Frage an Dietrich Hildebrandt von Uwe F. bezüglich Recht
Sehr geehrter Dr. Hildebrandt.
Die grüne Basis war ja für den Volksentscheid über die europäische Verfassung. Joschka Fischer an der Spitze war dagegen. Wie soll ich den Grünen da noch ein bisschen vertrauen, wenn ihr eigener Spitzenpolitiker so gleichgültig mit den Interessen der Menschen - selbst in der eigenen Partei - umgeht?
Zeigt das nicht genau, dass das Parteiensystem und die Gewissensfreiheit in Verbindung miteinander dem Wähler keinerlei Sicherheit geben, wohin der politische Kurs dann tatsächlich geht?
Ich bin für die Gewissensfreiheit, für die der einzelne Politiker vollständig alleine einstehen wiil und muss. Und ich will, dass die Bevölkerung selbst in die Pflicht genommen wird, indem sie sich überlegen kann, wofür sie sich einsetzen will. Dann haben es die Politiker leichter, unangenehme Entscheidungen wahrheitsgemäß zu vertreten, denn Volksentscheide verlangen nach den Hintergründen politischer Entscheidungen.
Ich will freie Politiker und Volksentscheide! Was tun Sie dafür?
Mit freundlichen Grüßen
Uwe Friedemann
Sehr geehrter Herr Friedemann,
bekanntlich haben sich die Grünen bisher in mehreren Beschlüssen dafür ausgesprochen, in der Bundesrepublik Volksbegehren und Volksentscheide einzuführen. Zum Beispiel in ihrem Vierjahresprogramm zur Bundestagswahl 1998:"Durch die Einführung von Volksbegehren und Volksentscheid wollen wir den Bürgerinnen und Bürgern mehr aktive politische Beteiligung ermöglichen." Wie Sie sicher wissen, sieht ja auch das Grundgesetz ganz allgemein ein solches Verfahren vor: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen...ausgeübt." Es gibt einen Gesetzentwurf der rot-grünen Koalition, der die Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene vorsieht. Dieses Gesetz braucht eine 2/3 Mehrheit im Bundestag. Es ist bisher nicht verabschiedet worden. In diesem Gesetzentwurf heißt es, daß der Bundestag in wichtigen Fragen einen Volksentscheid beschließen kann.
Aus der ganzen Logik dieses Vorschlags folgt meines Erachtens zwingend, daß über eine "europäische Verfassung" in einem Volksentscheid vom Wahlvolk entschieden werden muß. Ich war auch dafür, daß dies im Falle des aktuellen "europäischen Verfassungsvertrages" geschieht.
Es wird aber in dem Gesetzentwurf von Rot-Grün kein Automatismus festgelegt, sondern vorgeschlagen, daß der Bundestag jedesmal einen solchen Volksentscheid beschließen muß.Abgeordnete können also durchaus im konkreten Fall eine andere Meinung vertreten.
Das ist die Lage. Was dies nun für die Meinungsbildung in der Grünen Partei bedeutet, wenn Außenminister Fischer, der bekanntlich kein Wahlamt in der Partei bekleidet, aber natürlich "Spitzenkandidat" ist, hier die Position vertriit, daß es keines Volksentscheides bedarf, ist eine ganz andere Frage.