Wie stehen Sie zur aktiven Sterbehilfe?
Sehr geehrter Herr Wiese,
am 26. Februar 2021 entschied das BVerfG über §217 StGB und erklärte diesen für nichtig (www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/02/rs20200226_2bvr234715.html). Somit wird eine Neufassung des Gesetzes nötig sein, um einen gesetzlichen Rahmen und entsprechende rechtliche Sicherheit zu schaffen.
Das Themenfeld Sterbehilfe betrifft schließlich viele BürgerInnen (direkt als Sterbewillige, indirekt über Angehörige oder beruflich als Angestellte/r im Gesundheitswesen).
Da sich der derzeitige Direktmandatsträger des HSK, Patrick Sensburg, sehr eindeutig zu diesem Thema positioniert hat, würde mich auch Ihre Meinung zur aktiven Sterbehilfe interessieren.
Wie stehen Sie zur aktiven Sterbehilfe in Deutschland? Sehen Sie Konflikte zwischen Ihren religiösen Ansichten und einer liberalen Sterbehilfe-Politik? Werden Sie sich an der Ausarbeitung eines neuen gesetzlichen Rahmens beteiligen und in welcher Form?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Schmidt,
ich habe bei der damaligen Abstimmung im Deutschen Bundestag lange mit mir gerungen. Letztendlich hatte ich mich gefragt, was ich in einer solchen Situation machen oder in Anspruch nehmen würde. Nach reiflicher Überlegung, vielen Gesprächen und zwei wichtigen Diskussionsveranstaltungen damals vor Ort im Sauerland hatte ich dem Entwurf der Kollegen Lauterbach und Hintze zugestimmt, da das Thema Sterbehilfe aus meiner Sicht in das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gehört. Leider hatte dieser Entwurf damals keine Mehrheit im Deutschen Bundestag bekommen.
Schon damals hatte ich im Hinblick auf den Mehrheitsentwurf die Sorge, dass die Staatsanwaltschaft zukünftig an jedem Sterbebett steht. Das halte und hielt ich mit der Würde des Menschen, der Handlungsfreiheit des Einzelnen und dem daraus resultierenden Recht auf Selbstbestimmtheit für unvereinbar. Das scharfe Schwert des Strafrechts ist die Ultima Ratio des Rechtsstaats. Erfahrungen aus der palliativmedizinischen Behandlung zeigen zudem, dass die meisten Patienten, die zunächst einen Suizidwunsch geäußert haben, nach einer ärztlichen Beratung wieder von diesem Wunsch Abstand nehmen. Folglich ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgerichtig. Der neue Deutsche Bundestag muss zeitnah eine neue Debatte führen und das Thema wieder auf die Tagesordnung setzen.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Wiese