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Frage von Karl-Jürgen H. •

Frage an Dirk Fischer von Karl-Jürgen H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Fischer,

nach dem Vertrag von Lissabon werden der Europäischen Union weitreichende Kompetenzen gegenüber den nationalen Gesetzgebungen eingeräumt. Es erinnert an die Kompetenzen des Bundes gegenüber den Ländern und gilt für zentrale staatliche Kompetenzen wie beispielsweise für das Straf- und Zivilrecht. Die Vorschriften über die - sehr umfangreichen - Kompetenzen des Europäischen Rats in der Europäischen Union bleiben dagegen weitgehend unverändert. Gleichwohl soll der Prozess der Demokratisierung in der EU damit abgeschlossen sein, sprich: beendet werden.

Nicht geändert wurde beispielsweise der §48c aus dem bisherigen EU-Vertrag. Damit können die Vertreter der Exekutive, also der Europäische Rat im vereinfachten Änderungsverfahren große Vertragsbestandteile und damit künftig auch hochkarätige Rechtsvorschriften aufheben oder ändern, wenn auch nur einstimmig – eigenmächtig. Die Zustimmung des Europäischen Parlaments ist dann nicht erforderlich. Was im alten EU-Vertrag berechtigt sein mag, ist im Vertrag von Lissabon völlig neu zu bewerten.

Bei aller Begeisterung über die europäische Einigung: Wie sehen Sie hier das Prinzip der Gewaltenteilung gewahrt und wie vereinbaren Sie Ihre Zustimmung zur diesem Vertragsbestandteil mit Ihrem persönlichen Selbstverständnis als Parlamentarier?

Und noch eine formale Frage: Die konsolidierte Fassung des Vertrags von Lissabon ist erst am 9. Mai im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden ist. Wie war Ihnen am 24. April ohne diese Unterlage die Abstimmung über Ratifizierung möglich?

Mit freundlichen Grüßen

Karl-Jürgen Hanßmann

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Sehr geehrter Herr Hanßmann,

vielen Dank für Ihre Frage, in der Sie Ihre Bedenken gegen den Lissabon-Vertrag und seine Ratifikation im Deutschen Bundestag zum Ausdruck bringen.

Wie in den meisten anderen EU-Ländern auch ist der Vertrag in Deutschland am 24. April 2008 vom Deutschen Bundestag in namentlicher Abstimmung verabschiedet worden. Dies geschah mit der dafür erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit. Einzig die Linksfraktion stimmte geschlossen mit Nein.

Der Reformvertrag selbst lag uns Abgeordneten als Gesetzentwurf der Bundesregierung seit dem 20. Februar 2008 vor, also gut zwei Monate vor der Abstimmung im Parlament. Alle Mitglieder des Bundestags hatten mithin genügend Zeit, sich mit diesem wichtigen Vertrag eingehend zu befassen. Zudem wurde in den öffentlichen Bundestagsdebatten und in allen Fachausschüssen ausführlich über das Vertragswerk diskutiert und das Für und Wider abgewogen. Letztlich entschied man sich aus gutem Grund dafür.

Maßgeblich ist nicht die "konsolidierte Fassung", bei der alle geplanten Änderungen bereits in das bestehende Vertragswerk integriert sind. Relevant ist der Vertragstext selbst, in dem allein die Änderungen am bestehenden Vertragswerk festgehalten sind, denn rechtstechnisch handelt es sich beim Vertrag von Lissabon um die Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft - jeweils in der Fassung des Vertrages von Nizza vom 11. Dezember 2000. Eine konsolidierte Fassung ist für die Entscheidungsfindung nicht relevant. Sie vermittelt lediglich den Eindruck, wie das Vertragswerk oder das Gesetz nach seiner Änderung aussehen wird.

Die Zustimmung zum Vertragswerk bedeutet keinesfalls eine "Selbstentmachtung" der Abgeordneten im Deutschen Bundestag, sondern im Gegenteil eine Stärkung der Rechte und Kompetenzen der nationalen Parlamente. Vor allem das Recht zur Subsidiaritätskontrolle der nationalen Parlamente gegenüber der EU-Kommission wird durch Inkrafttreten des Vertrages erheblich gestärkt. Das Subsidiaritätsprinzip beinhaltet, dass die EU nur Aufgaben wahrnimmt, die ihr von den Mitgliedstaaten vertraglich zugeordnet wurden. Es handelt sich somit um Aufgaben, die auf der nationalen Ebene nicht mehr optimal erledigt werden können. Liegt nun ein Verstoß gegen dieses Subsidiaritätsprinzip vor, können die nationalen Parlamente aufgrund des neuen Vertrages ein Verfahren zur Rücknahme des Verstoßes einleiten.

Mit freundlichen Grüßen

Dirk Fischer