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Doris Achelwilm
DIE LINKE
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Frage von Johannes M. •

Wie stehen Sie zum Kabinettsbeschluss zum Einsatz der Bundeswehr zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan? Folgen Sie der Empfehlung des Parteivorstands, sich zu enthalten? Warum? Warum nicht?

Vielen Dank und Liebe Grüße!

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Antwort von
DIE LINKE

Hallo Johannes M.,

vielen Dank für Ihre Frage. Die Situation in Afghanistan ist mehr als erschütternd, sie bewegt mich und meine Fraktion sehr. 20 Jahre nach Beginn des Krieges sind die Taliban stärker zurück als zuvor. Der "Krieg gegen den Terror" war zum Scheitern verurteilt -- und endete in einem politischen Desaster: Unzählige auf der Flucht, zehntausende tote Zivilist*innen, zehntausende tote afghanische Soldaten und Polizisten, dutzende tote Bundeswehrsoldaten. Eine neue Entwicklung sind die Netzwerke des sog. IS, die am Flughafen in Kabul ein Blutbad angerichtet haben. Der neue Innenminister Afghanistans ist ein international gesuchter Terrorist.

Die Vorsitzende des Afghanischen Frauenvereins, Nadia Nashir, sagte im Mai: "Viele Frauen fühlen sich im Stich gelassen, und sie betrachten den Einsatz der Nato als gescheitert. Es wurde … so viel versprochen: Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, Frauenbefreiung. … im Großen und Ganzen wurden diese Ziele nicht erreicht." Selbst im Bundeswehrmandat vom März 2021 war noch die Rede von Frauenrechten, übrigens auch von der Evakuierung der Ortskräfte und gefährdeten Personen – die, wie wir nun wissen – aber regierungsseitig verzögert und blockiert wurde, als schon längst hätte gehandelt werden müssen.

Als LINKE haben wir diesen Krieg nie gewollt und von Anfang an als einzige Fraktion dagegen gestimmt und protestiert. Gleichzeitig plädieren wir seit Monaten am dringlichsten dafür, alles Menschenmögliche dafür zu tun, gefährdete Personen und ihre Familien aus Afghanistan zu evakuieren. Die Regierungskoalition hatte noch im Juni einen Antrag der Linksfraktion abgelehnt, afghanische Ortskräfte, die im Dienst der Bundeswehr und der deutschen Polizei standen, schnell und unbürokratisch in Deutschland aufzunehmen. Darüber hinaus fordern wir die Evakuierung besonders gefährdeter Personen(gruppen), wie z.B. Menschen- und Frauenrechtler*innen sowie LSBTIQ*, Journalist*innen und Minderheiten wie die Hazara. Außerdem fordern wir Landeaufnahmeprogramme und den Familiennachzug hier lebender Afghan*innen, der auch für die häufig nur nach Genfer Konvention anerkannten „subsidiären“ Schutzbedürftigen nicht mehr voll möglich ist. Insgesamt ist die Flüchtlingsabschreckungspolitik von EU und Deutschland absolut menschenunwürdig und komplettiert das politische Versagen bei der Evakuierungsmission.

Zum Antrag der Bundesregierung ("Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan") vom 25. August: Zum ersten Mal überhaupt haben wir als Fraktion DIE LINKE zu einem Einsatz der Bundeswehr nicht "Nein" gesagt. Die Entscheidung hat sich niemand leicht gemacht. DIE LINKE steht klar für die umfassende und schnelle Evakuierung aller gefährdeten Menschen aus Afghanistan. Die Bundesregierung hingegen hat wissentlich einen Großteil der Ortskräfte in Afghanistan im Stich gelassen, darüber hinaus viele Menschenrechtler*innen, darunter Frauenrechtsaktivist*innen. Das Mandat steht in dieser Tradition, statt damit zu brechen und nötige Konsequenzen aus vergangenen Lehren zu ziehen. Für DIE LINKE gilt weiterhin: Das Engagement für Notleidende muss dringend verstärkt und ausgebaut werden. Kriege mit deutscher Beteiligung müssen allerdings enden. Die Evakuierung möglichst vieler Menschen ist für uns ein Muss von höchster Priorität. Das heißt auch, geflüchtete Afghan*innen aus den Anrainerstaaten aufzunehmen, was u.a. auch in meinem Bundesland Bremen von uns gefordert wird. Schuldzuschreibungen jetzt gegen uns als LINKE zu wenden, ist absurd, geschichtsvergessen und schlicht wahlkampfmotiviert.

Mit freundlichen Grüßen
Doris Achelwilm