Frage an Eckhardt Rehberg von Ralf P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Rehberg,
leider entwickelt sich unsere Demokratie in eine falsche Richtung. Neben 100 Tausenden Mitbürgern empfinde ich das ebenso. Die Politik folgt Konzerninteressen und die Politiker vertreten nicht mehr den Souverän, sondern das Kapital. Werden Sie sich für Bürgerbegehren und Lobbyregister einsetzen?
Sehr geehrter Herr P.,
vielen Dank für Ihre Fragen zu den Themen Bürgerbegehren und Lobbyregister.
Aus meiner Sicht hat sich die repräsentative Demokratie auf Bundesebene bewährt. Volksentscheide auf Bundesebene bringen keine bessere Demokratie. Das Verfahren des Bundestages ermöglicht differenzierte Lösungen und Kompromisse. Die Abgeordneten beschäftigen sich oftmals jahrelang und systematisch mit den Themen. Stimmungen spielen eine eher geringe Rolle. Es geht um hochkomplexe Fragen, die nicht einfach mit ja oder nein beantwortet werden können. Darüber hinaus kann direkte Demokratie auch deswegen problematisch sein, weil eine Minderheit so gut organisiert ist, dass sie direkt einen viel größeren Einfluss erlangt, als sie über parlamentarische Wahlen jemals zu erreichen wäre und damit eine Minderheit eine schweigende oder desinteressierte Mehrheit überstimmen könnte.
Die Bundestagsmehrheit lehnt ein Lobbyregister ab. Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags hat sich am 11. Mai 2016 in einer öffentlichen Anhörung mit Experten zu den unterschiedlichen Vorschlägen eines verpflichtenden Lobbyregisters ausgetauscht. Dabei wurden jedoch erhebliche grundrechtliche Probleme deutlich, die gegen ein verpflichtendes Lobbyregister sprechen.
Eine gesetzlich geregelte Pflicht, in einem Lobbyregister etwa Daten zu Auftragsverhältnissen, der Mitgliederstruktur oder den finanziellen Aufwendungen zu veröffentlichen, könnte in das vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfasste Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen. Laut Art. 19 Grundgesetz (GG) gilt, dass die Grundrechte ihrem Wesen nach auf juristische Personen Anwendung finden müssen. Auch juristische Personen können demnach selbst entscheiden, ob, wann und wie Informationen offenbart werden. Zudem schließt das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ein, weshalb die Offenlegung von Firmeninterna wie dem Budget für Lobbyarbeit nicht verlangt werden kann.
Erfolgt die Interessenvertretung in institutionalisierter Form, so ist zudem die Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) zu beachten. Und schließlich kann auch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) für die Übermittlung bestimmter Auffassungen an die Politik relevant sein.
Eine Verpflichtung der Abgeordneten andererseits, offenzulegen wann man sich mit wem getroffen oder gesprochen hat, ist mit der grundrechtlichen Garantie des freien Mandats (Art. 38 GG) nicht zu vereinbaren. Dieses gewährleistet jedem einzelnen Abgeordneten ein Recht auf vertrauliche Kommunikation mit Interessenvertretern.
Mit freundlichen Grüßen
Eckhardt Rehberg