Frage an Doris Schröder-Köpf von Günter B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Frau Doris Schröder-Köpf,
folgende Meldung habe ich soeben gelesen:
"Immer mehr Arbeitslose über 55 haben Probleme, einen Job zu finden - laut Arbeitsagentur ist die Zahl der älteren Hartz-IV-Empfänger im Jahresvergleich um 16 Prozent gestiegen. Die Linkspartei hält sogar diese Angaben noch für geschönt."
Ist es nicht erschreckend für schwarz-gelb, dass die Hartz 4 Empfänger um 16 Prozent gestiegen sind. Für mich ist es eine Schande, wenn ich so etwas lese und gleichzeitig werden vom Ausland Migranten geholt. Wann gedenken Sie, dass die SPD wieder Politik für das Land macht und wann Gedenken Sie, dass Sie endlich einmal Hartz 4 Empfänger weiterbildet, anstatt immer mehr Migranten in unser Land zu holen. Wie sagte Herr Schäuble so schön. Wir benötigen mehr Geld für Bildung. Weshalb schauen Sie dann nicht, dass endlich die Arbeitslosenzahlen der Älteren zurückgehen und weshalb bilden Sie die Leute nicht?
Da die Arbeitsagentur keine Arbeit mehr hat, konzentriert man sich auf die Anwerbung von Migranten, anstatt man sich auf das Kerngeschäft konzentriert, nämlich auf die Senkung der Arbeitslosenzahlen und auf die Vermittlung, Bildung und auch Wiedereingliederung von Älteren.
Weshalb baut man nicht von den über 100.000 Stellen der Arbeitsagenturen, 30 Prozent der Stellen ab und bildet mit dem Geld die Leute und schafft so 100.000 bis 200.000 Arbeitsplätze, dann hat der Staat auch endlich wieder mehr Steuereinnahmen, anstatt ständig Migranten anzuwerben was nur Geld kostet und gleichzeitig die eigenen Leute nicht in Arbeit bringt?
Alle älteren Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die ihr ganzes Leben hart gearbeitet haben und sich eine eigenes Haus gebaut haben, müssen dieses verkaufen. Ihr genzes Erspartes geht auf einen Schlag den Bach runter und danach müssen Sie Rente beantragen, von der Sie nicht leben können und so etwas nennen Sie soziale Politik. Darunter verstehe ich etwas anderes.
Mit freundlichem Gruß
G. Bareiß
Antwort:
Sehr geehrter Herr Bareiß,
vielen Dank für Ihre wichtige Frage, die ich gern beantworte. Sie schlagen strukturelle Reformen bei der Vermittlung, Wiedereingliederung und Bildung von Arbeitslosen vor - mit der Agenda 2010 wurde bereits viel in diese Richtung unternommen. Es war das Ziel des Reformwerks Wachstum und Beschäftigung zu fördern und die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest zu machen. Es ging darum, dass wir uns den Herausforderungen der Globalisierung und des demographischen Wandels an unsere Gesellschaft stellen.
Dies war auch deshalb wichtig, damit unsere Gesellschaft in einem zunehmend schärferen internationalen Wettbewerb bestehen kann. Klar war: Nur durch einen grundlegenden, zugleich aber für alle Generationen gerechten Umbau der sozialen Sicherungssysteme können diese in ihrem Bestand erhalten werden. Das gilt auch noch heute: Für kommende Generationen müssen die Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge in einer älter werdenden Gesellschaft bezahlbar bleiben. Die Lohnnebenkosten der Wirtschaft müssen im internationalen Vergleich bestehen können, damit Spielraum für Investitionen und somit für die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibt und zunehmender Verlagerung ins Ausland entgegenwirkt wird.
Der Kern der "Agenda 2010" war daher richtig. Und dennoch darf man nicht übersehen, dass Teile der Agenda bei den Menschen zu erheblicher Verunsicherung geführt haben. Als Sozialdemokratin, zählt die Beseitigung der sozialen Schieflage in Deutschland daher zu meinen ersten Prioritäten. Es ist ein Problem für den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt, wenn die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Und das ist ein Fakt: In den letzten zehn Jahren haben Menschen mit geringem Einkommen durchschnittlich zwischen 5 und 20% Prozent ihres Einkommens eingebüßt, während die ohnehin schon Gutverdienenden ihren Einkommensvorteil ausbauen konnten, hat erst kürzlich das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) belegt.
Gerade deshalb ist es uns wichtig, einen höheren Spitzensteuersatz einzuführen, damit auch diejenigen, die in Deutschland wohlhabend geworden sind, sich an den Kosten der Finanzkrise beteiligen. Ohne die Einbeziehung der Verursacher und Gewinner der Krise wird ein sozialer Ausgleich nicht zu haben sein. Wir müssen den Reichtum nutzen, um Armut zu bekämpfen, die Mittelschicht zu stärken und die Kosten der Krise gesellschaftlich ausgewogen und gerecht zu verteilen.
Um die Schere zwischen Arm und Reichen wieder zu schließen bedarf es vor allem einer angemessenen Lohn- und Gehaltsentwicklung. Dazu müssen wir auch Teile der Agenda 2010 auf den Prüfstand stellen. Ein Ergebnis ist: Durch unsere Politik der Liberalisierung der Leih- und Zeitarbeit haben Sozialdemokraten unbeabsichtigt dazu beigetragen, dass der Wert von Arbeit gesunken ist. Hier müssen wir ehrlich sein und sagen: Das war falsch, und das müssen wir wieder ändern. Alles andere wäre keine sozialdemokratische Politik. Es ist die soziale Gerechtigkeit, die soziale Balance, für die wir als Sozialdemokraten stehen, für die wir in der Vergangenheit gewählt worden sind, und die wir wieder herstellen wollen und müssen.
Dies gilt ganz besonders für ältere Menschen, die auf der Suche nach Arbeit sind. Wir müssen alles daran setzen, diese zu vermitteln und weiter zu qualifizieren. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), welches von der SPD in der großen Koalition 2006 beschlossen wurde, bildet auf diesem Weg einen weiteren Baustein: Es verbietet nämlich insbesondere die Diskriminierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Einstellung aufgrund ihres Alters.
Dies ist schließlich auch deshalb besonders wichtig, da wir aufgrund des demografischen Wandels in Deutschland in der Zukunft mehr denn je auf die Arbeitskraft der älteren Bevölkerung angewiesen sind. Wir werden immer weniger und wir werden immer älter. Daher wird es sich unser Land mittelfristig überhaupt nicht leisten können, auf die Arbeitskraft von Menschen auch jenseits der von Ihnen zitierten Grenze von 55 zu verzichten. Nicht zuletzt aufgrund dieser Entwicklung teile ich Ihre Einschätzung in Bezug auf die Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland nicht. Aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland sind auch derartige Maßnahmen Bestandteil einer nachhaltigen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik. Schließlich sind auch die zahlreichen in Niedersachsen lebenden Menschen mit Zuwanderungshintergrund ein wertvoller Bestandteil unserer Gesellschaft. Hier muss ein Denken in den Linien von "wir" und "ihr" endlich aufhören. Menschen mit Wurzeln außerhalb der Bundesrepublik Deutschland leisten täglich harte Arbeit und schaffen in zahllosen Fällen viele Arbeitsplätze in Niedersachsen. Vor uns stehen große Herausforderungen: die bereits angesprochenen Probleme des demografischen Wandels und der Sicherung unserer Sozialsysteme, die Bildung unserer Kinder. Wir werden diese Aufgaben gemeinsam lösen oder gemeinsam scheitern. Es gibt nur ein "wir".
Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage mit diesen, freilich nicht abschließenden, Bemerkungen beantworten. Sollte dem nicht so sein, bitte ich um Rückmeldung.
Mit freundlichen Grüßen,
Doris Schröder-Köpf