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Frage von Gerhard B. •

Frage an Eike Hovermann von Gerhard B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Hovermann,

im Anschluß an meine fruehere Frage zu Afghanistan, die Sie sowohl selbst als auch offensichtlich durch Weiterleitung eines vorgedruckten Textes des BMVerteidigung beantwortet haben: Nachdem regelmäßig durch US-, bzw. NATO-Einsatz in Afghanistan und jetzt auch durch die Bundeswehr unschuldige Zivilisten durch Bombardierung und Beschuß von den Taliban befreit und gleichzeitig leider auch getötet werden, können Sie es immer noch mit Ihrem Gewissen und der politischen Vernunft vereinbaren, daß Deutsche sich an diesen verbrecherischen und unsinnigen Aktionen beteiligen? Im Geschichtsunterricht lernten wir brav die Beteiligung kaiserlicher Truppen am Boxeraufstand in China zu verurteilen, die uns das schöne Schimpfwort ´huns´ nach der unseligen Hunnenrede Kaiser Wilhelms eingebracht haben. Was zur Zeit in Afghanistan passiert ist viel schlimmer!
Wie stehen Sie und die SPD eigentlich zu diesem verbrecherischen Blödsinn?

Ihr Londoner Beobachter Dr Gerhard Behrens

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Behrens,

vielen Dank für Ihren Beitrag, indem Sie das Engagement der Bundesrepublik in Afghanistan vor dem Hintergrund des tragischen Todes dreier Zivilisten bei einem Zwischenfall mit der Bundeswehr am 28.8.2008 in Frage stellen. Auch ich war von dieser Nachricht schockiert und kann Ihre Argumentation deshalb nachvollziehen. Seien Sie gewiss, dass derartige Ereignisse auch mich nachdenklich machen und mich die Notwendigkeit des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan hinterfragen lassen. Angesichts der Umstände des Zwischenfalls und vor dem Hintergrund, dass es sich um den ersten Fall handelt, bei dem afghanische Zivilisten durch Waffeneinsatz deutscher Soldaten zu Schaden gekommen sind, halte ich es allerdings für erforderlich, diesen Vorfall fair einzuordnen und den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan nicht vorzuverurteilen.

Der Deutsche Bundestag hat die Beteiligung deutscher Soldaten an der International Security Assistance Force (ISAF) erstmals am 22. Dezember 2001 beschlossen. In den Jahren des Einsatzes in Afghanistan konnte sich die Bundeswehr stets auf große Beliebtheit bei der afghanischen Bevölkerung stützen -- die Bedrohung durch Anschläge aus den Reihen der Taliban war anfangs relativ gering. Seit einiger Zeit mehren sich Anschläge auf Feldlager und Konvois der Bundeswehr. Alleine in der letzten Augustwoche wurden drei Anschläge auf die Bundeswehr verübt -- ein Soldat kam dabei ums Leben. Aufgrund des gestiegenen Sicherheitsrisikos wurden Maßnahmen der Eigensicherung verstärkt.

In diesem Kontext muss auch der bedauerliche Zwischenfall vom 28.8.2008 betrachtet werden: Zwei Fahrzeuge näherten sich an diesem Tag um ca. 10 Uhr Abends mit überhöhter Geschwindigkeit einem mit Bundeswehrsoldaten besetzten Checkpoint. Nachdem zwei Soldaten die Fahrzeuge zunächst zum Halten bewegen konnten, gab einer der Fahrer plötzlich wieder Gas. In der Annahme der Fahrer bereite einen Angriff auf den Kontrollpunkt vor, gab die Besatzung des Bundeswehr-Dingos aus einem Maschinengewehr Warnschüsse ab. Nachdem der Fahrer auf diese nicht reagierte, waren die Soldaten gezwungen, gezielte Schüsse abzugeben.

In der Vergangenheit gab es bereits zahlreiche Anschläge, bei denen mit Sprengstoff beladene Fahrzeuge von Selbstmordattentätern in der unmittelbaren Nähe von Soldaten der ISAF zur Explosion gebracht wurden. Aufgrund der Nichtbeachtung der Haltezeichen durch den Fahrer des PKWs mussten die Bundeswehrsoldaten von einer drohenden Gefahr ausgehen. Sowohl der für die Region Kundus zuständige Provinzgouverneur, als auch der lokale Stammesführer betonten deshalb, dass der Zwischenfall äußerst bedauerlich sei, die deutschen Soldaten allerdings keine Schuld treffe.

Bereits in meinem Schreiben vom Mai 2007 an Sie habe ich Ihnen dargelegt, weshalb ich von der Notwendigkeit eines militärischen wie zivilen Engagements der Bundeswehr in Afghanistan überzeugt bin. Uns allen, die wir für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan gestimmt haben, war von Anfang an bewusst, dass dieser hohe Risiken birgt, es allerdings unsere moralische Verpflichtung ist, an der Befriedung und am Wiederaufbau Afghanistans mitzuwirken. Da es sich bei dem Zwischenfall nahe Kundus, der zum bedauerlichen Tod der drei Zivilisten geführt hat, um einen tragischen Unfall gehandelt hat, bei dem die deutschen Soldaten ausschließlich auf Eigensicherung bedacht waren, eignet dieser sich nicht, das Engagement der Bundeswehr in Afghanistan grundsätzlich in Frage zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen

Eike Hovermann, MdB