Frage an Ditmar Staffelt von Christian C. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Dr. Ditmar Staffelt,
es werden im Rahmen der EU-Ost-Erweiterung z. B: Rumänien, Bulgarien in die EU aufgenommen. Die Türkei ist ständiges Thema.
Warum eigentlich werden keine Anstrengungen gemacht, das wirtschaftlich und politisch unverkennbare aufstrebende Russland in die EU zu bekommen ?
Steht Deutschland da, mit Frau Merkel an der Spitze, die Vergangenheit im Wege ?
Sehr geehrter Herr Couvreux,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Gerne erläutere ich Ihnen im Folgenden meine Position zum Thema EU-Osterweiterung.
Die Aufnahme Rumäniens und Bulgariens in die Staatengemeinschaft der Europäischen Union war und ist im europäischen wie im deutschen Interesse. Der Beitritt dieser beiden Länder bildete den Abschluss der historischen Osterweiterung und damit der Überwindung der europäischen Teilung. Er ist ein politischer, ökonomischer, sicherheitspolitischer und kultureller Zugewinn, von dem die gesamte Europäische Union profitiert, ökonomisch aber vor allem Deutschland.
Die EU-Erweiterung vereint Europa auf der Grundlage von Demokratie und sozialer Marktwirtschaft. Mit der Erweiterung wurden Frieden und Stabilität in Europa auf Dauer gesichert. Die Rolle der EU als globaler Akteur und wirtschaftliche Handelsmacht wurde weiter gestärkt und ihre Attraktivität als Investitionsstandort erhöht. Dies ist vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklung der Schwellenländer eine besondere Notwendigkeit.
Russland ist und wird auch in Zukunft kein Mitglied der Europäischen Union werden. Dies hat nichts mit der deutschen Vergangenheit und schon gar nichts mit der Vergangenheit der Bundeskanzlerin zu tun. Vielmehr gibt es eine Reihe von wichtigen Argumenten, die gegen einen Beitritt Russlands, unter der Voraussetzung dass er von Russland gewünscht wäre, sprechen. Einige Beispiele: Die Größe des Landes: Russland ist mit Abstand das größte Land der Welt, knapp viermal größer als die EU. Die Bevölkerungszahl: Ein Großteil des Landes liegt in Asien. Die Kopenhagener Kriterien der EU sind somit nicht erfüllt. Vielmehr sieht sich Russland als politische und wirtschaftliche Großmacht. Das Land bevorzugt sich mit den USA und der EU eigenständig und auf Augenhöhe zu bewegen. Es erscheint kaum vorstellbar, dass sich diese selbstbewusste Grundhaltung der russischen Politik in überschaubaren Zeiträumen ändern wird.
Aus meiner Sicht steht für die nächsten Jahre die Intensivierung einer strategischen Partnerschaft zwischen der EU und Russland im Mittelpunkt des politischen Handelns. Eine intensive strategische Partnerschaft zwischen der EU und Russland stellt eine Notwendigkeit dar. Dabei halte ich eine Verflechtung Russlands in die europäischen Strukturen für erforderlich. Dies darf nicht mit der Zielsetzung einer EU-Mitgliedschaft Russlands verwechselt werden. Schon 2005 wurden die so genannten „vier gemeinsame Räume“ verabschiedet. Diese umfassen 1. die Politikfelder gemeinsamer Wirtschaftsraum, 2. Kooperation im Bereich Freiheit, Sicherheit, Justiz, 3. die Äußere Sicherheit und 4. Forschung, Bildung und Kultur. In diesen Bereichen wurden konkrete Projekte der Zusammenarbeit vereinbart, die Schritt für Schritt umgesetzt werden.
Dass eine enge Zusammenarbeit unerlässlich ist, wird deutlich, wenn man sich die wirtschaftliche Interaktion der EU mit Russland betrachtet. Schon heute wird die Hälfte des russischen Handels mit der EU realisiert. Dabei gehen 80 Prozent der Energieexporte in die EU. Mehr als drei Viertel der ausländischen Investitionen in Russland stammen von dort. Diese Interdependenz liefert Chancen für beide Seiten. Im Hinblick auf Klimaschutz, Energiesicherheit, Rüstungskontrolle, die Lösung regionaler Konflikte oder die Bekämpfung des internationalen Terrorismus bleibt Moskau ein unverzichtbarer strategischer Partner. Auf dem EU-Russland-Gipfel Ende Juni sollen die Gespräche für das neue Partnerschafts- und Kooperationsabkommen offiziell beginnen.
Dies scheint mir der richtige Weg in unserem Verhältnis zu Russland zu sein.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ditmar Staffelt