Frage an Eckhardt Rehberg von Hans J. bezüglich Verkehr
Guten Tag Herr Rehberg,
Sie haben sich ja recht schnell nach der jüngsten Kollison in der Kadetrinne an die Presse gewandt und populistisch eine Lotsenpflicht verlangt.
Was tun Sie sonst für die deutsche Handelsmarine und die deutschen Seeleute?
Das Lotsen nicht in jedem Fall helfen, zeigt der Seeunfall auf der Weser am 22.11.11.
Zwei Lotsen, zwei Schiffe, Radarberatung und trotzdem passiert es (BSU 507/11).
Wenn Sie der deutschen Seeschifffahrt, engagieren Sie sich für die aktuellen, offenen Fragen: Elb- und Weservertiefung, NOK, aktuelle Situation der deutschen Reeder.
Russische Lotsen auf russischen Schiffen in der Kadetrinne werden solche Unfälle, wie den aktuellen nicht verhindern.
Freundlich grüßt
Hans Jendryschek
Sehr geehrter Herr Jendryschek,
ich danke Ihnen herzlich für Ihre Anfrage. Zunächst möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass ich die Lotsenpflicht in der Kadetrinne bereits seit Jahren einfordere, da die Gefahrensituation nicht erst seit der jüngsten Kollision des vergangenen Wochenendes. Das komplexe Verfahren, das einen Beschluss der Anrainerstaaten bzw. der International Maritime Organization (IMO) verlangt, um zu einer Lotsenpflicht zu gelangen, ist mir sehr wohl bekannt. Im Übrigen hat sich bereits vor zwei Jahren auch der Landtag Mecklenburg-Vorpommern mit großer Mehrheit für eine Lotsenpflicht ausgesprochen. Diesem Votum ist ein langer und breiter Diskussionsprozess vorausgegangen, der neben politischen Vertretern auch Verbände, Praktiker und eben auch Lotsen einschloss. Wie Sie nun zu Ihrem Urteil gelangen, es sei populistisch, diese Position zu vertreten, ist für mich und wahrscheinlich auch für die meisten Experten der Branche nicht ersichtlich. Um Ihre weitere Anmerkung aufzugreifen, sich auch in anderer Bereichen für die deutsche Seewirtschaft zu engagieren, darf ich Ihnen eine kleine Themenübersicht darlegen, die den maritimen Standort Deutschland aktuell betreffen und an denen ich federführend mitwirken durfte. Bevor ich Ihnen diesen Einblick geben möchte, lassen Sie mich grundsätzlich etwas zur Situation der deutschen Reeder anmerken: Die niedrigen Charterraten aufgrund nach wie vor vorhandener Überkapazitäten an Tonnage, die das Kernproblem der aktuellen finanziellen Misere darstellen, sind ausschließlich ein Problem, deren Ursache innerhalb der Branche entstanden ist. Die Politik hat keinen Einfluss ausgeübt, als vor der beginnenden Krise 2008/09 die Reeder in Größenordnungen Schiffbauaufträge erteilt haben, in dem Glauben, der weltweite Wirtschaftswachstum wird ungebremst seine Fortsetzung finden. Nun, nachdem die hausgemachte Krise leider die Existenzen einiger Reedereien zu gefährden droht, ist die Politik allenthalben der Ansprechpartner, der sofort und unverzüglich helfen soll. Dieser Aufgabe stellen wir uns, obgleich die Ursachen innerhalb der Reederschaft zu suchen sind. Nachfolgend nun eine Übersicht der unterschiedlichen politischen Aktivitäten, die wir für die Branche erreicht haben und aktuelle auf den Weg bringen:
Erhöhung Förderniveau für Ausbildung und Beschäftigung Flaggenrechtsnovellierung
Mit den nationalen Seeschifffahrtsförderinstrumenten (Tonnagesteuer, Lohnsteuereinbehalt und Finanzbeitrag an die Seeschifffahrt für Lohnnebenkostenzuschüsse sowie Ausbildungsplatzförderung) hat die Bundesregierung und die Koalition in den letzten Jahren im Rahmen des Maritimen Bündnisses positive Wirkungen für maritime Ausbildung und Beschäftigung in Deutschland erreicht. An der Entwicklung des deutschen Schifffahrtsstandortes war das deutlich zu sehen. Der Schifffahrtsstandort Deutschland hat sich dynamischer entwickelt als andere Schifffahrtsstandorte, dank einer entsprechenden Gestaltung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die für die internationale Wettbewerbsfähigkeit ausschlaggebend sind. Angesichts der aktuellen Herausforderungen (Stichworte: Tonnagekapazitäten, Frachtraten, Schiffsfinanzierung, Entwicklung des seemännischen Personals auf See und an Land) befindet sich die Seeschifffahrt seit der Finanz- und Wirtschaftskrise noch „in schwierigem Fahrwasser“. Vor diesem Hintergrund werden wir uns auf dem Erreichten nicht ausruhen. Zur Weiterentwicklung der Schifffahrtsförderung hat der Haushaltsauschuss des Deutschen Bundestages im November 2011 auf meinen Druck hin beschlossen, die Finanzbeiträge an die Seeschifffahrt im Haushaltsjahr 2012 von 28,7 Mio. Euro auf 57,8 Mio. Euro zu erhöhen. Die Maßnahme flankierend sollten die deutschen Reeder, vertreten durch den Verband Deutscher Reeder (VDR), einen Eigenbeitrag leisten. Dieses Gesamtpaket konnte 2012 erfolgreich geschnürt werden. Die Gebührenverordnung des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie mit den erhöhten Ausflaggungsgebühren trat am 26. Juli 2012 in Kraft. Durch die haushaltsrechtlich vorgesehene Zweckbindung der Einnahmen konnten 2012 erstmals Ausflaggungsgebühren für die Finanzbeiträge an die Seeschifffahrt eingesetzt werden. Mit dem Gesetz zur Änderung des Flaggenrechtsgesetzes und der Schiffsregisterordnung konnten noch Ende 2012 alle Maßnahmen umgesetzt werden. Ziel ist, dass der durch Ausflaggung entstehende Nachteil für den Schifffahrtsstandort ausgeglichen wird. Der Ausgleich besteht in erster Linie in der Aufrechterhaltung der ausgeflaggten Schiffe als Ausbildungsplatz. Ausnahmsweise kann statt des Unterhaltes eines Ausbildungsplatzes ein Ablösebetrag an die Stiftung „Schifffahrtsstandort Deutschland“ gezahlt werden, die damit seefahrtbezogene Ausbildung, Qualifizierung und Fortbildung fördert. An den vorstehend beschriebenen Maßnahmen ist deutlich zu erkennen, dass die Bundesregierung der Seeschifffahrt einen unverändert hohen Stellenwert einräumt. Mit Blick auf eine mittelfristige Verstetigung der Schifffahrtsförderung konnte der Haushaltsansatz für die Finanzbeiträge an die Seeschifffahrt im Haushaltsjahr 2013 auch mit 57,8 Mio. Euro eingestellt werden. Damit wurde zur nächsten Nationalen Maritimen Konferenz (8./9. April 2013 in Kiel) ein tragfähiges Fundament geschaffen, um maritime Standortpolitik auch in Zukunft aktiv zu gestalten.
Lohnsteuereinbehalt bei Schiffen mit Tonnagesteuer
Nach § 41a Absatz 4 Satz 1 EStG können Arbeitgeber, die eigene oder gecharterte Handelsschiffe betreiben, vom Gesamtbetrag der anzumeldenden und abzuführenden Lohnsteuer einen Betrag von 40 % der Lohnsteuer der auf solchen Schiffen in einem zusammenhängenden Arbeitsverhältnis von mehr als 183 Tagen beschäftigten Besatzungsmitglieder abziehen und einbehalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in seinem Urteil vom 13. Juli 2011 VI R 84/10 (BStBl II S. 986) setzt § 41a Absatz 4 EStG voraus, dass die Arbeitnehmer zusammenhängend 183 Tage auf eigenen oder gecharterten Schiffen des Arbeitgebers tätig sind. Bei sog. Einschiffgesellschaften sind Tätigkeitszeiten auf Schiffen anderer Gesellschaften allerdings nicht zu berücksichtigen. Denn nach der Rechtsprechung des BFH bleiben Einsatzzeiten auf Schiffen Dritter bei der Ermittlung des 183 Tage-Zeitraums unberücksichtigt. Bei der Einführung des Lohnsteuereinbehaltes wurde den Einkommensteuerregelungen in einer Reihe europäischer Länder gefolgt; Ziel war es, die Personalkosten der Reedereien teilweise auszugleichen. Dagegen handelt es ich bei der sog. Tonnagesteuer nach § 5a EStG um eine besondere Gewinnermittlung bei Handelsschiffen im internationalen Verkehr, die unter gewissen Voraussetzungen anwendbar ist; ein direkter Zusammenhang mit dem Lohnsteuereinbehalt besteht insoweit nicht. Schaffung von Finanzierungsvolumen durch KfW Kreditübernahme Das Marktumfeld in der Schifffahrt ist derzeit noch geprägt durch ein Überangebot an Schiffen, geringen Frachtraten, hohen Treibstoffpreisen und einer sich abschwächenden Konjunktur. Derzeit ist das Flottenwachstum abzüglich Verschrottung (etwa 10%) höher als der Zuwachs beim Containertransport (2012: 7,6 %). Die aktuellen Charterraten liegen deutlich unter dem 10-Jahres-Durchschnitt. Mit einer Erholung ist kurzfristig nicht zu rechnen. Viele Banken bauen ihre Schiffsportfolios ab oder ziehen sich ganz aus der Schiffsfinanzierung zurück. In dieser anerkanntermaßen schwierigen Situation gibt es zumindest aus Teilen der Branche einen Ruf nach einem staatlichen Finanzierungsprogramm.
Aus hiesiger Sicht hätten staatliche Finanzierungsprogramme den Nachteil, dass sie zu einer Verzögerung strukturell notwendiger Prozesse führen könnten. Es wäre zudem bedenklich, wenn Banken Risiken aus ausgewählten bestehenden Kreditengagements auf den Staat verlagern könnten. Anschubfinanzierung für Forschungsvorhaben Forschung und Entwicklung spielen im international hart umkämpften Markt eine wichtige Rolle. Daher befinden sich die Förderinstrumente F&E- „Maritime Technologien der nächsten Generation“ sowie das Innovationsprogramm im Zuständigkeitsbereich des BMWi. Basis für erfolgreiche Forschung ist Kontinuität sowohl bei den Förderinstrumenten als auch bei Unternehmen, die in F&E investieren. Die Erfahrung zeigt, dass jene Unternehmen, die kontinuierlich F&E betreiben, wesentlich robuster gegenüber der gegenwärtigen Krise sind, als jene, die eher auf kurzfristige Profite ausgerichtet sind. Diese Erfahrungswerte werden durch die Evaluationsergebnisse des F&E- Programms gestützt. In dem Zeitraum 2005 bis 2010 sind ca. 100 Mio. Euro F&E - Fördermittel in die Maritime Branche geflossen. Im Ergebnis konnten den Fördermaßnahmen unmittelbar etwa 1 Mrd. Euro Umsatz zugeordnet werden sowie etwa 7000 hoch qualifizierte Arbeitsplätze erhalten oder neu geschaffen werden.
Nord-Ostsee-Kanal (NOK)
Das auf Drängen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in 2012 entstandene Infrastrukturbeschleunigungsprogramm mit einem Finanzvolumen von einer Milliarde Euro fördert den Küstenbereich in einem wesentlichen Investitionsvorhaben. 300 Millionen Euro aus dem Programm werden für den Bau einer neuen Schleuse am Nord-Ostsee-Kanal in Brunsbüttel aufgewendet. Die meistbefahrenste künstliche Wasserstraße der Welt ist für die maritime und gesamtdeutsche Wirtschaft von immenser Bedeutung. Auch im Infrastrukturbeschleunigungsprogramm II für das Haushaltsjahr 2013 sind Mittel für Investitionen am NOK eingestellt.
Versicherungssteuer
Zur Versicherungssteuerpflicht von Erlösfonds hat es Ende Januar 2013 ein Gespräch im Bundesministerium der Finanzen gegeben. Es wurde vereinbart, weitere Gespräche auch unter Beteiligung des VDR zu führen, um eine Lösung zu finden. Zudem wird der Deutsche Bundestag auf mein Drängen hin, Ende Februar eine Expertenanhörung durchführen. Aktuell ist mir nicht bekannt, dass Erlöspools bzw. den betroffenen Reeder Steuerbescheide zugegangen sind. Ich bin zuversichtlich, dass die Koalition das Interesse der Reeder verwirklichen kann, diesen bislang nur angedrohten Zusatzbelastungen entgegen zu wirken.
Seearbeitsübereinkommen
Mit der Umsetzung des Seearbeitsübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation, das im Kabinett beschlossen wurde und derzeit im Bundestag beraten wird, fördern wir die weltweite Durchsetzung von Mindeststandards der Arbeits- und Lebensbedingungen der Seeleute an Bord von Handellschiffen. Bislang regelt das Seemannsgesetz aus dem Jahre 1957 die Arbeits- und Lebensbedingungen an Bord von Schiffen unter deutscher Flagge. In vielen Bereichen entspricht das in die Jahre gekommene Gesetz nicht mehr den arbeits- und sozialrechtlichen Erfordernissen der globalen Handelsschifffahrt.
Piraterie
Mit dem Ende 2012 beschlossenen „Gesetz zur Einführung eines Zulassungsverfahrens für Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen“ schaffen wir Rechtssicherheit für Bewachungsunternehmen, die auf Schiffen unter deutscher Flagge dafür Sorge tragen, dass Piratenangriffe abgewehrt werden. Der Erfolg gibt den Unternehmen Recht: Solange professionelle Sicherheitsunternehmen an Bord von Handelsschiffen waren, ist nie ein Angriff von Piraten geglückt. Zusammen mit der Ausweitung der ATALANTA-Mission, an der auch deutsche Streitkräfte teilnehmen, ist es gelungen, die Angriffe der Piraten signifikant zu senken. Damit leisten wir einen Beitrag zur Reduzierung der international organisierten Kriminalität und vor allem verbessern wir die Sicherheit der Schiffsbesatzungen.
Seehandelsrecht
Auch das Seehandelsrecht wurde modernisiert. Das bisherige Seehandelsrecht gilt als veraltet und schwer verständlich. Das Gesetz ist im Fünften Buch des Handelsgesetzbuches geregelt. Mit der Novellierung wird erstmals eine gesetzliche Grundlage für die Verwendung elektronischer Beförderungsdokumente geschaffen. Weitere Schwerpunkte des neuen Seehandelsrechts sind Regelungen zu Schiffsüberlassungsverträgen und zur Rechtsstellung des Kapitäns, die der Rechtswirklichkeit angepasst wird.
Kontinuierlich arbeitet die Unionsfraktion mit dem Koalitionspartner auch an der Entbürokratisierung der deutschen Flagge, einer im Koalitionsvertrag festgehaltenen Übereinkunft. Mit dem ratifizierten Seearbeitsübereinkommen werden im arbeits- und sozialrechtlichen Bereich unnötige Hürden überwunden. Daneben laufen intensive Prüfungen, die Flaggenverwaltung - die derzeit durch 11 Behörden auf Bundes- und Landeseben in Deutschland organisiert ist - zu reduzieren. Die Bundesregierung hat in enger Abstimmung mit den Koalitionsfraktionen die Initiative übernommen und befindet sich im Gespräch mit Verbänden, Sozialpartnern und Küstenländern. In Eigenverantwortung wird beispielsweise das nicht mehr benötigte Visa-Erfordernis für ausländische Seeleute beseitigt.
Die im April 2013 anstehende Nationale Maritime Konferenz in Kiel wird auch deutlich machen, dass die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen mit diesen umfassenden Maßnahmen den maritimen Standort Deutschland und die maritime Wirtschaft insgesamt unterstützt und begleitet.
Ich danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Eckhardt Rehberg