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Frage von Johannes I. •

Frage an Ditmar Staffelt von Johannes I. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Hr. Staffelt,

wie stehen sie zu der Aufdeckung vom Bundesrechnungshof im April diesen Jahres der ca. 300 von Unternehmen und Verbänden angestellten und bezahlten Lobbyisten, die in den Ministerien Büros besitzen und direkt an Gesetzesenwürfen mitgearbeiten haben und noch weitherhin mitarbeiten.
Stellt dies nicht eine klare Untergrabung unserer demokratischen Werte und Rechte dar, welche zugunsten Kapitalstarker Interessen außer acht gelassen und bewusst hintergangen werden?
Inwiefern haben Sie und außerdem Ihre Fraktion vor im Rahmen der vom Haushaltsausschuss des Bundestages beauftragten Richtlinie dagegen vorzugehen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Israel,

gern beantworte ich Ihre Fragen zum Bericht des Bundesrechnungshofes über die Mitarbeit von externen Personen in Bundesministerien. In Ihrem Schreiben bringen Sie Ihre Sorge zum Ausdruck, Wirtschaftsinteressen könnten über sogenannte Lobbyisten einseitig und darüber hinaus undemokratisch Zugang zu den Ministerien erlangen, interne Vorgänge beeinflussen sowie Insider-Informationen und nützliche Kontakte erschließen.

Ein Zustand, in dem solche Szenarien real werden, ist unter keinen Umständen
anzustreben – da liege ich sicher auf einer Linie mit den meisten der
demokratische gewählten Volksvertretern.

Die Fakten des Bundesrechnungshofes zeigen jedoch ein ganz anderes Bild, auf deren Grundlage meine Bewertung erfolgt. Pro Jahr waren rund 100 externe Mitarbeiter in Bundesministerien tätig. Das ist ein sehr geringer Anteil wenn man demgegenüber die 5270 Planstellen nur für Beamtinnen und Beamte des höheren Dienstes in den Bundesministerien und im Bundeskanzleramt stellt. Die meisten externen Mitarbeiter in den Ministerien stammen aus nachgeordneten Behörden und Dienststellen. Diese machen 33 Prozent der externen Mitarbeiter aus, was völlig unverfänglich ist. 30 Prozent der Externen wurden von Verbänden und Interessenvertretungen, Sozialversicherungsträgern oder gemeinnützigen Organisationen entsandt. Lediglich 16 Prozent kamen aus der gewerblichen Wirtschaft. Der Bundesrechnungshof stellt damit fest, was viele Nichtregierungsorganisationen wie Transparency International betonen: Deutschland ist kein korrupter Staat, in dem die Wirtschaftslobby regiert. Aufgeregte, öffentliche Debatten, die oftmals das Gegenteil behaupten liegen
hier falsch.

Gleichwohl ist die derzeitige Praxis der Bundesministerien dennoch kritisch zu beäugen – wie es der Bundesrechnungshof in seinem Bericht tat. Denn entscheidend ist ja nicht allein die Anzahl der Beschäftigten, die zweifelsohne im Gesamtvergleich gering erscheint, sondern die Stelle, an der sie eingesetzt werden sowie die Befugnisse, mit denen sie ausgestattet sind. In der Vergangenheit gab es, laut dem Bericht des Bundesrechnungshofes, zu viele Fälle, in denen externe Berater in Bundesministerien an der Entstehung von Gesetzen beteiligt waren.

Ich möchte jedoch betonen und unterstreichen: wichtiger, berechtigter und benötigter Sachverstand von außen darf in den Ministerien nicht verloren gehen. Dabei muss sicherlich zwischen gemeinwohlorientiertem Interesse und rein unternehmerischem Interesse unterschieden werden. Den Personal- und damit Wissensaustausch zwischen Wirtschaft und Verwaltung komplett zu unterbinden, lehne ich ab. Wechselseitige Einblicke in Prozesse und Strukturen sind erhaltenswert und fördern Synergien, aus denen gemeinwohlorientierte Politik einstehen soll. Der IT-Bereich ist hier ein geeignetes Beispiel, um Ihnen meine Meinung zu verdeutlichen. Die Firmenvertreter aus dem IT-Bereich unterstützen mit ihrem praxis- und wissenschaftsnahen Handeln die Arbeit der Ministerien. Fachwissen, das in einer komplexen Gesellschaft, wie es die deutsche nun einmal zweifelsohne ist, in einer bestimmten Tiefe nur in der gewerblichen Wirtschaft so aktuell und intensiv vorhanden sein kann, soll der Staat auch weiterhin nutzen. Rein wirtschaftliche Einflussnahme auf Gesetze zu verhindern, bleibt jedoch oberste Priorität. Das Schlüsselwort hierfür lautet Transparenz.

Deshalb fordert die SPD-Bundestagsfraktion in einer Initiative, einen von der Bundesregierung jährlich vorzulegender Bericht, der im Internet veröffentlicht werden soll. Dieser soll Art und Umfang der Tätigkeit externer Berater genau beschreiben. So wird dokumentiert, wie sinnvoll externe Beratung sein kann und fragwürdige Einflussnahme vorab verhindert. Der Einsatz externer Berater soll grundsätzlich auf maximal sechs Monate begrenzt sein. Keinesfalls sollen Externe auf der Leitungsebene der Ministerien eingesetzt werden oder Einfluss auf Grundsatzentscheidungen oder gar die Formulierung von Gesetzen haben.

Der Bundesrechnungshof hat mit Blick auf seinen Bericht und unterstützt von einem Beschluss des Haushaltsausschusses, die Bundesregierung aufgefordert, eigene Vorschläge zu unterbreiten. Die SPD-Fraktion befürwortet hier einen Verhaltenskodex, der zu einer regierungsweiten Vereinheitlichung führt und Transparenz schafft.

Wichtig ist es, dass wir Abgeordneten wissen, wer an den Gesetzesvorlagen, über die wir abstimmen, aus den Bundesministerien mitgewirkt hat. Deshalb wollen wir, dass den Gesetzentwürfen vorab eine Auflistung vorangestellt wird, aus der hervorgeht, welche Externen daran mitgewirkt haben.

Es geht also alles in allem nicht um einen generellen Verzicht von Wissen externer Personen, sondern darum, das Risiko der Interessenvermischung zu verhindern.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Dr. Ditmar Staffelt