Frage an Dirk Fischer von Ulrich K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Fischer,
meines Erachtens ist verstärkt das Phänomen zu beobachten, dass Bürger sich gegen die Ergebnisse der von ihnen als intransparent erlebten politischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse wenden. Ganz unterschiedlich gelagerte, in diesem Punkt aber nach meiner Wahrnehmung eng verwandte Beispiele sind die Bildungsreform in Hamburg, Stuttgart 21, die "Gauck for President"-Kampgane im Internet oder jetzt die Assymetrie zwischen Politik und nicht unbedeutenden Teilen der Bevölkerung in der Sarrazin-Diskussion.
Stimmen Sie einer solchen Einschätzung zu? Und wenn ja: Sehen Sie darin auf längere Sicht eine Bedrohung für unsere Demokratie, falls es eine Art "Parallelparlament" gibt, in dem die Bürger mithilfe moderner Kommunikationsmittel eigene Interessengemeinschaften bilden und sich quasi unter Umgehung der gewählten Abgeordneten medial selbst vertreten?
Mit freundlichen Grüßen,
Ulrich Keilholz
Sehr geehrter Herr Keilholz,
vielen Dank für Ihre Frage. Protestkundgebungen oder die Bildung von Bürgerinitiativen sind in einem demokratischen Staat nichts Ungewöhnliches. Das hat es auch in der Bundesrepublik Deutschland schon immer gegeben. Noch recht neu sind allerdings die vielen Möglichkeiten auf elektronischem Wege von seinem Recht der freien Meinungsäußerung Gebrauch zu machen oder sich zu Interessengruppen zu organisieren, wie beispielsweise in Internetforen. Auch die massenhafte Mobilisierung von Menschen geht heutzutage durch E-Mail, SMS, Twitter usw. viel einfacher und schneller als früher.
Ich sehe diese neue Art der Meinungskundgebung und Vernetzung aber in keiner Weise als eine Bedrohung unserer Demokratie an. Sie trägt vielmehr zu einer Belebung der politischen Diskussion bei und erleichtert es Politikern Sorgen und Nöte in der Bevölkerung schneller und besser wahrzunehmen. Letztendlich verbleibt die Entscheidungskompetenz aber bei den demokratisch gewählten Abgeordneten, denn die Rechte und Pflichten der Parlamente bleiben bestehen. Allerdings wird sich die Demokratie insgesamt an die vielen neuen Kommunikationsformen in der Gesellschaft gewöhnen müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Fischer