Frage an Eckhardt Rehberg von Alexis S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Rehberg,
Sie haben im Bundestag für die Weiterverfolgung der Verhandlungen um ein mögliches transatlantisches Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) gestimmt.
1. Welche Probleme sehen Sie bei den CETA-Verhandlungen im Zusammenhang mit grundlegenden demokratischen Regeln, wie mangelnder Einbindung aller Betroffenengruppen, z.B. von Verbänden von Nichtregierungsorganisationen oder kommunalen Spitzenverbänden. Warum gibt es so wenig Transparenz und Bürgerbeteiligung?
2. Weshalb macht sich die Regierung erneut für ein konzernfreundliches Abkommen stark und blockiert gleichzeitig wirkungsvolle Abkommen in den Bereichen Menschenrechte, internationales Arbeitsrecht, Unternehmenshaftung bei Menschenrechtsverstößen oder Umweltzerstörung? Als Beispiel sei hier der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte angeführt, der immernoch nicht beschlossen ist und wahrscheinlich weit hinter den Erwartungen von Menschen- und Arbeitsrechtsorganisationen zurückbleibt. Werden letztere nur als Feigenblatt angehört?
3. Welche Gegenmaßnahmen ergreifen Sie, um den Riss in der Gesellschaft, der auch durch die gefühlte Distanz zwischen Politik und Bürgerinnen/Bürgern, immer größer wird, nicht noch weiter aufreißen zu lassen?
4. Sicherlich haben Sie mitbekommen, dass Hunderte von Organisationen europaweit gegen CETA und TTIP Sturm laufen und Hunderttausende Menschen auf die Straße gehen. Was tut daran so weh, einen Schritt zurück zu treten und sich intensiver um drängende Probleme wie Armuts- und Reichtumsbekämpfung, Stärkung der Energiewende, Bildungsungerechtigkeit, Natur- und Klimaschutz zu kümmern, als immer und immer wieder den Interessen von Großunternehmen zu dienen?
5. Kurzum: Was hat Sie dazu bewegt, für den Antrag zu stimmen?
Mit freundlichen Grüßen aus Güstrow
Alexis Schwartz
Sehr geehrter Herr Schwartz,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 8. Oktober 2016 zum Thema CETA.
Erlauben Sie mir bitte zunächst einige grundsätzliche Ausführungen zur Bedeutung des Freihandels. Die Europäische Union und Deutschland profitieren in hohem Maße von international frei handelbaren Gütern und Dienstleistungen sowie von grenzüberschreitenden Investitionen. Die EU ist der weltweit größte Exporteur und Importeur von Waren und Dienstleistungen, sowie einer der wichtigsten Investoren und Empfänger von Investitionen. Ihr Handelsvolumen mit dem Nicht-EU-Ausland hat sich allein zwischen 1999 und 2010 verdoppelt. Der Anteil der EU am weltweiten Exportgeschäft für Waren beträgt 15 Prozent (zum Vergleich: China 12 Prozent, USA, 11 Prozent) und für Dienstleistungen 25 Prozent (USA 19 Prozent, China 6 Prozent, Japan und Indien jeweils 4 Prozent). Der Wert der Ausfuhren an Waren und Dienstleistungen der 28 EU-Mitgliedstaaten betrug im Jahr 2012 rund 4,5 Billionen Euro. Die Direktinvestitionstatbestände der EU im Ausland betrugen im Jahr 2012 rund 5 Billionen Euro. Deutschland als größte Volkswirtschaft in der EU und drittgrößter Exporteur weltweit profitiert von dieser Entwicklung in besonderem Maße. Der Anteil der Exporte am deutschen Bruttoinlandsprodukt („Exportquote“) liegt bei rund 40 Prozent. Die deutschen Ausfuhren an Waren und Dienstleistungen betrugen rund 1,333 Billionen Euro im Jahr 2014.
Diese Zahlen belegen eindrucksvoll, dass der freie weltweite Handel mit Waren und Dienstleistungen für Europa nicht nur wünschenswert ist. Er ist vielmehr Grundvoraussetzung für unsere wirtschaftliche Prosperität und damit für den Erhalt von Lebensqualität, hohen sozialen Standards und kultureller Vielfalt in der EU.
Der internationale Handel und grenzüberschreitende Investitionen unterliegen umfassenden multilateralen und bilateralen Handels- und Investitionsschutzregeln, die im Laufe der Jahre und Jahrzehnte ständig weiter entwickelt wurden und werden. So befindet sich die EU in laufenden Verhandlungen unter anderem zum Abschluss der so genannten Doha-Welthandelsrunde zwischen den Mitgliedern der Welthandelsorganisation („World Trade Organisation“/WTO), zu einem internationalen Abkommen für den Dienstleistungshandel („Trade in Services Agreement“/TiSA, welches auf dem bestehenden „General Agreement on Trade in Services“/GATS aufbauen soll) sowie zu bilateralen Abkommen etwa zwischen der EU und Kanada („Comprehensive Economic and Trade Agreement“/CETA) sowie zwischen der EU und den USA („Transatlantic Trade and Investment Partnership“/TTIP).
CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) dient der Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und Kanada. Hierzu soll insbesondere der Marktzugang für Waren, landwirtschaftliche Produkte und Dienstleistungen verbessert werden. Kanada ist mit 9,9 Milliarden Euro Ausfuhrvolumen und 4,0 Milliarden Euro Einfuhrvolumen (Zahlen 2015) ein wichtiger Handelspartner Deutschlands, und liegt beispielsweise im Rang noch vor Mexiko und Thailand. Der Bestand deutscher Direktinvestitionen in Kanada betrug 2013 8,4 Milliarden Euro; der Bestand kanadischer Investitionen in Deutschland belief sich auf 1 Milliarden Euro.
CETA bringt, wie alle Freihandelsabkommen der Vergangenheit, wichtige Vorteile für die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft und ist damit ein Garant für die Sicherung bestehender und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Durch CETA sinkt der Zoll für alle Industriegüter praktisch auf Null. Zentral ist auch die Marktöffnung bei Dienstleistungen und im öffentlichen Auftragswesen, insbesondere weil damit in Kanada künftig auch die Provinzen und Kommunen (wo der größte Teil der Aufträge vergeben wird) ihre Beschaffungsmärkte für deutsche Anbieter öffnen müssen. Der deutsche Beschaffungsmarkt war für Anbieter aus dem Ausland bereits seit langem offen. Dies gilt mit CETA nun auch für deutsche Unternehmen in Kanada. CETA schafft also faire Wettbewerbsbedingungen für deutsche Unternehmen, von denen insbesondere auch kleine und mittlere Unternehmen profitieren werden.
Außerdem enthält CETA Regelungen, um mehr Mobilität mit Blick auf Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen zu gewährleisten, sowie zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsabschlüssen.
Für einen weiteren konstruktiven Austausch stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Eckhardt Rehberg