Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker von Hermann B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Winkelmeier-Becker,
bei den angespannten Finanzproblemen in der gesamten Eurozone wäre es doch angebracht, mal die Kosten der ganzen EU-Verwaltung auf den Prüfstand zu stellen.
Die Deutsche Regierung sollte mal einen Vorschlag unterbreiten, Brüssel als alleinigen Regierungssitz und einzigen Tagungsort für alle EU-Behörden einzurichten und den ständigen Wechsel nach Straßburg zu unterbinden.
Bei dem offensichtlich sehr positiven Verhältnis zwischen Fr. Dr. Merkel und dem französischen Staatspräsidenten dürfte doch vielleicht eine Einigung zu erzielen sein.
Des weiteren ließen sich auch enorme Summen durch die Zusammenlegung aller unserer Ministerien nach Berlin erzielen, die zwei Standorte, Berlin und Bonn sind einfach unrentabel und zu teuer.
Sehen Sie nicht auch hierin mal eine Einsparungsmöglichkeit.?
Mit freundlichen Grüßen
Hermann Böhm
Sehr geehrter Herr Böhm,
vielen Dank für Ihr Schreiben, in dem Sie auf mögliche Sparpotenziale durch die Zusammenlegung von Parlaments- und Regierungsstandorten in Berlin bzw. in Brüssel hinweisen.
Die Kosten der Aufteilung einiger Ministerien auf Standorte in Berlin und in Bonn ist häufig Gegenstand der Kritik; immer wieder wird geltend gemacht, dass z.B. Dienstreisen der in Bonn ansässigen Ministerialbeamten zu Terminen in Berlin unnötige Kosten verursachten. Entgegen manchmal öffentlich geäußerten Vorurteilen ist die Aufgabenteilung zwischen Bonn und Berlin allerdings keineswegs ein „Bürokratiemonster“. Der Bundesrechnungshof hat in einem umfangreichen Gutachten aus dem Jahre 2002 ausgeführt, dass das bisher praktizierte Modell sehr gut funktioniere und dauerhaft preisgünstiger sei. Ein Umzug der in Bonn verbliebenen Behörden würde die Steuerzahler bis zu 5 Milliarden Euro kosten. Die aktuellen Kosten für Pendler belaufen sich hingegen lediglich auf etwa 8 Millionen Euro jährlich, die Tendenz ist dabei fallend. Somit würde der Bundeshaushalt schon durch die Zinsen für die notwendige Finanzierung eines Umzugs dauerhaft um ein vielfaches belastet. Dies lässt sich in Zeiten knapper öffentlicher Kassen nur schwerlich vermitteln und wäre aufgrund der Haushaltslage des Bundes nicht vertretbar.
Bonn hat sich in den letzten zehn Jahren zu einem Zentrum für internationale Organisationen entwickelt, für die die Nähe zu Brüssel von hoher Bedeutung ist. Aus diesem Grund wäre ein Umzug des BMZ, des BMU, des BMBF, des BMELV aber auch aller anderen Organisationen, für die die Nähe zu Brüssel wichtig ist. Nicht zuletzt hat der Vertrag vom 20. Juni 1991, der Bonn eine solche Aufgabenteilung zusichert, bis heute Bestand.
Anders als bei der Verlegung des Regierungssitzes von Bonn nach Berlin hätte man bei den Gremien der Europäischen Union von vornherein eine einfachere Lösung wählen und damit sicherlich zusätzlichen Aufwand vermeiden können. Insbesondere der ständige Wechsel des gesamten Parlaments zwischen den zwei Standorten kostet nicht nur Geld, sondern auch Zeit und Kraft, die an anderer Stelle fehlen. Ich sehe bei der Durchsetzbarkeit Ihrer Vorschläge allerdings große Probleme: Der Beschluss, Straßburg als zweiten Standort der EU zu wählen, beruht auf dem Vertrag der EGKS (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl) von 1952, dem Vorläufer der EU. Als Symbol der Aussöhnung mit Frankreich hat die Bundesrepublik damals dem Vertrag zugestimmt. Deutschland war zum damaligen Zeitpunkt darauf bedacht, nach dem zweiten Weltkrieg wieder in der Welt- (Europäischen) Gemeinschaft akzeptiert zu werden. Ohne die Bereitschaft Frankreichs zur Versöhnung wäre Deutschland nicht Mitglied der EU geworden. Deutschland ist wie alle EU-Staaten an diesen Vertrag gebunden. Vor allem Frankreich müsste einer Vertragsänderung zustimmen.
Unabhängig von dieser Aufteilung besitzt die EU allerdings in vielen anderen Bereichen Einsparungspotential, das genutzt werden muss. So wird seit 2008 an einem Programm für den Abbau von Bürokratie gearbeitet, der zu einer erheblichen Kostensenkung führen soll. So wurde zum Beispiel eine Entbürokratisierungsbehörde, in der Edmund Stoiber als EU-Beauftragter tätig ist, geschaffen, die bereits durch Maßnahmen zu einer Entlastung in Höhe von 650 Mio. Euro beigetragen hat. Diese Kommission arbeitet allerdings weiter daran, Bürokratie abzubauen, was nach Angaben von Edmund Stoiber ein Volumen von über 6 Milliarden Euro an Einsparungspotential besitzt. Nach meiner Auffassung muss auch der Übersetzungsaufwand v.a. für die Simultanübersetzungen überdacht und auf Dauer reduziert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker