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Dirk Lorenzen
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Frage von Oliver M. •

Frage an Dirk Lorenzen von Oliver M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Lorenzen,
Sie werben ja u.a. für eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dabei auch um eine Abschaffung des derzeit gültigen Rundfunkbeitrags. Stattdessen schlagen Sie eine Finanzierung über den Landeshaushalt (also über Steuergelder) sowie freiwillige Mitgliedsspenden vor.
1) Wie lässt sich bei solch einem Modell die Staatsferne der Sender garantieren, wenn diese doch zumindest in der Grundfinanzierung staatlich subventioniert werden?
2) Solch einem Finanzierungsmodell würde ja fast zwangsläufig eine deutliche Verschlankung der öffentlich-rechtlichen Sender folgen. Welche Teile des öffentlich-rechtlichen Rundfunks würden Sie da zuerst als Einsparpotentiale sehen?

Mit freundlichen Grüßen,
O. M.

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Antwort von
ÖDP

Antwort:

Zur Frage 1:
Die Frage legt nahe, dass mit dem Rundfunkbeitrag die Staatsferne (die sich in einer unabhängigen Berichterstattung äußern sollte) der Sender garantiert sei. Das ist jedoch ein weit verbreiteter Irrtum. Denn in einem Finanzierungssystem zur Finanzierung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks (ÖRR) ist es mitnichten die Finanzierungsquelle, über die der ÖRR finanziert wird, die über Staatsferne oder Staatsnähe entscheidet. Der ÖRR erhält nämlich sein Geld vom Beitragsservice und sieht mithin gar nicht, woher es kommt. Wer das Geld dort einzahlt (Staat oder Bürger), ist aus Sicht des ÖRR somit völlig egal. Erst mit der Zahlungsverweigerung des Schuldners tritt der ÖRR als Gläubiger in Erscheinung. Man kann also feststellen: Solange das Land im von der ÖDP vorgeschlagenen Finanzierungssystem seiner sich selbst auferlegten Finanzierungszusage nachkommt, ist die Geldquelle unerheblich für die Beziehung zwischen Staat und ÖRR.
Wenn jedoch, wie beim Rundfunkbeitrag, zur Finanzierungsquelle des Bürgers die Finanzierungsbedingung des Zwangs hinzutritt, sind Zweifel angebracht, ob das bestehende Finanzierungssystem Staatsferne bedeuten kann. Denn staatlicher Zwang ist nur da vonnöten, wo der Bürger nicht freiwillig das tut, was der Staat will.
Letztlich ist es die Finanzierungsentscheidung, ob der ÖRR überhaupt finanziert werden soll, die über Staatsferne oder Staatsnähe entscheidet. Diese Entscheidung für eine Finanzierung des ÖRR wird durch die Landesparlamente mittels entsprechender Staatsverträge getroffen. Der ÖRR existiert, weil die Landesparlamente es so wollen. Niemand kann sie jedoch dazu zwingen, sich für eine Finanzierung – und damit Existenz – des ÖRR zu entscheiden.
Das zwingt wiederum den ÖRR dazu, sich gegenüber dem Staat wohlwollend zu verhalten, damit er nicht abgeschafft wird. Dass dies nicht bloße Theorie ist, spiegelt die Praxis des Jahres 1978 wieder, als der damalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein Gerhard Stoltenberg den Staatsvertrag über den NDR kündigte, weil ihm dessen Berichterstattung nicht gefiel.
Darüber hinaus spiegelt sich insbesondere auch in der Organisation und im Betrieb des ÖRR die Staatsnähe wieder: Die Rundfunkräte sind von Parteien, Verbänden und Kirchen dominiert, die ganz natürlich ihre eigenen Interessen vertreten. Ein Gremium der Rundfunknutzer gibt es nicht. Ebenso wenig gibt es ein Mitwirkungsrecht der Rundfunknutzer. Diese können zwar eine Programmbeschwerde abgeben. Was daraus jedoch folgt, bleibt im freien Ermessen des ÖRR und im Ernstfall nichts.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass sich im gegenwärtigen Rundfunksystem der Staat seine Organisation des ÖRR durch den Bürger finanzieren lässt. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil im letzten Jahr den ÖRR auch als „staatliche Leistung“ bezeichnet.
Im Rundfunkkonzept der ÖDP Brandenburg wird die Staatsferne des ÖRR gegenüber dem jetzigen System durch größere Bürgernähe deutlich verstärkt: Rundfunkinteressierte zahlen freiwillig, sollen zumindest paritätisch im Rundfunkrat vertreten sein und können eigene Beiträge in die Mediathek einstellen, um die Vielfalt der Beiträge der Rundfunkanstalten zu ergänzen.
Mit der Zahlungsfreiwilligkeit und den damit für den Bürger einhergehenden attraktiven Diensten und Rechten würde das Bedrohungspotential, den ÖRR abzuschaffen oder gänzlich als Staatsfunk auszugestalten – so wie es in einer Diktatur üblich wäre – deutlich reduziert. Selbst wenn ein oder mehrere Landesparlamente ihre finanzielle Unterstützung rechtswidrig versagen, bliebe mit den freiwilligen Beiträgen der Rundfunknutzer ein ÖRR erhalten.

Zur Frage 2:
Der Artikel 5 des Grundgesetzes legt den Rahmen dessen fest, was an Freiheit gemäß des Rundfunkauftrags durch den ÖRR zu gewährleisten ist, nämlich die der Berichterstattung. Nun hat das Bundesverfassungsgericht dem ÖRR bei der Programmgestaltung einen so großen Spielraum eingeräumt, dass der ÖRR auch zu einem sehr großen Anteil Sendungen bringen kann, die nichts mit Berichterstattung, sondern mit Unterhaltung und purer Fiktion zu tun haben. Derlei Sendungen sind dem ÖRR also erlaubt, aber zur Erfüllung des Rundfunkauftrags nicht erforderlich. Außerdem werden sie durch viele Privatanbieter abgedeckt. Das gleiche gilt für die Voll- und Live-Übertragung von Sportereignissen.
Genau bei diesem rundfunkauftragsfremden Sendungsüberschuss liegt das Einsparpotential. Der ÖRR darf und sollte sich auf seinen Auftrag beschränken, indem er im Wesentlichen nur Nachrichten und politische Sendungen, Reise- Kultur-, Geschichts- und Naturreportagen und Sportberichterstattung bringt. Dies sollte die Grundversorgung der Berichterstattung bilden, die allen unverschlüsselt zur Verfügung steht.
Darüber hinausgehende Spezialthemen können durch Pay-TV-Sender des ÖRR für freiwillige Rundfunkbeitragszahler oder durch Privatsender abgedeckt werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Dirk Lorenzen