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Elisabeth Winkelmeier-Becker
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Frage von Arndt D. •

Wie stabil sind erneuerbare Energien im Katastrophenfall?

Gestern habe ich auf Tagesschau24 die Dokumentation "Eiszeit - Der Katastrophenwinter 1978/79" gesehen. Darin wurde gezeigt, dass durch einen katastrophalen Wintereinbruch in Norddeutschland die Versorgung weitflächig zusammengebrochen war. So konnte die Stromversorgung auf dem Gebiet der DDR nur noch mit Hilfe eines Atomkraftwerks teilweise sichergestellt werden, da die Braunkohleverstromung zusammenbrach.

Dies hat mich zum Grübeln gebracht: Windräder und Solarzellen wären heutzutage in einem solchen Katastrophenfall voraussichtlich ebenso unbrauchbar wie damals die Braunkohlegewinnung.

Nun habe ich zwei Fragen an Sie:

(1) Existiert ein Katastrophenplan für die Stromversorgung?
(2) Sollte nicht zumindest wenigstens ein Atomkraftwerk in Bereitschaft gehalten werden, für den Fall, dass erneuerbare Energien ausfallen?

Vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage im Voraus.

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Sehr geehrter Herr. D.,

Erneuerbare Energien schwanken zwar mit den Wetterbedingungen, es ist allerdings nicht so, dass Schnee und Eis Windräder und Photovoltaik lahm legen. Hier finden Sie nähere Informationen dazu: 
https://correctiv.org/faktencheck/2021/03/10/nein-schnee-und-eis-liessen-windkraftanlagen-in-deutschland-nicht-stillstehen/

Zu Ihren weiteren Fragen kann ich Ihnen zunächst mitteilen, dass in Deutschland für den Katastrophenschutz dezentral die Länder bzw. die Kreise und kreisfreien Städte zuständig sind und dort umfangreiche Katastrophenschutzpläne existieren. Der Grundgedanke ist, dass die Helfer vor Ort die Gegebenheiten am besten kennen und Hilfe organisieren können. Viele Einrichtungen haben einen eigens auf die zugeschnittenen Plan im Fall eines Stromausfalls, etwa Krankenhäuser, die Diesel-Notstromaggregat zur Verfügung haben, oder Telefonnetzbetreiber, die ihrerseits eine Zeit lang vom Stromnetz unabhängig agieren können. Gleichzeitig gibt es nicht zuletzt wegen der Erfahrungen in der Corona-Pandemie eine aktuelle Diskussion, wie die Koordinierung der Länder durch neue Strukturen verbessert werden kann, gegebenenfalls auch mehr Zuständigkeiten des Bundes und des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe BBK, was allerdings eine Grundgesetzänderung voraussetzen würde. 

Die Stromversorgung ist grundsätzlich doppelt gesichert. Wenn ein Stromversorger Probleme hat, kann sich ein anderer Versorger zuschalten. Flexibel werden je nach Bedarf und entsprechender Preisentwicklung an der Strombörse zumeist zuerst Gas- dann (noch) Kohlekraftwerke hochgefahren. Zusätzliche Sicherheit ist durch die Verbindung der europäischen Stromnetze gegeben - zur wechselseitigen Sicherheit aller. Wenn in Deutschland tatsächlich wegen einer sogenannten „Dunkelflaute“ zu wenig Strom im Netz ist, sichert französischer Strom - dort dann auch bekanntermaßen Atomstrom - auch die Stabilität unserer Versorgung, andersherum sichert der deutsche Strom auch die französische Versorgung, etwa wenn dort - wie mehrfach im Sommer - Atomkraftwerke abgeschaltet werden müssen, weil die erforderliche Kühlung nicht mehr gewährleistet werden kann. Auch alle weiteren Länder im Verbund des europäischen Strom-Binnenmarkts nehmen an dieser wechselseitigen Absicherung teil. Wenn Stromausfälle vor Ort eintreten, wie im Dezember in Much, Neunkirchen-Seelscheid und Ruppichteroth, so liegen diese nicht an Strommangel im Netz, sondern resultieren aus Beschädigungen des örtlichen Stromnetzes. 

Mehr Sicherheit müssen wir in Zukunft erreichen, indem wir dezentrale Stromquellen installieren, so dass lokale Ausfälle bei Stromquellen durch Stromproduktion an anderer Stelle aufgefangen werden können. Jedes Hallen- oder Hausdach, das mit Photovoltaik ausgestattet wird, kann dazu einen Beitrag leisten. Zusätzlich wird die Ausstattung mit Speichern im kleinen und großen Maßstab eine immer größere Rolle spielen. Dazu gibt es etliche innovative Ansätze zum Beispiel für die Ausrüstung von einzelnen Häusern oder Quartieren, die ich in den vergangenen zwei Jahren als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium kennengelernt habe. Aber auch die Energie ganzer Windparks muss gespeichert bzw. beispielsweise in Wasserstoff umgewandelt werden, wenn mehr Strom im Netz ist, als gerade verbraucht wird, anstatt Anlagen herunter zu regeln. Der Ausbau der Netze und die Umstellung auf smarte Nutzung - etwa automatisiertes Anstellen der Waschmaschine oder Aufladen des Elektroautos dann, wenn der Strom ausreichend im Netz ist - ist ein weiterer wichtiger Faktor der Energiewende. So machen wir auch mit Erneuerbaren Energien die Stromversorgung resilienter. Nebeneffekt ist übrigens, dass sich daraus auch zukunftsfeste Exportchancen für solche dezentralen Systeme für die deutschen Anlagen- und Maschinenbauer ergeben.  
Ich halte es nicht für sinnvoll, auch ein Atomkraftwerk für diesen Zweck am Netz zu halten. Die Entscheidung zum Ausstieg beruht auf den Überlegungen, dass das Risiko eines atomaren Katastrophenfalls ausgeschlossen werden und Atommüll vermieden werden soll. Beides wird nicht erreicht, wenn wir ein vorhandenes AKW dauerhaft weiter am Netz halten. Die AKW-Betreiber haben sich seit Jahren wirtschaftlich und technisch darauf eingestellt, dass die Anlagen entsprechend den Regelungen des Atomgesetze wie geplant vom Netz gehen und investieren mittlerweile lieber in Windparks. 

Freundliche Grüße

Elisabeth Winkelmeier-Becker

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