Nach Urteil des EuGH sind die deutschen Staatsanwaltschaften aufgrund eines gesetzlichen Weisungsrechts nicht unabhängig. Warum wurde bis dato das EuGHUrteil nicht umgesetzt?
Frau Winkelmeier-Becker,
Nach Urteil des EuGH sind die deutschen Staatsanwaltschaften aufgrund eines gesetzlichen Weisungsrechts nicht unabhängig. Europarecht fordert hohes Unabhängigkeitsniveau von Justizbehörden!
https://www.roedl.de/themen/stadtwerke-kompass/16-2019/eugh-zur-unabhaengigkeit-der-deutschen-regulierungsbehoerden
1. ist ein Urteil des EuGH für D bindend?
Falls ja,bis wann wird umgesetzt, dass die Staatsanwaltschaften nicht mehr politischer Weisung unterliegen?
2. Das niemand verantwortlich ist, gibt es nicht! Welche Partei verhindert bis dato die Umsetzung des EuGH Urteils?
3. Schließen Sie aus, dass auf die im CumEx Skandal mit der Aufklärung beauftragten Staasanwälte politischer Druck ausgeübt wird/wurde? Ich frage, weil durch die Nichtumsetzung des Urteils des EuGH ja noch immer die jeweiligen Justizminster Weisungsrecht über Staatsanwälte haben.
https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/cum-ex-staatsanwaltschaft-100.html
Sehr geehrter Herr M.,
die Vorsitzende des Rechtsausschusses, meine Kollegin Frau Winkelmeier-Becker hat mir Ihre Anfrage weitergeleitet, da ich der zuständige Berichterstatter unserer Fraktion für diesen Bereich bin .
Als früherer Vorsitzender Richter einer Strafkammer am Landgericht Ravensburg und ehemaliger Staatsanwalt, der ich auch für Ermittlungsverfahren gegen Personen des öffentlichen Lebens zuständig gewesen bin, die häufig mit sogenannten Berichtspflichten an die Generalstaatsanwaltschaft und das Justizministerium verbunden waren, will ich bei der Beantwortung der Fragen auch die Sicht und Erfahrung der Praxis einbringen.
1.) Urteile des Europäischen Gerichtshofs sind für die nationalen Gerichte bindend.
Aus dem erwähnten Urteil folgt daher, dass in dem konkreten Fall der von einer deutschen Staatsanwaltschaft auf der Grundlage eines durch ein unabhängiges Gericht ergangenen Haftbefehls eine europaweite Ausschreibung zur Festnahme für nicht zulässig erachtet wurde, da der europäische Gerichtshof die Unabhängigkeit der Deutschen Staatsanwaltschaft angezweifelt hat aufgrund des grundsätzlichen Weisungsrechts.
Der EuGH hat aus meiner Sicht eine ausschließlich rechtspositivistische Sicht der Dinge gezeigt. Mit der realen Praxis hat das nach meinen Erfahrungen nichts zu tun. In den erwähnten Berichtsverfahren habe ich niemals auf Weisung handeln müssen, vielmehr bestand meine Hauptaufgabe über meine Ermittlungsschritte zu berichten, um dem Ministerium bei Anfragen aus dem Landtag die Tatsachen zu liefern, die sie bei Anfragen der Parlamentarier zu diesen Fällen, bekannt geben konnten, ohne den Ermittlungszweck zu gefährden.
Dies habe ich in einem Sitzung des Europaausschusses, dem ich in der letzten Legislaturperiode zeitweise angehört habe, dem zuständigen EU-Kommissar in einer Videokonferenz so auch mitgeteilt.
2.) Es gibt seitens der derzeit regierenden Ampelkoalition, der die Union bekanntlich nicht angehört, einen aktuellen Gesetzesentwurf, der auf die Entscheidung des EuGH eingeht und festlegen möchte, dass eine Weisung der höherrangigen Behörde, also insbesondere der Generalstaatsanwaltschaften im Rahmen einer Rechtsprüfung erfolgen darf, wenn festgestellt wird, dass auf der Ebene der Staatsanwaltschaft gegen geltende Rechtsvorschriften bei Ermittlungen verstoßen werden könnte. Eine Sachleitungsbefugnis, losgelöst von rechtlichen Fragen, im Sinne einer politischen Weisung soll ausgeschlossen werden. Das ist aus meiner Sicht ein kompromissfähiger Ansatz. Gegenwärtig befindet sich dieser Gesetzesentwurf nach meiner Kenntnis in der Ressortabstimmung zwischen den Bundesministerien.
3.) Zu etwaigen Weisungen im Rahmen der cum-ex-Affäre, bei denen einen politische Einflussnahme über das bestehende Weisungsrecht aus die Ermittlungen stattgefunden haben könnte, kann ich keine Auskünfte erteilen, da ich keine Kenntnisse über diese behördeninternen Vorgänge habe.
Mit freundlichen Grüßen
Axel Müller