Frage an Dirk Fischer von Annette-C. D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag, Herr Fischer,
vor Wahl des Bundestags möchte ich mir ein besseres Bild von den künftigen Volksvertretern machen.
Unsere Politik begeht sehr viele Rechtsbrüche. Sie bleiben ungeahndet, weil wir Bürger nicht die Möglichkeit haben zu klagen und SIE – als unsere Vertreter – bisher unsere Rechte nicht wahrnehmen.
Insbesondere meine ich den Bruch des Maastrichter Abkommens, nach dem kein Staat dem anderen aus einer finanziellen Notlage helfen darf. Der Euro war ja aus gutem Grund so und nicht anders konzipiert worden. Er war auch nur deshalb zeitweise so stark, weil diese Regel großes Vertrauen schaffte. Die Regel suggerierte, dass sich jeder Teilnehmer des Währungsverbunds selbst anstrengen muss, um im Euro bestehen zu können. Dieses Bekenntnis zur Selbstdisziplin schuf Vertrauen.
Mit dem Bail-Out (Griechenland) war dieses Vertrauen weg. Seitdem konnte es auch nicht wieder hergestellt werden. Sämtliche Rettungsmaßnahmen liefen ins Leere und machten die Lage in den Schuldenländern und in unserem Land nur noch schlimmer.
Danach nahm man es auch mit anderen Regeln nicht mehr so genau.
Unsere Währung verkommt, unsere finanzielle Lage verschlechtert sich.
Unsere Volksvertreter scheint es nicht zu interessieren.
Wie also werden SIE sich in der nächsten Legislaturperiode verhalten?
Werden auch SIE dazu beitragen, dass weiter Recht und Verträge gebrochen werden? Oder werden SIE Ihre Stimme bei einem weiteren Hilfspaket (egal für wen) verweigern mit dem Hinweis auf geltendes Recht und darauf, dass diese Hilfspakete ohnehin lediglich den Banken und ihren Anlegern zu weiteren lukrativen Gewinnen verhelfen, die ohne unsere Krise gar nicht möglich wären? So, wie es schon jetzt einige wenige Abgeordnete tun?
Für MICH ist die Beantwortung der Euro-Frage wahlentscheidend und deshalb bitte ich Sie um eine ehrliche Antwort.
An dieser Antwort werde ich Sie und Ihre Arbeit dann in den nächsten 4 Jahren messen.
Vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen
Annette-C. Delinicolas
Sehr geehrte Frau Delinicolas,
vielen Dank für Ihre Frage zur Euro-Rettungspolitik. Es ist richtig, dass der vom damaligen Finanzminister Theo Waigel erarbeitete und gegen Widerstände durchgesetzte Stabilitäts- und Wachstumspakt die Mitgliedstaaten zu solider Haushaltsführung verpflichtete (und noch heute verpflichtet)! Im EU-Vertrag wurde der vielzitierte Art. 125 eingefügt, die sogenannte "no-bail-out"-Klausel. Damit war nach dem EU-Vertrag die Übernahme von Schulden anderer Mitgliedstaaten untersagt. Die Staaten der Euro-Zone haben deshalb durch die Schaffung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ein Instrument außerhalb der Euro-Zone gewählt, um den Ländern, die in Schwierigkeiten stehen, zu helfen.
Der Stabilitätspakt war als scharfe Waffe gegen die Staaten gedacht, die zu viele Schulden machen. Leider war Deutschland unter der Regierung Schröder das erste Land, das diese Vorgaben nicht einhielt, und es war in der Folge auch die rot-grüne Bundesregierung, welche die EU-Kommission daran hinderte, eine Strafe gegen Deutschland zu verhängen. Insofern trägt Rot/Grün Mitschuld daran, dass andere Euro-Länder die ursprünglich verabredete Haushaltspolitik nicht eingehalten haben. Durch die Einführung der "Schulden-Bremse", den "Fiskalpakt" sowie das "Europäische Semester" haben wir auf EU-Ebene neue Instrumente geschaffen, mit denen wir die ursprüngliche Stabilitäts-Idee wieder gestärkt haben.
Die Euro-Rettungspolitik kann auch bereits erste Erfolge vorweisen. Irland ist nach zwei Jahren harter Reformen bereits wieder erfolgreich an den Kapitalmarkt zurückgekehrt. Auch in Portugal hat sich die Situation erheblich entspannt und für Griechenland sind die Risikoaufschläge am Kapitalmarkt deutlich gesunken. Gleichwohl stehen in einigen Ländern wie Griechenland, Spanien und Frankreich noch schmerzhafte Anpassungsprozesse bevor. Schließlich ist das zugrundeliegende Problem der Staatsschuldenkrise nicht die gemeinsame Währung, sondern ein Mangel an Wettbewerbsfähigkeit in vielen europäischen Staaten. Dieses Problem wird nun entschlossen angegangen.
Ob in der Zukunft weitere Hilfsmaßnahmen notwendig sein werden, bleibt abzuwarten. Voraussetzung für alle Hilfsmaßnahmen ist und bleibt, dass die vereinbarten Reformen vollständig umgesetzt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Fischer