgewickelt, über das Griechenland nicht ohne die Troika verfügen kann. Mit dieser Regelung belassen wir Anreize bei der Zentralregierung, einmalige Mehreinnahmen zu realisieren, tragen aber auch zum dringend notwendigen Schuldenabbau bei.

Wir haben uns mit den Programmanpassungen den Veränderungen der Realität gestellt. Gleichzeitig haben wir die Transparenz und die Kontrollen verschärft. Die Troika hat einen guten Mittelweg aufgezeigt, das Programm einerseits an die geänderten Rahmenbedingungen anzupassen, gleichzeitig aber den Reformdruck aufrechtzuerhalten.

Stabilität in der Eurozone lässt sich nicht mit dem einen großen Paukenschlag wiederherstellen. Es sind viele Einzelschritte notwendig. Davon ist die Anpassung des Hilfsprogramms für Griechenland einer. Griechenland ist und bleibt in der Pflicht.
Schritt für Schritt in gegenseitiger Solidarität, nur so kann es weitergehen. Der Weg ist aufgezeichnet, und wir halten es für richtig, ihn gemeinsam weiterzugehen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen, und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
gez. Elke Hoff