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Dorothee Martin
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Frage von Hartwig O. •

Zuletzt im Juli 24 haben Sie sich eher unklar zum AFD-Verbotsantrag geäußert. Hat sich Ihre Haltung zum diesem Verbotsantrag geändert, m.a.W. unterstützen Sie inzwischen einen solchen Verbotsantrag?

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Sehr geehrter Herr O,
Wir müssen alles dafür tun, dass das AfD-Verbotsverfahren weiter vorangetrieben wird. Dazu bedarf es insbesondere einer Hochstufung der Partei auf Bundesebene durch den Verfassungsschutz, auf die wir zurzeit noch warten. 
Das Bauchgefühl sagt uns allen sofort, diese verfassungsfeindliche Partei zu verbieten. Mit dem vorliegenden Antrag auf Prüfung eines AfD-Verbots gab es aber eine Reihe an rechtlichen Problemen, weshalb ich ihn in seiner aktuellen Form nicht unterstützen konnte – so gerne ich die AfD aus allen Parlamenten verbannen würde. Der Bundestag kann dies nicht von heute auf morgen, und mit Blick auf die Vergangenheit aus gutem Grund. Wir können das Bundesverfassungsgericht anrufen, welches dann diesen Antrag prüft.
Das erste große Problem des aktuellen Antrags war der Zeitplan. Um den Antrag beim Bundesverfassungsgericht einzureichen, müssen vorher die Beweismittel zusammengetragen und mit dem Antrag zusammen eingereicht werden. Das Zusammentragen der Beweismittel hat bei früheren Verbotsverfahren etwa ein Jahr gedauert. Selbst wenn die Legislaturperiode regulär bis September 2025 dauern würde, was sie nicht wird, bliebe für das Zusammentragen der Beweismittel und das Einreichen des Antrags vor der Bundestagswahl nicht genug Zeit, bevor der Bundestagsbeschluss aufgrund des Diskontinuitätsprinzips mit Zusammentritt des neu gewählten Bundestages verfällt. Das Diskontinuitätsprinzip bedeutet, dass alle laufenden Verfahren des alten Bundestages automatisch erledigt werden und in der folgenden Legislaturperiode neu begonnen werden müssen. Damit müsste auch der Verbotsantrag neu gestellt werden. Weil keine Chance besteht, dass der Antrag bei dem Bundesverfassungsgericht vor der Bundestagswahl vollständig mit den Beweismitteln eingereicht wird, sehe ich auch keinen Sinn darin, für den aktuellen Antrag zu stimmen und der AfD damit (im Bundestagswahlkampf) weiteres Futter für ihre Opferrollen-Propaganda zu liefern.
Das zweite Problem ist, dass für ein zulässiges Verbotsverfahren schon zum Zeitpunkt des Bundestagsbeschlusses die sogenannte “strikte Staatsfreiheit” hergestellt werden muss. Das bedeutet, dass keine V-Leute oder verdeckte Ermittler mehr in der Partei führende Funktionen ausüben dürfen. Das praktische Problem ist, dass der Bundestag gar keine Kenntnis darüber hat, wann bei der AfD die strikte Staatsfreiheit eingetreten ist. Diese Kenntnis hat nur die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin des Inneren. Daher ist der Beschluss durch den Bundestag alleine zwar formal möglich, aber letztendlich ein Griff ins Blaue. Denn wenn zum Zeitpunkt des Bundestagsbeschlusses die strikte Staatsfreiheit noch nicht gegeben ist, ist das Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht bereits unzulässig. Ich bin nicht bereit, der AfD diese Genugtuung zu geben. Für die strikte Staatsfreiheit braucht es entweder die Garantie der Bundesinnenministerin oder aber direkt einen Verbotsantrag der Bundesregierung, wodurch diese vorher sichergestellt wurde. 
Wegen dieser Aspekte konnte ich, wie eingangs geschrieben, den aktuellen Verbotsantrag nicht unterstützen. Die Entscheidung, den Antrag in seiner jetzigen Form nicht zu unterstützen, ist unbefriedigend, auch für mich. Und sie fiel mir und fällt mir immer noch sehr schwer. Ich verstehe jede andere Abgeordnete, die für sich eine andere Entscheidung fällt. Ich hoffe, dass ich Ihnen meine Position zum aktuellen Antrag etwas erklären konnte. Es ist mir wichtig, weiterhin darüber zu reden. Diese Entscheidung geht uns alle etwas an.
Das ändert aber nichts daran, dass ohnehin von einer gründlichen und finalen Befassung mit entsprechenden Anträgen in dieser Wahlperiode aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag nicht mehr stattfinden wird. Die Fraktionen CDU/CSU und FDP haben jegliche Unterstützung des Vorhabens mit wenigen Ausnahmen ausgeschlossen, weshalb eine Abstimmung über den Antrag nicht einmal auf der Tagesordnung für die letzten Sitzungstage gelandet ist.
Meine Ablehnung des aktuellen Antrags heißt nicht, dass ich nicht für einen späteren Antrag stimmen werde, der die oben genannten Probleme nicht hat. Sobald der Verfassungsschutz auch die Bundes-AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft hat, werde ich in der neuen Legislaturperiode einen entsprechenden Antrag unterstützen.
Erst recht heißt meine Ablehnung des aktuellen Antrags nicht, dass ich nicht jeden Tag in meiner politischen Arbeit dafür arbeite und mir wünsche, dass eine menschenverachtende und von Putin finanzierte Partei wie die AfD niemals eine Rolle in der deutschen Politik spielen darf. Dies tue ich unter anderem in meinen Reden im Deutschen Bundestag, die Sie auszugsweise auch auf meiner Instagram-Seite finden können. Jenseits der juristischen Auseinandersetzung müssen wir weiterhin alles tun, um unsere Demokratie zu stärken und zu verteidigen.
Mit besten Grüßen
 Dorothee Martin

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