Frage an Dirk Fischer von Ulf K. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Fischer,
vor dem Hintergrund der bis zum 6. April von der deutschen Bundesregierung umzusetzenden EU-Richtlinie zur Regelung des Opferschutzes von Menschenhandel möchte ich Sie um Ihre persönliche Einschätzung bitten hinsichtlich der zu erwartenden Vor- und Nachteile einer möglichen (mittel- bis langfristigen) Aufenthaltsgenehmigung der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostition und die sich hieraus ergebenden (kurz- und langfristigen) Auswirkungen auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, Strafverfolgung und Arbeit von Polizei und Justiz, zu erwartender Kosten, Reputation im europäischen und internationalen Kontext, usw.
Welche anderen Maßnahmen halten Sie zur effektiven Eindämmung von Menschenhandel für besonders zielführend?
Für Ihre Zeit und die Beantwortung dieser Frage bedanke ich mich vorab und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Ulf Krause
Sehr geehrter Herr Krause,
vielen Dank für Ihre Frage. Um eine sinnvolle Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels zu erreichen, bedarf es dringend der Regulierung der Prostitution in unserem Land. Sie ist eine notwendige Voraussetzung, um die Opfer schützen zu können, denn sie müssen erkennbar werden.
Bei Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung wie auch bei Zwangsprostitution handelt es sich um sogenannte Kontrolldelikte. Das heißt, diese Fälle werden nicht durch Anzeigen, sondern nur durch staatliche Eingriffe aufgedeckt. Ohne rechtliche Handhabe der Ordnungs- und Polizeibehörden ist jedoch eine Kontrolle der Prostitutionsstätten derzeit nicht möglich.
Die Frauen müssen ferner dem Zugriff ihrer Zuhälter entzogen und aus dem Dunkelfeld der Prostitution herausgelöst werden. Eine verpflichtende Gesundheitsuntersuchung kann dazu führen, dass Frauen sich im Vier-Augen-Gespräch ihrem Arzt anvertrauen. Dies kann mit einer Beratung über einen Ausstieg und über die eigenen Rechte einhergehen.
Nichts selten werden kriminelle Menschenhändler freigesprochen, weil gepeinigte Frauen aus Angst vor ihrem Zuhälter ihre Aussagen in der Gerichtsverhandlung wieder zurücknehmen. Deswegen muss der Straftatbestand des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (§ 232 Abs. 1 StGB) geändert werden. Die Aussage der Opfer sollte - wie in Frankreich und Österreich bereits Praxis - nicht mehr Voraussetzung für eine Verurteilung sein.
Zum Schutz der Frauen brauchen wir auch dringend einen gesetzlichen Mindeststandard zum Betrieb von Bordellen mit Zuverlässigkeitsüberprüfung für deren Betreiber. Nur spontane Kontrollen schützen die Frauen vor Ausbeutung und Misshandlung. Dazu muss die Polizei bundesweit auch das Recht bekommen.
Wenn die Umsetzung der EU-Richtlinie in Kombination mit einer Regulierung der Prostitution in Deutschland vor der Bundestagswahl nicht mehr möglich ist, dann muss dies unverzüglich danach angegangen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Fischer