Frage an Dirk Fischer von Sönke N. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Fischer,
wie stehen Sie zur Vorratsdatenspeicherung? Denn es ist doch so, dass die VDS die gesamte Bevölkerung unter Generalverdacht stellt. Und die Argumentation, dass dadurch Verbrechen verhindert werden können stimmt insofern nicht, da sämtliche Rechtsmittel schon jetzt eine gezielte Überwachung verdächtiger Personen per Gerichtsbeschluss ermöglicht. Dieses Instrument wird seit je her auch entsprechend eingesetzt. Sei es nun bei der Überwachung von Telefonen, direkte Observierungen oder auch per Internet. Zusätzlich zeigt die Vergangenheit (wie z.B. Frankreich, wo es die VDS bereits gibt), dass Attentate keineswegs durch Vorratsdatenspeicherung verhindert hätten werden können. Denn wer wirklich etwas kriminelles plant, kann das ganz einfach durch den Einsatz von Verschlüsselungen tun. Ohne viel Aufwand lassen sich sämtliche Kommunikationen nicht nur verschlüsseln, sondern sogar etwaige personenbezogene Daten die Rückschlüsse auf Ort, o.ä. zu einer Person geben umgehen. Somit steht die VDS in gar keinem Verhältnis mehr, da sich genau die Personen die man angeblich überwachen will, der Überwachung einfach entziehen können.
Das Thema VDS hat u.a. Herr Sascha Lobo ebenfalls schön einmal durchleuchtet:
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/sascha-lobo-wehren-sie-sich-gegen-vorratsdatenspeicherung-a-1028751.html
Und zusätzlich empfehle ich zwei schöne Videos zu diesen Thema:
https://www.youtube.com/watch?v=D2KrR0FxCi0
https://www.youtube.com/watch?v=iHlzsURb0WI
Sollten Sie also daher entgegen meiner Erwartungen der VDS positiv gegenüber eingestellt sein, würde mich diesbezüglich Ihre Argumentation die für eine VDS sprechen sehr interessieren.
Vielen Dank für Ihre Zeit und viele Grüsse,
Sönke Neise
Sehr geehrter Herr Neise,
vielen Dank für Ihre Mail und Ihre Ausführungen zum Thema der sog. "Vorratsdatenspeicherung" (VDS). Im Mittelpunkt des geplanten Gesetzesentwurfs soll die bessere Bekämpfung terroristischer Straftaten und schwerer Kriminalität stehen. Hier geht es um schwerwiegende Rechtsverletzungen, bei denen es oft keine anderen erfolgversprechenden Ermittlungsansätze gibt.
Nur wenn ganz bestimmte Voraussetzungen in dem Gesetzesentwurf erfüllt sind, die ich Ihnen im Folgenden gerne erläutere, sehe ich mich imstande, dem Vorschlag zuzustimmen.
So erfordert die geplante gesetzliche Regelung eine Abwägung zwischen Freiheits- und Sicherheitsaspekten, deren Gewährleistung gleichermaßen zu den Aufgaben des Staates gehören. Ich versichere Ihnen: Das in der EU-Grundrechtecharta verankerte Grundrecht auf Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten hat auch für mich einen hohen Stellenwert.
Richtig ist, dass in der angeordneten Speicherung von Verbindungsdaten und im Einzelfall erfolgenden Kenntnisnahme von Kommunikationsdaten ein mittelbarer Grundrechtseingriff liegt, der klare Regeln zu Datensicherheit, Umfang der Datenverwendung, Löschung, Transparenz und Rechtsschutz erfordert und der sorgsam gegenüber der staatlichen Pflicht zur Strafverfolgung bei begangenen Straftaten sowie zum Schutz der Bürger vor Straftaten den Zwecken der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr abgewogen werden muss.
Erfahrungsgemäß ist der Nutzen der Vorratsdatenspeicherung größer als die von ihr ausgehenden Gefahren, zumal es nicht um die Speicherung von Inhalten geht. Dies umso mehr, wenn – wie vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz vorzulegen ist – die Nutzung der gespeicherten Verbindungsdaten in eine sprachlich unmissverständliche gesetzliche Regelung unter Beachtung der Maßgaben des EuGH und des BVerfG einfließen wird. Klare Regeln zu Datensicherheit, Umfang der Datenverwendung, Löschung, Transparenz und Rechtsschutz werden erforderlich sein. Ein diffuses Gefühl von Bedrohung und Überwachung wäre freiheitswidrig und darf nicht entstehen.
Die Wiedereinführung der Speicherung von Verbindungsdaten ist alternativlos. Praktiker aus den Ermittlungsbehörden sowie die meisten Innenminister der Länder weisen uns auf die Notwendigkeit der Speicherung von Verbindungsdaten hin. Bei der Aufklärung von Gewaltverbrechen wie Mord, Totschlag oder Vergewaltigung hilft die Vorratsdatenspeicherung in besonderem Maße. Das gleiche gilt bei der Verfolgung terroristischer Verbrechen, zur Namhaftmachung von Mitgliedern terroristischer Netzwerke oder von solchen in der Organisierten Kriminalität.
Telekommunikationsverbindungsdaten spielen aber auch bei der Aufklärung von schweren Straftaten eine wichtige Rolle, bei denen das Internet als Tatmittel genutzt wurde, zum Beispiel bei der strafrechtlichen Verfolgung der Kinderpornographie. In diesen Fällen ist die aufgezeichnete IP-Adresse oftmals der erste und zunächst einzige erfolgversprechende Ermittlungsansatz für weitere Maßnahmen und daher unverzichtbar.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will die Bürger bestmöglich schützen und befürwortet daher eine gesetzliche Grundlage für die Speicherung von Verbindungsdaten. Es geht dabei vor allem um Daten, die die Telekommunikationsunternehmen schon heute zum Beispiel für die Telefonrechnung speichern. Die Übermittlung und Verwendung dieser Daten durch staatliche Ermittlungsbehörden darf nur anlassbezogen erfolgen. Sie setzt den Verdacht einer gesetzlich definierten Straftat oder konkreten Gefahr voraus. Ohne einen solchen Anlass – also in aller Regel - werden die Daten nach der festgesetzten Frist ohne weitere Nutzung schlicht bei den Providern gelöscht; keine staatliche Stelle bekommt sie jemals zu sehen. Damit besteht ein entscheidender Unterschied gegenüber Datensammlungen von Google, Facebook, Payback etc., die die Daten in ihrer Gesamtheit gerade zu dem Zweck erheben, diese umfassend z.B. zu Werbezwecken auszuwerten und möglichst viel über möglichst viele Nutzer zu erfahren.
Es muss daher gelingen, die notwendige und gebotene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu wahren. Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof haben der Vorratsdatenspeicherung nicht generell eine Absage erteilt, sondern einen Rahmen für eine rechtliche Regelung gesetzt. Die grundrechtssensiblen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts wollen wir jetzt zügig umsetzen.
Die Leitlinien zur Einführung einer Speicherpflicht sehen dementsprechend vor, dass die IP-Adressen und Verbindungsdaten höchstens zehn Wochen gespeichert werden dürfen. Nach Ablauf der Speicherfrist müssen die Daten sofort gelöscht werden. Hält sich ein Provider nicht daran, wird dies mit einem Ordnungsgeld belegt. Komplett von der Speicherung ausgenommen werden sollen E-Mails. Standortdaten sollen maximal vier Wochen gespeichert werden. Auf sie darf nur vereinzelt zugegriffen werden; Bewegungsprofile sind nicht möglich. Die Daten müssen im Inland gespeichert werden. Nur zur Klärung schwerer Straftaten darf auf die Daten zugegriffen werden. Berufsgeheimnisträger werden besonders geschützt. Bei der Speicherung der Daten gilt die höchste Sicherheitsstufe für Provider. Um Strafbarkeitslücken zu schließen, wird zudem die „Datenhehlerei“ unter Strafe gestellt werden. Weiterhin ist vorgesehen, dass die Daten nur mit richterlicher Erlaubnis abgerufen werden dürfen. Betroffene sollen zudem grundsätzlich informiert werden. Die Ausnahme von Berufsgeheimnisträgern, die Beschränkung auf sehr schwere Straftaten, sehr klare Regelungen zum Datenschutz und zur Datensicherheit und beschränkte Speicherfristen sind richtig und notwendig.
Hier noch einmal die Fakten in einem Überblick über das, was im Rahmen der VDS geregelt werden soll:
• VDS umfasst in keinem Fall die Speicherung von Inhalten; niemand lauscht, liest mit oder hält den Inhalt von Mails, SMS oder Telefonaten fest!
• Es geht bei der VDS um die vorläufige Sicherung von Verbindungsdaten einschließlich Funkzellen-angaben. Letztere sollen nach den vereinbarten Leitlinien nur zu Beginn einer Kommunikation, nicht etwa fortlaufend gesichert werden. Außerdem sollen nach den Leitlinien IP-Adressen zum Datenkranz gehören, die allerdings nur punktuell abgefragt werden sollen, etwa wenn aufgrund von Vorermittlungen bekannt ist, dass sie zum verbotenen Abruf von Daten (zB kinderpornografischer Inhalte) genutzt worden sind. Es ist vorgesehen, dass die Verbindungsdaten von E-Mails vollständig ausgenommen werden.
• Die Speicherfrist soll 10 Wochen betragen, Funkzellenangaben sollen bereits nach 4 Wochen gelöscht werden. Verbindungsdaten von Berufsgeheimnisträgern werden von dem Abruf ausgenommen.
• Die Daten werden nicht etwa bei einer staatlichen Stelle zusammengeführt, sondern verbleiben ohne jegliche besondere Aufbereitung und dezentral bei den Providern, bei denen sie entstehen.
• Die Übermittlung und Verwendung der Daten durch staatliche Behörden setzt den Verdacht einer schweren Straftat wie etwa Mord, Totschlag, Kinderpornografie, besonders schwere Fälle des Landfriedensbruchs oder terroristische Taten voraus. Ohne einen solchen Anlass - d.h. in aller Regel! werden die Daten nach der festgesetzten Frist ohne weitere Nutzung schlicht bei den Providern gelöscht; keine staatliche Stelle bekommt sie dann jemals zu sehen.
• Damit unterscheidet sich die VDS entscheidend gegenüber Datensammlungen etwa von Google, Facebook, Payback etc., die die Daten in ihrer Gesamtheit gerade zu dem Zweck erheben, diese umfassend z.B. zu Werbezwecken auszuwerten und möglichst viel über möglichst viele Nutzer zu erfahren.
• Eine Übermittlung von Verbindungsdaten an staatliche Behörden setzt im Einzelfall eine richterliche Entscheidung voraus.
• weitere Regeln werden die Transparenz gegenüber dem Betroffenen und die Datensicherheit betreffen; insbesondere soll die Datenspeicherung in Deutschland und die Löschung nach Ablauf der festgelegten Frist geregelt werden.
• Weitere Details der Einigung finden Sie auf der Homepage des Bundesministerium des Innern (http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/Sicherheit/SicherheitAllgemein/leitlinien-vorratsdatenspeicherung.html) sowie auf der Homepage des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz ( http://www.bmjv.de/DE/Themen/InternetundDatensicherheit/Hoechspeicherfrist/_doc/_doc.html?nn=3433226 ).
Ich hoffe, dass ich Ihnen meine Position mit diesen Informationen verdeutlichen konnte und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Dirk Fischer