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Frage von Roland F. •

Frage an Ditmar Staffelt von Roland F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Staffelt,

die Bundesregierung hat gestern die einseitige Unabhängigkeitserkärung des Kosovo anerkannt. Sie hat damit gegen international geltendes Völkerrecht verstoßen.
Die Gefahr einen Präzedenzfall geschaffen zu haben ist sehr groß und kann zu einer destabilisierung der internationalen Sicherheitslage führen.
Sie sind Mitglied im Auswärtigen Ausschuß und darüber hinaus Bundestagsabgeordneter meines Wahlkreises. Ich würde gerne wissen, wie Sie zu der o.g. Anerkennung stehen und wie Sie es rechtfertigen, daß die Bundesregierung (der ja auch die SPD angehört) gegen internationales Völkerrecht verstößt.
Würde die Bundesregierung auch zustimmen, wenn sich Berlin-Neukölln für unabhängig erklären würde, da immerhin ein ca. drittel seiner Bevölkerung nicht deutschen Ursprungs ist und somit eine starke Minderheit darstellt?

Mit freundlichen Grüßen

Portrait von Ditmar Staffelt
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Fliß,

ein Verstoß gegen das international geltende Völkerrecht ist im Fall der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo nicht so eindeutig wie Sie schreiben.

Richtig ist zweifellos, dass die Sezession und ihre Anerkennung zu den völkerrechtlich sensiblen Bereichen zählen. Die Sezession steht im Spannungsverhältnis zwischen dem grundlegenden Recht auf Souveränität und territorialer Integrität der Staaten und dem Selbstbestimmungsrecht der Völker. Grundsätzlich ist umstritten, ob das Selbstbestimmungsrecht auch das Recht zur einseitigen Abtrennung umfasst. Die meisten Experten vertreten die Meinung, dass eine Sezession nur als ultima ratio bei massiven Menschenrechtsverletzungen in Betracht kommt.

Auch ich habe Zweifel an der Legitimität dieser einseitigen Unabhängigkeit.
Es fällt nicht leicht, diese Sezession zu rechtfertigen. Die UN-Resolution 1244 zum Kosovo aus dem Jahre 1999 schließt ein unabhängiges Kosovo als endgültige Statuslösung jedenfalls nicht aus. Betrachtet man die jahrelange repressive Unterdrückung durch Präsident Milosevic, die Intervention der Staatengemeinschaft und die Phase der internationalen Verwaltung, so muss die Situation des Kosovo als Sonderfall betrachtet werden. Dieser erforderte eine besondere Lösung. Einen Präzedenzfall kann ich dabei nicht erkennen. Solch eine besondere Situation liegt weder in Berlin-Neukölln, im Baskenland noch in Südossetien, Abchasien oder Transnistrien vor.

Nun war ein neuer Kleinstaat auf dem westlichen Balkan nicht das Wunschkind Deutschlands und der internationalen Gemeinschaft. Seit 1999 haben wir uns um eine einvernehmliche Lösung bemüht, am Ende leider vergeblich. Sämtliche Verhandlungsmöglichkeiten innerhalb der Vereinten Nationen sind ausgeschöpft worden. Eine weiterhin ungelöste Kosovo-Frage hätte die Stabilisierung des Westbalkans und seine Annäherung an die Europäische Union insgesamt infrage gestellt. Ich argumentiere daher, dass nicht die Unabhängigkeit des Kosovo eine Destabilisierung der internationalen Sicherheitslage auslösen wird. Vielmehr hätte ein weiteres Offenhalten der Statusfrage zu neuen Unruhen im Kosovo und darüber hinaus führen können.

Meiner Meinung nach gilt es, demokratische Rechtsstaatstrukturen mit europäischen Werten im Kosovo und dem gesamten westlichen Balkan zu verankern. Nur das ist am Ende das Fundament für Stabilität und fairen Ausgleich in der gesamten Region. Daher gilt unser Augenmerk ebenso der Integration Serbiens in die EU, um die Idee eines vereinten Europas zu verwirklichen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Ditmar Staffelt