Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker von Andreas F. bezüglich Recht
Vor einiger Zeit hat Transparency Deutschland eine Aktion zur Verschärfung des § 108e StGB, der den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung regelt, durchgeführt. Eine Gesetzesänderung ist nötig, damit die Bundesrepublik Deutschland die UN-Konvention gegen Korruption ratifizieren und so der selbsternannten Führungsrolle im globalen Kampf gegen Korruption gerecht werden kann, zu der sich Deutschland im Schlussdokument des G8 Gipfels von 2007 bekannt hat.
wie stehen sie zu diesem Thema?
Sehr geehrter Herr Frick,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur „Verschärfung“ des § 108e StGB und der Thematik der Abgeordnetenbestechung.
Ihr Anliegen, dass Korruption umfassend bekämpft werden muss, steht außer Frage, und in der Tat ist es unbefriedigend, dass die Bundesrepublik Deutschland die UNCAC (United Nations Convention against Corruption) bisher nicht ratifiziert hat und sich in diesem Zusammenhang zwischen Staaten wie Syrien oder Somalia einreiht. Wenn man weiß, dass auch Libyen unter Gaddafi das Abkommen ratifiziert hatte, wird aber auch klar, dass die Ratifizierung als solche nicht unbedingt der objektive Gradmesser für das Maß der Korruptionsbekämpfung in einem Lande ist.
Für Deutschland ist die Ratifikation deshalb problematisch, weil das Übereinkommen Mandatsträger ohne jegliche Möglichkeit der Differenzierung mit Amtsträgern gleichsetzt. Diese Gleichsetzung wird den Besonderheiten der verfassungsrechtlichen und tatsächlichen Stellung von gewählten Abgeordneten in Deutschland nicht gerecht. Im Gegensatz zum weisungsgebundenen Handeln der Exekutive sind Mandatsträger unabhängig und keinerlei hierarchischen Strukturen unterworfen. Die deutsche Rechtstradition unterscheidet daher bewusst zwischen Amtsträgern und Mandatsträgern in Parlamenten.
Es geht hier keineswegs darum, korruptes Verhalten von Abgeordneten zu schützen oder ein Sonderrecht für Mandatsträger zu verfestigen. Der Fall des Stimmkaufs ist bereits jetzt unter Strafe gestellt. Daneben ist der Bereich der Interessenvertretung oder der Nähe zu einem Verband einschließlich etwaiger Vergütungen in Deutschland durch Transparenzvorschriften erfasst. Wer auf der Gehaltsliste eines Verbandes oder Unternehmens steht, muss dies als Mitglied des Bundestages beispielsweise veröffentlichen. Jeder Bürger, jeder Wähler kann sich dann ein Bild davon machen, ob er dem betreffenden Abgeordneten sein Vertrauen ausspricht oder ob er die Nähe zu einem anderen Auftrag- und Geldgeber für kritisch hält. Abwahl ist hier die wirksamste Sanktion. Zusätzlich helfen die große Pluralität des Parlaments und der typischerweise generell-abstrakte Inhalt seiner Entscheidungen gegen Bestehungsanreize: Hier entscheiden zumeist Gremien mit politisch sehr unterschiedlich ausgerichteten Parlamentariern. Es hilft dann wenig, einzelne Abgeordnete zu bestechen, wenn nicht auch gute Argumente die Mehrheit des Gremiums überzeugen. Außerdem geht es in aller Regel nicht um konkrete Einzelfallentscheidungen, die einen Bürger unmittelbar begünstigen können. Meines Wissens gibt es auch keine nennenswerte Anzahl von Fällen, in denen die Verurteilung eines strafwürdigen Verhaltens an der fehlenden Strafbarkeit von Bestechung gescheitert ist.
Bisher ist es nicht gelungen, die Vorschriften über die Abgeordnetenbestechung so zu konzipieren, dass sie einerseits der besonderen Stellung von Abgeordneten Rechnung tragen und andererseits den Vorgaben des Übereinkommens der Vereinten Nationen entsprechen. Eine sachgerechte Regelung ist deshalb so schwierig, weil die Grenze zwischen politisch gewolltem und erwartetem Handeln auf der einen Seite und strafrechtlichem Risiko für den Mandatsträger auf der anderen Seite so schwierig zu ziehen ist: Nicht selten finden von Politikern erwartete und auch wichtige Kontakte in einem aufwändig gestalteten Rahmen statt. Wird es dann zum Risiko, als Referent bei einer Fachtagung auch die gebotene Übernachtung und Verpflegung in Anspruch zu nehmen, wie die anderen Beteiligten auch? Kann man als Rechtsanwalt, dessen Kanzlei ein großes Wirtschaftsunternehmen vertritt, noch in den Bundestag gehen und Wirtschaftspolitik machen? Oder sollte das Kollegen vorbehalten bleiben, die keinerlei Verbindungen, deshalb aber auch weniger Erfahrung mit Wirtschaft oder Verbänden aller Fachrichtungen und ihren jeweiligen Interessen haben? Entscheidet dann der Staatsanwalt, welche Kontakte in welchem Rahmen dann noch zulässig sind? Dies würde bei vielen (redlichen!) Parlamentariern zu Verhaltensänderungen führen, die anderen Anforderungen an Politiker wie Basisnähe, Fachkunde, Präsenz etc. nicht zuträglich wäre.
Am 17. Oktober 2012 wird im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages eine Anhörung zum Thema Abgeordnetenbestechung stattfinden. Dies gibt Gelegenheit, diese rechtlichen und politischen Fragestellungen ausführlich zu erörtern. Vielleicht gelingt es daraufhin auch gute und praktikable Lösungsansätze zu entwickeln.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker