Frage an Eike Hovermann von Tanja G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Hovermann,
in
Ihrer Antwort vom 6.2.08 an Herrn Heyn wiesen Sie auf die Notwendigkeit der staatlichen Neutralität in Glaubensfragen hin.
Das Bundesfamilienministerium will im Interesse der Kirchen bei der Bundesprüfstelle die Indizierung des religionskritischen Kinderbuches
"Wo bitte geht`s zu Gott? fragt das kleine Ferkel"
mit unhaltbaren Vorwürfen durchsetzen.
Unter http://www.ferkelbuch.de (Unterstützung) haben bereits mehr als 4000 Personen gegen den Anschlag auf die Meinungsfreiheit protestiert. Darunter waren Universitätsprofessoren, Sozialarbeiter und Erzieher.
Schulbücher, die die öffentlichen Aufrufe des Hasspredigers Martin Luther zum Mord an Juden und Bauern verschweigen, sind noch nie kritisiert worden. Das Messen mit zweierlei Maß wird noch deutlicher, wenn man an die vielen Martin-Luther-Straßen in Deutschland denkt.
Finden Sie es richtig, daß einerseits das Kinderbuch indiziert wird und andererseits der Staat die Verherrlichung eines Hasspredigers unterstützt?
Mit freundlichen Grüßen
Tanja Großmann
Sehr geehrte Frau Großmann,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 13. Februar 2008, in dem Sie mir die Diskussion um den möglicherweise jugendgefährdenden Inhalt des Kinderbuches „Wo bitte geht’s zu Gott? Fragte das kleine Ferkel“ von Michael Schmidt-Salomon und Helge Nyncke schildern und Ihr Unverständnis für eine mögliche Indizierung des Buches durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) äußern.
Maßnahmen zum Schutz von Jugendlichen und Kindern sind eine Kernaufgabe des Staates. Gerade durch den wachsenden Verlust sozialer Kontrolle in unserer Gesellschaft kommt der erfolgreichen Implementierung von Mindeststandards durch den Staat eine immer größere Rolle zu. Die BPjM ist eine selbständige Bundesoberbehörde. Auf Antrag von Jugendbehörden bzw. auf Anregung von anderen Behörden entscheidet sie über die Jugendgefährdung von Medien. Im vorliegenden Fall wurde die BPjM vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gebeten, die Vereinbarkeit mit den jugendmedienrechtlichen Vorgaben zu überprüfen.
Auf Basis des Jugendschutzgesetzes, der Verordnung zur Durchführung des Jugendschutzgesetzes und des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages ist es nun Aufgabe der BPjM den Inhalt des Kinderbuches zu prüfen. Als jugendgefährdend werden Träger- und Telemedien dann eingestuft, wenn sie geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer „eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ zu gefährden. Dazu zählen vor allem unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende Medien. Gegen das Ergebnis einer Prüfung durch das BPjM können natürlich Rechtsmittel eingelegt werden.
Aufgrund der Transparenz des Prüfverfahrens sind also jegliche Befürchtungen, das Bundesministerium hätte die Möglichkeit, eine Indizierung bei der BPjM durchzusetzen, unbegründet. Zur Zeit liegt darüber hinaus noch keine Entscheidung der Bundesprüfstelle zum Buch von Michael Schmidt-Salomon und Helge Nyncke vor. Ich halte die momentane Debatte um die Prüfung des Werkes deshalb für überhitzt und der Sache nicht dienlich.
Sehr geehrte Frau Großmann,
in Ihrem Schreiben betonen Sie die Notwendigkeit staatlicher Neutralität in Glaubensfragen, wofür Sie meine vollste Unterstützung genießen. Es ist allerdings auch Aufgabe des Staates, jeweilige Gruppierungen vor Verunglimpfung zu schützen. Nicht nur vor diesem Hintergrund, sondern auch aus Respekt gegenüber andersdenkenden Mitbürgerinnen und Mitbürgern ist Ihre Bezeichnung Martin Luthers als „Hassprediger“ absolut verfehlt und wird der Person Luthers in keiner Weise gerecht.
Mit freundlichen Grüßen
Eike Hovermann, MdB