Frage an Dirk Fischer von Kenan K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Fischer,
die Not der Zivilbevölkerung in Aleppo ist unermesslich. Die Vereinten Nationen, Menschenrechtsorganisationen, das Internationale Rote Kreuz und Journalisten berichten davon, dass Aleppo der schlimmste Kriegsschauplatz ist, den die moderne Zeit gesehen hat. Unter den Eingeschlossenen sind auch Hunderttausende Kinder. Die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln, Strom, Wasser ist nicht gewährleistet. Was tun Sie, Ihre Fraktion, die Bundesregierung dafür, dass die Versorgung mit Lebensnotwendigem gewährleistet wird? Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass ein Fluchtkorridor für Kinder, Alte und Kranke geschaffen wird. Aleppo dürfte so ausgebombt sein wie Dresden nach dem 2. Weltkrieg. In Aleppo ist ein Stück Kulturgeschichte untergegangen. Bitte tragen Sie dazu bei, dass den in Aleppo harrenden Menschen dieses Schicksal erspart wird.
Mit freundlichen Grüßen
Kenan Kacar
Sehr geehrter Herr Kacar,
vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de.
Deutschland stellt in diesem Jahr eine knappe Milliarde US-Dollar für humanitäre Hilfe für Syrien zur Verfügung und hat allein in Syrien und den von der dortigen Krise betroffenen Nachbarländern seit 2012 Hilfsmaßnahmen mit mehr als zwei Milliarden Euro gefördert. In Aleppo unterstützt Deutschland unter anderem Krankenhäuser und die Elektrizitätsversorgung, die für Trinkwasserpumpen entscheidend ist. Zudem hilft die Bundesregierung den Vereinten Nationen bei der Nahrungsmittelversorgung. Weitere humanitäre Maßnahmen finanziert Deutschland auch in anderen Regionen in Syrien, ebenso wie in den Nachbarländern.
Mit Ihrer Einschätzung der humanitären Lage in Aleppo liegen Sie leider richtig. Die syrische Zivilbevölkerung ist unübersehbar das größte Opfer der Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellengruppierungen in und außerhalb Aleppos. Schätzungsweise 250.000 Menschen sind im Ostteil der Stadt durch die Kämpfe eingeschlossen und von jeglicher Versorgung abgeschnitten. Berichte von dort noch tätigen internationalen Hilfsorganisationen machen die verheerende und menschenverachtende Lage in Aleppo deutlich. Nahrung, Wasser, Strom und Medikamente werden immer knapper oder sind bereits nicht mehr verfügbar, die medizinische Versorgung von Opfern ist nur noch begrenzt möglich. Medizinische Einrichtungen, u.a. auch solche die von Deutschland finanziell unterstützt werden, von den Kriegsparteien gezielt angegriffen. Diese systematischen Attacken auf Krankenhäuser haben humanitäre Lage in Syrien deutlich verschlechtert. Laut der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) wurden von der syrische Regierung alle Behandlungszentren für illegal erklärt hat, die Gewaltopfer in den Regionen versorgen, die von der Opposition kontrolliert werden. Bei Angriffen auf Gebiete des Gegners werden zivile Opfer billigend in Kauf genommen. Laut Rotem Kreuz garantiert keine Kriegspartei, dass Helfer in der Stadt unbeschadet ihre Arbeit tun könnten. Das ist ein eindeutiger Verstoß gegen internationales Recht.
Die Vereinten Nationen haben auf die gegenwärtige humanitäre Katastrophe bereits deutlich aufmerksam gemacht und, hinweisend auf die bestehende Waffenstillstandsvereinbarung, ein Ende der Belagerung durch die syrischen Regierungstruppen gefordert. Die bislang von Russland in Aussicht gestellten Fluchtkorridore wurden entweder nicht eröffnet oder haben sich als unwirksam erwiesen. Letzte Woche hat sich dann Russland zu einer 48-stündigen Feuerpause in Aleppo bereit erklärt, was ich persönlich als ersten Schritt sehr begrüße. Lieferungen könnten bereits diese Woche beginnen. Die Bundesregierung hatte sich im Vorfeld aktiv in Gespräche mit den Vereinten Nationen, den USA und mit Russland eingebracht, um eine Lösung zu finden, wie die dringend benötigte humanitäre Hilfe nach Aleppo geliefert werden könnte. Letzte Woche hat beispielsweise der deutsche Bundesaußenminister die zivile Notlage in Aleppo zum Gegenstand der Gespräche mit seinem russischen Kollegen gemacht.
Die Bundesregierung wird sich auch weiter um eine Lösung des Konflikts und der humanitären Problematiken bemühen. Denn sie hat in den letzten Wochen mehrfach und in aller Deutlichkeit ein Ende des Tötens in Aleppo gefordert und an den syrischen Präsidenten und Russland appelliert, sich den humanitären Mindestforderungen nicht zu verweigern.
Ich hoffe sehr, dass es mittelfristig zu einer dauerhaften Feuerpause kommt und internationalen Hilfsorganisationen ein sicherer Zugang ermöglicht wird.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Fischer