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Elisabeth Winkelmeier-Becker
CDU
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Frage von Sascha K. •

Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker von Sascha K. bezüglich Finanzen

Wie werden sie für den Fiskalpakt stimmen? Ich bitte sie, sich dagegen zu entscheiden.

Mit freundlichem Gruß

Sascha Kakuschki

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Kakuschki,

zu meinen Gründen, warum ich die Entscheidungen, die der Bundestag bisher zu EFSF und ESM getroffen hat, mitgetragen habe, lesen Sie bitte zunächst meine Antworten auf Zuschriften zu diesen Themen, die auf meiner Homepage unter der Rubrik „Bürgeranfragen“ dazu eingestellt sind. Wenn Sie darüber hinaus Fragen zur Entscheidung über die Hilfszusage gegenüber Spanien haben, die wir gestern im Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen haben, so finden Sie dazu weitere Informationen ebenfalls auf meiner Homepage.

Es ist neben europäischen Gedanken gerade auch das eigene wirtschaftliche Interesse Deutschlands, dass die Länder, die Hilfsanträge bereits gestellt haben oder als Antragsteller aktuell in Betracht kommen, nicht zahlungsunfähig werden. Ich habe manchmal den Eindruck, dass die Auswirkungen einer solchen Entwicklung auf die deutsche Wirtschaft massiv unterschätzt werden. Die Lehmann-Pleite hatte bei weitem nicht das Ausmaß einer möglichen Staatspleite, war aber für eine Rezession auch in Deutschland verantwortlich, wie sie die Bundesrepublik noch nicht erlebt hatte.

Ihre Sorge, dass die Entwicklung in einer Schuldenunion endet, nehme ich sehr ernst. Eine Vergemeinschaftung der bestehenden Schulden wäre ungerecht und würde die betroffenen Staaten, die Probleme bei der Refinanzierung ihrer Schulden haben, gerade nicht zu den notwendigen Reformen anhalten. Wenn Sie sich die Forderungen aus den Reihen der SPD und den GRÜNEN aus den vergangenen Monaten anschauen, die von Anfang an Eurobonds gefordert und die Kanzlerin wegen ihrer restriktiven Vorgehensweise kritisiert haben, muss Ihnen aber auch klar sein: nur die Kanzlerin und Finanzminister Schäuble verhindern eine Transferunion; würde die heutige Opposition regieren, hätte Deutschland längst Eurobonds zugestimmt. So viel zu den Alternativen.

Eine Staats- oder Bankeninsolvenz ist im ESM-Vertrag nicht geregelt, der Vertragstext wäre aber auch nicht die richtige Stelle bzw. der richtige Regelungszusammenhang dafür. In Deutschland haben wir als Konsequenz aus der Bankenkrise ein Insolvenzrecht für Banken geschaffen; Maßnahmen aus diesem Regelwerk finden sich jetzt auch in dem Memorandum of Understanding wieder, das der Hilfe für Spanien aus der EFSF zugrunde gelegt wird. Solche Regeln könnte sich jedes Land national geben; sie werden in Zukunft m.E. im Zuge des Ausbaus der Bankenaufsicht und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit auf europäischer Ebene entstehen bzw. bei Hilfszusagen aus EFSF/ESM im Einzelfall mit dem betreffenden Land vereinbart werden. Die deutschen Regelungen werden dabei nach meiner Einschätzung wieder Vorbildcharakter haben.

EFSF und ESM sind in privatrechtlichen Formen organisierte Gesellschaften, bei denen die staatsrechtliche Kategorie "demokratisch"
nicht recht passt. Entscheidend ist: sowohl die Entscheidung für diese "Rettungsschirme", als auch die jeweiligen Hilfszusagen für einzelne Länder sind demokratisch legitimiert, in einem jedem Euro-Land nach dessen jeweiligen verfassungsrechtlichen Regeln, und gerade in Deutschland mit besonders weitreichender Beteiligung des Parlaments, die jede wesentliche Entscheidung in der konkreten Anwendung von EFSF/ESM-Hilfen von der Zustimmung des Bundestages abhängig macht. Das Abstimmungsverhalten des deutschen Vertreters ist dann an die Entscheidung des Bundestags gekoppelt (deshalb können Sie sich in diesem Zusammenhang ja auch an mich wenden, und nicht nur an die Kanzlerin).

Ich versichere Ihnen, dass es bei EFSF/ESM und bei den konkreten Hilfszusagen keinen Automatismus der Zustimmung im Parlament gibt. Alle Fragen, Zweifel und Ratschläge, die von Experten (leider immer uneinheitlich) oder Bürgern geäußert werden, werden ernst genommen und finden auch in unseren Reihen ihre Vertreter (siehe z.B. die Kollegen Bosbach oder Willsch). Auch diejenigen Abgeordneten, die den Maßnahmen zustimmen, sehen die kritischen Punkte, die in jeder neuen Entscheidung neu bedacht und abgewogen werden müssen. Es ist meines Erachtens auch wichtig und sogar hilfreich, dass die öffentliche Diskussion so kritisch geführt wird, damit den anderen Ländern klar wird, dass es in Deutschland auch Grenzen für Hilfszusagen gibt, v.a. dann, wenn Versprechungen nicht eingehalten werden. Letztlich stärkt das die Haltung der Kanzlerin, die auf europäischer Ebene eine dort als zu restriktiv kritisierte Haltung Deutschlands vertritt, damit aber gerade unsere Interessen wahrt.

Freundliche Grüße
Elisabeth Winkelmeier-Becker

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