Frage an Egon Jüttner von Gudrun W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Jüttner,
Sie haben am 22.03.12 im Zusammenhang mit dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Die Beziehungen zwischen Deutschland und Namibia stärken und Deutschlands historischer Verantwortung gerecht werden" ziemlich lange gesprochen, aber leider haben Sie nicht gesagt, warum Sie eine offizielle Entschuldigung für die Verbrechen und den Völkermord durch den deutschen Staat, die in der Kolonialzeit im Gebiet des heutigen Namibia begangen wurden, ablehnen.
Es wäre nett, wenn Sie Ihre Ablehnung kurz, klar und verständlich erläutern könnten, so dass ich Ihre Ausführungen auch an meine Schülerinnen und Schülern (Berufliches Gymnasium und Fachoberschule, also alle baldige Abiturienten) weitergeben kann.
Danke und freundliche Grüße
G. Wolf
Sehr geehrte Frau Wolf,
für Ihre Zuschrift zu meiner Namibia-Rede danke ich Ihnen. Ich halte es für sehr wichtig, daß gerade Sie als Lehrerin sich mit diesem traurigen Kapitel der deutschen Vergangenheit auseinandersetzen und Sie dadurch das Bewußtsein der jungen Generation für diesen Teil unserer Vergangenheit schärfen. Ich denke, ich habe meinen Standpunkt in meiner Rede deutlich zum Ausdruck gebracht. Ich habe von "schrecklichen Dingen" gesprochen, die während der deutschen Kolonialzeit passiert sind und die "brutale Niederschlagung" des Herero-Aufstandes als "traurigen Höhepunkt" bezeichnet. Ich habe festgehalten, daß uns die Rhetorik des verantwortlichen Generals Lothar von Trotha "erschaudern läßt und uns zutiefst beschämt". Die "umfassende Verurteilung" der damaligen Ereignisse habe ich als Konstante der deutschen Außenpolitik bezeichnet. In diesem Zusammenhang habe ich auf Anträge aus den Jahren 1989 und 2004 (also sowohl unter CDU/CSU-geführter als auch unter SPD-geführter Bundesregierung) hingewiesen, in denen sich die Antragsteller zu "Schuld und Verantwortung" bekennen. In meiner Rede habe ich ausgeführt, daß sich die aktuelle Bundesregierung der "historischen Verantwortung Deutschlands bewußt ist" und zu dieser steht. Ich denke, meine Bewertung der Greueltaten ist deutlich zum Ausdruck gekommen. Gleichzeitig habe ich aufgezeichnet, was ich als den zielführendsten Umgang mit dem Nachfolgestaat von Deutsch-Südwestafrika, dem seit 1990 unabhängigen Namibia, ansehe. Angesichts der Tatsache, daß die Ereignisse lange zurückliegen und keine Täter und Opfer mehr leben, sind Reparationszahlungen praktisch schwierig durchzuführen und rechtlich nicht einfach zu begründen. Die namibische Regierung steht auch nicht hinter dieser vereinzelt geäußerten Forderung. Ich halte den vor 22 Jahren eingeschlagenen Weg einer besonderen Beziehung zu Namibia für gut und plädiere in meiner Rede dafür, diesen auch weiterhin zu beschreiten. Ausdruck dieser besonderen Beziehung ist das Engagement der deutschen Entwicklungshilfe, das sich, wie meiner Rede zu entnehmen ist, seit 1990 auf 700 Millionen Euro beläuft, womit das Land an erster Stelle deutscher Zuwendungen steht. Wie von mir am 20. März im Bundestag dargelegt, achtet Deutschland darauf, daß mit diesen Mitteln "Maßnahmen (...) in den Siedlungsgebieten derjenigen Volksgruppen finanziert werden, die unter der deutschen Kolonialherrschaft besonders gelitten haben".
Sehr geehrte Frau Wolf, ich bin mir sicher, daß Sie meine Einschätzung der grausamen Ereignisse, die von den deutschen Kolonialtruppen begangen wurden, teilen. Hieraus leitet sich eine besondere Verantwortung Deutschlands für das heutige Namibia ab. Ich hoffe, daß es politischer wie gesellschaftlicher Konsens bleibt, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Wenn Sie als Lehrerin das Wissen um und das Bewußtsein für diese Taten bei Ihren Schülern schärfen, leisten Sie einen nicht zu unterschätzenden Beitrag, für denen ich Ihnen danke.
Mit freundlichen Grüßen
Egon Jüttner