Frage an Dirk Fischer von Thomas K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Fischer,
in diesem Jahr wird im Bundestag über eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe beraten. Mich würde interessieren, ob Sie einem der vier vorliegenden Entwürfe zustimmen, und wenn ja, welchem. Alle diese Entwürfe beinhalten Einschränkungen gegenüber der bestehenden Rechtslage, nach der eine Beihilfe zur Selbsttötung nicht strafbar ist. Ist es notwendig, daran etwas zu ändern und wenn ja, warum? Sollte der Staat einen Menschen, der dies nicht will, mittels Gesetzgebung zum (Weiter-)Leben zwingen können? Weche Güterabwägung ist hier anzuwenden?
Sehr geehrter Herr Köller,
vielen Dank für Ihre Frage über abgeordnetenwatch.de und Ihr Interesse an der Thematik der gesetzlichen Entwurfsregelung zur Sterbebegleitung. Ich habe mich bereits vor geraumer Zeit für den Entwurf der Kollegen Brand (CDU/CSU), Griese (SPD), Vogler (Die Linke) und Dr. Terpe (Bündnis 90/Die Grünen) entschieden, der sich auf die "Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" (Drucksache 18/5373) bezieht.
Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfes ist es, die Entwicklung der Beihilfe zum Suizid (assistierter Suizid) zu einem geschäftsmäßigen Dienstleistungsangebot der gesundheitlichen Versorgung zu verhindern und mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe zu ahnden. Diese Intention unterstütze ich. Denn in Deutschland nehmen nachweislich Fälle zu, in denen Vereine oder auch einschlägig bekannte Einzelpersonen die Beihilfe zum Suizid anbieten, beispielsweise durch die Gewährung, Verschaffung oder Vermittlung eines tödlichen Medikamentes. Dadurch droht eine gesellschaftliche „Normalisierung“, ein „Gewöhnungseffekt“ an solche organisierten Formen des assistierten Suizids, einzutreten. Insbesondere alte und/oder kranke Menschen können sich dadurch zu einem assistierten Suizid verleiten lassen oder gar direkt oder indirekt gedrängt fühlen. Ohne die Verfügbarkeit solcher Angebote würden sie eine solche Entscheidung nicht erwägen, geschweige denn treffen.
Der Entwurf meiner Kollegen kriminalisiert ausdrücklich nicht die Suizidhilfe, die im Einzelfall in einer schwierigen Konfliktsituation gewährt wird. Ein vollständiges strafbewehrtes Verbot der Beihilfe zum Suizid, wie es in einzelnen anderen europäischen Staaten besteht, ist politisch von den Antragsstellern nicht gewollt und wäre mit den verfassungspolitischen Grundentscheidungen des Grundgesetzes kaum zu vereinbaren. Angehörige oder andere dem Suizidwilligen nahestehende Personen machen sich nicht strafbar, wenn sie lediglich Teilnehmer an der Tat sind und selbst nicht geschäftsmäßig handeln. Damit ist eine deutliche Abgrenzung der organisierten Beihilfe zur Selbsttötung von der Beihilfe im privaten Kontext gezogen. Diese Sichtweise unterstütze ich.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Fischer