Frage an Egon Jüttner von Markus S. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Dr. Jüttner,
vor einigen Wochen berichtete mir mein Vater (75 Jahre), das es ähnliche Belästigungen wie die SPAM-Praxis bei Email (Werbe-EMails) jetzt auch telefonisch gibt, die wohl von Call-Centern aus dem europäischen Ausland kommen. Mein Vater wurde 5 bis 10 mal täglich(!) angerufen und gefragt, ob er an irgendwelchen Gewinnspielen teilnehmen möchte. Dabei geht das Marketing- und Manipulationsgeschick dieser Call-Center sogar soweit, dass mein Vater schon nach einigen Wochen Lastschrift-Abbuchungen dieser Firmen auf seinem Kontoauszug fand, obwohl er immer nach Kräften ´Nein´ gesagt hatte. Wir vermuten, die Bankdaten haben die Firmen aus einer mittlerweile unter diesen Unternehmen kursierenden Bankdatendatei(??? es ist anders nicht zu erklären... bei den ´Kontrollanrufen´ sollte er lediglich diese Bankdaten bestätigen, nachdem sie ihm vorgelesen wurden, er hat sie ihnen aber nicht gegeben!! Wahrscheinlich wurde ihm das auch als ´Bestätigung des Vertrages´ in den Mund gelegt... dabei hat er nur bestätigt, das dies sein Konto ist).
Um den Verträgen zu widersprechen, musste er nach allen Anrufen Widerrufsschreiben verfassen und verschicken... obwohl er keinem Vertrag zugestimmt hatte. Mein Vater hat auch schon mit einer Anwältin gesprochen, die ihm sagte, er müsse hier beweisen, das kein Vertrag zustande gekommen sei.
Das Verfassen der Widerruftsschreiben ist bei 5-10 solchen ´Angriffen´ täglich ein erheblicher Aufwand. Warum ist die Beweislast hier auf Seiten des Verbrauchers, so dass mein Vater nachweisen muss, dass kein Vertrag zustande gekommen ist ?
Wie ist Ihre Meinung hierzu und was wird die Koalition tun, um den Verbraucherschutz wieder auszuweiten und um dem mitllerweile grassierenden Handel mit Verbraucherdaten eine Riegel vorzuschieben?
Wie kann man bei solchen Telefongeschäften gerade die ältere Generation schützen?
Vielen Dank im vorraus für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen,
Markus Schadegg
Sehr geehrter Herr Schadegg,
vielen Dank für Ihre Frage über abgeordnetenwatch.de zu unerlaubter Telefonwerbung. Gerne will ich im Folgenden hierzu Stellung nehmen.
Die Millionen von unerwünschten und belästigenden Telefonanrufen stellen ein großes Ärgernis für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland dar. Die CDU/CSU-Fraktion hat Ende Juli 2009 gemeinsam mit ihrem damaligen Koalitionspartner das Gesetz gegen unerlaubte Telefonwerbung verabschiedet und damit ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht. Demnach werden seitdem Verstöße gegen das gesetzliche Verbot belästigender Telefonanrufe mit einem Bußgeld bis zu 50.000 Euro geahndet. Auch müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher den Werbeanrufen zuvor ausdrücklich zugestimmt haben. Rufnummern bei Werbeanrufen dürfen nicht unterdrückt werden. Bei Verstößen gegen das Verbot der Rufnummernunterdrückung droht ebenfalls ein Bußgeld. Bei Zeitschriftenabonnements, Wett- und Lotteriedienstleistungen und telefonisch abgeschlossenen Verträgen wurde ein Widerrufsrecht eingeführt.
Für telefonisch geschlossene Verträge oder Vertragsänderungen wurden verbraucherfreundliche Regelungen eingeführt, die für jedes Dauerschuldverhältnis (z.B. Telekommunikation, Strom, Gas) gelten sollen. Dazu gehört, dass im Falle eines Anbieterwechsels (z.B. bei Telekommunikation oder Energie) die Textform mit Verbraucherunterschrift für die Kündigung des alten Vertrages notwendig ist. Der neue Anbieter muss dem alten Anbieter eine Kündigung vorlegen, bevor z.B. ein Telefonanschluss auf einen neuen Anbieter umgestellt werden kann. Damit wird das unbemerkte Unterschieben von Verträgen quasi unmöglich. Im Falle einer bloßen Vertragsänderung (z.B. Tarifwechsel) und bei gänzlich neuen Verträgen erhalten die Verbraucherinnen und Verbraucher zukünftig ein umfassendes Widerrufsrecht im BGB. Danach müssen die Anbieter die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Vertragskonditionen und die Widerrufsmöglichkeit schriftlich aufklären. Bei Widerruf wird der Vertrag grundsätzlich rückwirkend aufgelöst. Erhalten die Verbraucherinnen und Verbraucher keine Widerrufbelehrung, gilt das Widerrufsrecht zeitlich unbeschränkt, ansonsten steht ihnen dieses Recht zwei bzw. vier Wochen lang zu. Die Beweislast für den Zugang der Widerrufsbelehrung trägt der Anbieter. Diese Widerrufsmöglichkeit macht das "Unterschieben" von Tarifwechseln unattraktiv, denn die notwendige schriftliche Widerrufsbelehrung verdeutlicht den Verbraucherinnen und Verbrauchern den Inhalt eines etwaigen mündlichen Vertrages. Bei fristgerechtem Widerruf müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher für die bis dahin geleistete Dienstleistung nicht zahlen. Eine Zahlungspflicht entsteht nur dann, wenn sie zuvor auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurden und einer Ausführung der Dienstleistung vor Ende der Widerrufsfrist ausdrücklich zugestimmt haben. Die Beweislast hierfür trägt das Unternehmen.
Obwohl gesetzgeberisch also alles in die Wege geleitet wurde, gibt es leider in der Praxis - wie in Ihrem Fall - immer wieder Probleme. Es gilt nun abzuwarten, inwieweit das Gesetz greift und wo ggf. Nachbesserungen angegangen werden müssen. Eine Beweislast bei den Call-Centern hat sich leider bei der damals federführenden SPD-Justizministerin Zypries nicht durchsetzen lassen. Ich rate Ihrem Vater daher, sich an die Bundesnetzagentur zu wenden und den Missbrauch dort zu melden. Auch die Verbraucherzentrale steht hier als Ansprechpartner zur Verfügung.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen weiter geholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Egon Jüttner