Frage an Dirk Fischer von Harald S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Ihre Antwort an Herrn Schwanke enthält leider die gleichen Fehler auf denen der gesamte Gesetzentwurf gewachsen ist:
Sie übernehmen die Behauptung, es hätte einen Zuwachs der Verbeitung von Internetkinderpornografie um 111% gegeben.
Woher wollen Sie denn das wissen?
Es wurde lediglich doppelt so viele Ermittlungsverfahren eingeleitet, von denen mehr als die Hälfte wiederrum der höchst umstrittenen "Operation Himmel" entstammen. Diese Verfahren, zu hunderten eingeleitet, haben bisher zu keinen Verurteilungen geführt, die allermeisten wurden schnell eingestellt.
Über tatsächliche Taten sagt diese Zahl also rein gar nichts aus.
Weiterhin sagen Sie es sei notwendig "den Zugang soweit wie möglich zu blockieren". Warum wird das dann nicht gemacht? Die Server der Anbieter vom Netz zu bekommen ist selbst Kinderschutzvereinen ohne weiteres möglich, warum nicht dem BKA? Eine einfache EMail an den Hosting-Provider reicht in den allermeisten Fällen für eine Entfernung des Angebots innerhalb 24 Stunden.
Die angestrebte "Sperre" wird schon durch versehentlich falsch eingestellte Rechner umgangen, mit Vorsatz und Anleitung aus dem Internet dauert das Umgehen der Sperre weniger als 30 Sekunden. Wenn das alles ist, was in Ihren Augen möglich ist möchte ich wissen warum Sie nicht auf die Fachleute hören, warum Sie nicht auf die Ergebnisse aus anderen Ländern zurück greifen und sich eine eigene Meinung bilden. Sie behaupten Accessblocking sei in anderen EU-Ländern erfolgreich. Wo? In Dänemark ganz sicher nicht, dort wurde die Wirksamkeit von Kinderschutzvereinen widerlegt. In Norwegen gibt es keinerlei statistische Erfassung. Also wo ist das erfolgreich?
Schliesslich noch ein Hinweis zu den Zensurvorwürfen: Solange die Sperrliste geheim und ohne Überprüfung durch Richter angewendet wird, ist das Zensur wegen mangelnder Transparenz. Warum sind Sie gegen einen Richtervorbehalt der die Zensurvorwürfe doch sofort ausräumen würde?
Mit freundlichen Grüßen,
Harald Schmidt
Sehr geehrter Herr Schmidt,
vielen Dank für Ihre Frage zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet.
Zunächst möchte ich Ihnen versichern, dass die CDU/CSU-Bundestagfraktion den Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet mit der gebotenen Sorgfalt und Sensibilität behandelt. Dennoch erlebe ich es immer wieder, dass bei der Diskussion berechtigte Anliegen und ungerechtfertigte Ängste fälschlich miteinander verwoben werden. Bitte gestatten Sie mir hierzu daher einige Ausführungen:
Kinderpornographie ist ein abscheuliches Verbrechen. Kinder werden missbraucht und anschließend wird der Missbrauch auch noch vermarktet und damit Geld verdient oder – was genauso schlimm ist – getauscht. Dabei werden die Opfer immer jünger; betroffen sind auch kleine, ja sogar kleinste Kinder. Selbstverständlich muss man diese Verbrechen an der Wurzel bekämpfen, die Kriminellen ergreifen und ihrem Tun ein Ende setzen.
Bei der Kinderpornographie geht es rechtlich grundsätzlich um zwei Komplexe:
Zum einen bedroht § 184b des Strafgesetzbuches (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften) all diejenigen mit Strafe,
• die kinderpornographische Schriften, wozu auch Ton- und Bildträger sowie Datenspeicher gehören, verbreiten,
• solche Schriften öffentlich ausstellen, anschlagen, vorführen oder sonst zugänglich machen oder
• die diese Machwerke herstellen, beziehen, liefern, vorrätig halten, anbieten, ankündigen, anpreisen, einzuführen oder auszuführen unternehmen.
Dies sind diejenigen, die kinderpornographische Inhalte ins Netz stellen. Hier genügt oft ein Hinweis an die Betreiber der Server, um dem Handeln ein Ende zu bereiten. In manchen Ländern allerdings bleibt dies leider fruchtlos.
Gemäß § 184b des Strafgesetzbuches gilt grundsätzlich aber auch, dass sich strafbar macht, wer es unternimmt, sich kinderpornographische Schriften – dazu gehören auch Dateien und das Betrachten von Bildern im Netz – zu verschaffen. Der Bundesgerichtshof hat dies folgendermaßen präzisiert: „Auch mit der bloßen Speicherung solcher Dateien im Cache-Speicher eines PC-Systems erlangt dessen Benutzer Besitz, weil es ihm möglich ist, jederzeit diese Dateien wieder aufzurufen, solange sie nicht manuell oder systembedingt automatisch gelöscht wurden" (BGH 1 StR 430/06 - Beschluss vom 10.10.2006). Entsprechend ist die Sperrung einer derartigen Seite als die Verhinderung einer Straftat zu qualifizieren. Dies unterscheidet diesen Fall z.B. von dem der Sperrung einer Seite, die vielleicht einen strafwürdigen Inhalt hat, wo es aber nicht strafbar ist, sie sich zu verschaffen.
Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist es unerträglich, dass wir in Deutschland bisher noch nicht umfassend gegen die in der zweiten Alternative genannte Beschaffung von kinderpornographischen Schriften vorgegangen sind. Die Bundesregierung hat darüber unter Federführung der BM’in Ursula von der Leyen in den letzten Wochen und Monaten intensive Gespräche und Verhandlungen mit der betroffenen Wirtschaft geführt. Dabei sind zwei Dinge deutlich geworden: Erstens sind die Access-Provider dazu bereit, den Zugang zu kinderpornographischen Inhalten zu erschweren und so die Beschaffungskriminalität einzudämmen. Fünf große Unternehmen haben sich inzwischen auf vertraglicher Basis dazu verpflichtet. Und zweitens brauchen wir eine gesetzliche Regelung. Lassen Sie mich deren wichtigste Punkte hervorheben:
• Alle großen Internetzugangsanbieter werden verpflichtet, durch geeignete technische Maßnahmen den Zugang zu kinderpornographischen Inhalten zu erschweren. Basis sind täglich aktualisierte Sperrlisten des Bundeskriminalamts.
• Aus präventiven Gründen wird gegenüber den betroffenen Nutzern über eine Stopp-Meldung klargestellt, warum der Zugang zu einem kinderpornographischen Angebot erschwert wird.
• Da mit den Regelungen gesetzgeberisches Neuland betreten wird, sollen sie innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten evaluiert werden.
Besonders wichtig ist mir, klar zu stellen, dass es sich bei der genannten Sperrliste und bei der Verpflichtung der Internet Provider, die auf dieser Liste enthaltenen Internet-Seiten zu sperren, eben nicht um eine Zensur des Internets handelt, bei der der Staat – aus welchen Gründen auch immer – einige Internetseiten sperren lässt, um seine Bürgerinnen und Bürgern mehr oder weniger willkürlich an der Nutzung des Internets zu hindern. Läge die Sache so, würde ich Ihre Bedenken – insbesondere hinsichtlich der Zusammenstellung der Sperrliste und ihrer Überprüfung – uneingeschränkt teilen und den Gesetzentwurf nicht unterstützen. Die Sache liegt aber anders, denn hier geht es um die Verhinderung von Straftaten gem. § 184b des Strafgesetzbuches.
In der öffentlichen Diskussion ist leider bisher nicht ausreichend verdeutlicht worden, dass die Einschränkungen des Zugangs und die Strafverfolgung sich nur auf die besondere Struktur des § 184b des Strafgesetzbuches beziehen, d.h. – wie schon oben gesagt – auf die Verschaffung der Kinderpornographie. Es ist nicht daran gedacht, ähnliche Maßnahmen auch bei anderen Rechtsverletzungen zu ergreifen, bei denen z.B. das Betrachten der Seite straflos ist und eine weitere Handlung – möglicherweise ein Download einer Datei – hinzutreten muss, um ein Rechtsgut zu verletzen.
Insofern bin ich fest davon überzeugt, dass dieses Gesetzesvorhaben die Grundrechte der Bürger nicht tangieren wird.
Es ist sehr schwer, konkret quantitativ zu beurteilen, ob und inwiefern dieses Gesetz den Konsum von Kinderpornographie und die Produktion von Kinderpornographie verhindert oder erschwert. Eine Patentlösung wird es nicht geben. Dies sollte uns aber nicht daran hindern, Maßnahmen zu ergreifen, die zumindest einige Straftaten verhindern. Das ist nicht perfekt, aber besser, als den Kopf in den Sand zu stecken.
Mir ist klar, dass das Gesetz kein Allheilmittel ist. Aber es ist ein weiterer Baustein in unserer Gesamtstrategie, die Kinder zu schützen und den Markt für Kinderpornographie soweit es geht auszutrocknen.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Fischer