Frage an Dirk Behrendt von Inge Bartke- A. bezüglich Recht
Lieber Herr Behrend,
leider ist meine mail an frieke usw. nicht weitergekommen. Mich entsetzt die Aufgabe der eigenen Kanzlei durch die Rechtsanwältin Seyran Ates vor wenigen Tagen aufgrund massiver Bedrohung ihrer Klientin u. ihrer Person. Sie wissen, dass sie bereits 1984 Opfer eines Attentats gewesen ist. Als Mitbürgerin, die Frau A. als sehr kompetent auch auf einer Tagung erlebte, frage ich, wie haben Berliner Juristen auf diese "Niederlage" reagiert, wie kann sich der Protest auch von Nicht- Juristen wirksam melden? Für eine beratende Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar
Mit freundlichen Grüßen.
Inge Bartke-Anders.
Zunächst möchte ich mich dafür entschuldigen, dass es Ihnen nicht möglich war, Ihre mail an frieke@gruene-berlin.de zu senden. Wir hatten einen kurzfristigen Serverausfall, der aber zwischenzeitlich behoben wurde.
Auch mich hat die Aufgabe der Rechtsanwaltstätigkeit durch Frau Ates sehr nachdenklich gestimmt. Es ist immer erschreckend, wenn engagierte Kollegen und Kolleginnen die Ausübung des Berufes aufgeben. Allerdings kann ich auch gut verstehen, wenn sie nicht "den Helden" geben wollen, gerade wenn sich Bedrohungen nicht nur gegen sie persönlich sondern auch gegen Familenangehörige richten. Was einen wirksamen Schutz vor Übergriffen angeht, ist abzuwägen, ob die Ausübung des Berufes unter permanentem Polizeischutz überhaupt noch möglich ist. Außerdem erweckten die öffentlichen Äußerungen von Frau Ates den Eindruck, dass ihr Entschluss felsenfest steht.
Auch die Gefährdung von RichterInnen - FamilenrichterInnen haben die höchste Todesrate aus allen richterlichen Bereichen - darf meiner Meinung nach nicht zu einer umfassenden Kontrolle des Gerichtseingangs führen. Anderenfalls würde viel von der zivilen Atmosphäre im Gericht - gerade für Kinder - zerstört. So gibt es beim Familiengericht Tempelhof/Kreuzberg weiterhin keine der Einlasskontrolle in Moabit (Strafgericht) vergleichbare Kontrollen.
Wie in Juristenkreisen die Nachricht der Aufgabe aufgenommen wurde, kann ich Ihnen noch nicht mitteilen, weil ich mich zur Zeit im Wahlkampfurlaub befinde. Ich habe deshalb noch keine Gelegenheit gehabt, mich mit Kolleginnen und Kollegen hierüber auszutauschen. Ich bin mir aber sicher, dass die Aufgabe von Frau Ates Gesprächsthema war und ist.
Um den zahlreichen bedrängten Frauen auch in Zukunft kompetent beizustehen und sie durchs Scheidungsverfahrens oder gar durch ein Strafverfahren - als Nebenklägerin - zu begleiten gibt es glücklicher Weise noch weitere, sehr engagierte Rechtsanwältinnen in Berlin, deren namentliche Empfehlung mir berufsbedingt untersagt ist. Allerdings geben Frauenorganisationen hier gern Auskunft.
Dirk Behrendt