Frage an Ditmar Staffelt von Frank S. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Dr. Staffelt!
Auch Sie möchte ich bitten, mir und den anderen interessierten Bürgern Ihre endgültige Entscheidung zur Privatisierung der Bahn mitzuteilen:
Werden Sie am Donnerstag für die Bahnprivatisierung und damit für Verschleuderung von Volksvermögen und Aufgabe großer Teile der Entscheidungsgewalt über ein wichtiges Instrument zum Umweltschutz stimmen? Der große Teil der Bevölkerung ist nach den letzten Umfragen gegen jede Privatisierung der Bahn. Dann müssten Sie sich als Volksvertreter doch daran orientieren und gegen die Privatisierung stimmen?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Schmidt,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Teilprivatisierung der Bahn, die ich gern beantworte, obwohl ich als Neuköllner Abgeordneter nicht für den Wahlkreis Potsdam zuständig bin, aus dem Sie schreiben. Vorab bleibt festzuhalten, dass es sich bei der Bahnreform nicht um eine Bahnprivatisierung handelt, sondern um eine Teilprivatisierung.
Die Abstimmung zum Antrag „Zukunft der Bahn, Bahn der Zukunft – Bahnreform weiterentwickeln“ – bekannt als Antrag zur Teilprivatisierung der Bahn – fand am Freitag, 30. Mai statt. Der Antrag der Großen Koalition ist das Ergebnis einer langen Diskussion, in der die Pro und Contra verschiedenster Konzepte ausführlich abgewogen wurden.
Die SPD beschäftigte sich im Oktober 2007 auf dem Hamburger intensiv mit der Bahnreform. In Hamburg wurde entschieden, dass, sofern das von der SPD vorgeschlagene Modell der stimmrechtslosen Vorzugsaktie nicht durchgesetzt werden kann, der Parteivorstand beauftragt werde, neue Verhandlungen mit dem Koalitionspartner zu führen. Nachdem sich das Aktienmodell nicht durchsetzen konnte, übernahm Kurt Beck, wie in Hamburg beschlossen, de facto die Verhandlungsführung. Das Ergebnis ist der am Freitag im Bundestag behandelte Antrag, dem vorab sowohl der Parteivorstand der SPD als auch der Parteirat, dem höchsten Gremium zwischen den Parteitagen der SPD, zugestimmt hatten. Auch der Aufsichtsrat und die Hauptversammlung der Deutschen Bahn AG sowie die Gewerkschaft Transnet sprachen sich für den Kompromissvorschlag der Koalition aus. Die Beteiligten erkannten, dass die Bahn neben der staatlichen Förderung privates Kapital benötigt, um die wirtschaftlichen Herausforderungen der Zukunft, vor allem auch den Wettbewerb gegenüber anderen Bahnunternehmen in Europa, meistern zu können.
Auch ich habe vor diesem Hintergrund diesem Kompromiss in der namentlichen Abstimmung zugestimmt.
Der Antrag legt fest, dass sich privates Kapital mit insgesamt 24,9% an den Bereichen Verkehr und Logistik der Bahn AG beteiligen wird. Also lediglich 24,9% der Mobilitäts- und Logistikunternehmen, die sich schon jetzt im Wettbewerb befinden, wird für eine Teilprivatisierung zur Verfügung stehen. Die privaten Investoren haben keinen unternehmensbestimmenden Einfluss auf die Kernbereiche der Unternehmenspolitik der DB AG, denn die Bahn AG und damit die Infrastruktur der Bahn - das Netz, die Bahnhöfe, die Energie - bleiben zu 100% im Eigentum des Bundes. Ich kann folglich Ihre Schlussfolgerung, dass die Entscheidungskompetenz durch eine Privatisierung verloren ginge, nicht nachvollziehen. Die Bundesregierung hat sich nicht der Verantwortung für das Schienennetz entzogen. Der Schienenverkehr und damit die Deutsche Bahn AG sind ein entscheidender Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge, den wir erhalten und verbessern wollen. Die Bahn darf und wird kein Spekulationsobjekt sein. Aus diesem Grund bin ich auch nicht Ihrer Meinung, die Teilprivatisierung sei Verschleuderung von Volksvermögen.
Ihrem Ansatz, die Bahn als umweltschonende Alternative zu erklären, stimme ich zu. Auch ich erkenne den umweltschonenden Beitrag der Bahn im Vergleich zum Kfz an. Gerade deshalb ist eine Teilprivatisierung zu begrüßen. Durch die finanzielle Bereitstellung der 24,9 prozentigen Privatisierung soll eine Attraktivitätssteigerung der gesamten Bahn erreicht werden. Dazu wurde geplant, den Teilprivatisierungserlös auch für ein Investitions- und Innovationsprogramm für den Schienenverkehr zu verwenden. Dieses Programm beinhaltet unter anderem, die Energieeffizienz der Bahn zu steigern und das Netz zu verbessern. Umweltpolitische Begründungen sprechen somit nicht gegen eine Teilprivatisierung.
Grundsätzlich möchte ich mich davon distanzieren, meine politische Haltung aus Meinungsumfragen zu generieren. Der Sachverhalt der Teilprivatisierung der Bahn ist erheblich umfangreicher als es Meinungsumfragen suggerieren und bedürfen einer tiefen Einarbeitung in diese Thematik, um dazu in Umfragen oder Abstimmungen mit „Ja“ oder „Nein“ antworten zu können. Die Fragestellungen der Forschungsinstitute sind zudem oft suggestiv. Darüber hinaus bieten Meinungsumfragen lediglich ein Stimmungsbild, dass sehr subjektiv ist und dem oftmals keine sachliche Erörterung vorangegangen ist. Jedoch nehme ich natürlich die Umfragen zur Kenntnis. Gleichwohl bin ich, wie im Grundgesetz verankert, meinem Gewissen verpflichtet und habe mich, nach einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema der Bahnreform dazu entschieden, wie 163 meiner Kollegen aus der SPD-Fraktion im Bundestag, diesem Kompromiss zuzustimmen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Dr. Ditmar Staffelt