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Dietmar Nietan
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Frage von Thomas T. •

Frage an Dietmar Nietan von Thomas T. bezüglich Umwelt

Ich lese gerade im Spiegel Online, dass die Bundesregierung das eh schon dürftige Klimaschutzpaket in einer noch schwächeren Variante verabschieden möchte. Kein Kkimarat mehr. Kein Nachjustieren, wenn in Ressorts die Maßnahmen nicht ausreichen. Keine Ziele mehr für 2040 und 2050.
Im Artikel steht zwar, dass dies auf Veranlassung der Union abgeschwächt wurde, aber was planen Sie als SPD zu tun, um wenigstens diese Mini-Maßnahmen aus dem Klimagipfel abgesegnet zu bekommen? Ich bin schockiert, wie die aktuelle Regierung die Zukunft meiner Kinder mit den Füßen tritt.

Portrait Dietmar Nietan
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr T.,

ich dank Ihnen für Ihr Schreiben. Gerne antworte ich Ihnen auf Ihre Anfrage und nutze dies, um einige falsche Darstellungen in den Medien richtigzustellen.

Zunächst einmal muss unterschieden werden zwischen dem Klimaschutzprogramm 2030, welches am 20.09.2019 vom Kabinett vorgestellt wurde und dem ENTWURF des Klimaschutzgesetzes, welches als Bestandteil des Klimaschutzprogramms am 09.10.2019 auf den Weg gebracht wurde. Fakt ist, dass der Entwurf des Klimaschutzgesetzes genauso beschlossen wurde, wie es vor knapp drei Wochen angekündigt wurde.

Die Meldung des Spiegels, dass das Klimaschutzgesetz abgeschwächt worden sei, ist zu meinem Bedauern sehr irreführend. Der Spiegel hat den jetzigen Entwurf des Klimaschutzgesetzes mit dem Referentenentwurf des Umweltministeriums von Februar dieses Jahres verglichen. Jedes Gesetz wird zunächst als Entwurf von Seiten des entsprechenden Ministeriums in das Regierungskabinett eingebracht. So erfolgte dies auch Anfang des Jahres mit dem Klimaschutzgesetz. Dabei handelte es sich lediglich um den ersten Entwurf der Umweltministerin Svenja Schulze. Danach werden diese Entwürfe in den jeweiligen Ministerien und abschließend im Kabinett noch beraten und ggf. überarbeitet, sodass jedes Ressort dem Entwurf zustimmen kann. Fälschlicherweise haben die Medien nun den Eindruck erweckt, als sei das Klimaschutzgesetz gegenüber den Ankündigungen im Klimaschutzprogramm 2030, das in den Medien häufig bereits als zu schwach vorverurteilt wurde, noch weiter abgeschwächt worden. Dies ist schlichtweg falsch!

Fakt ist: Im Vergleich zum im Februar vorgelegten Referentenentwurf des Umweltministeriums haben sich die Kernelemente des Gesetzentwurfs nicht geändert. Zudem ist das Klimaschutzprogramm 2030 nachträglich nicht abgeschwächt worden, somit entspricht auch das Klimagesetz genau diesen Ankündigungen. Im Lichte der Beratungen im Klimakabinett wurden lediglich einige Vorgaben angepasst, für die es sehr gute Gründe gibt. Diese würde ich Ihnen gerne genauer erläutern, auch, weil es diesbezüglich einige Missverständnisse in den Medien gab und teilweise immer noch gibt.

Klimarat:
Eine in ursprünglichen Entwürfen vorgesehene „umfassendere“ Rolle des Expertenrates (Klimarat), wurde zurückgenommen, weil dies zeitlich effizienter ist. Wenn Ziele verfehlt werden, dann soll so schnell wie möglich gehandelt werden! Das bedeutet aber nicht, dass es keinen Klimarat geben wird. Die Aufgabe dieses Expertenrates wird es sein, die jährlich durch das Umweltbundesamt ermittelten Emissionsdaten zu überprüfen und innerhalb eines Monats zu bewerten. Dies bildet die Grundlage für das weitere Handeln. Hat die Expertenkommission eine Zielverfehlung für einen Sektor festgestellt, hat das zuständige Ministerium dem Klimakabinett binnen drei Monaten ein Sofortprogramm vorzulegen.

Nachjustierung:
Es ist auch nicht richtig, dass Ministerien nicht „nachjustieren“ müssten, wenn ihre vorgegeben Ziele verfehlt werden. Wenn sich in einem Wirtschaftsbereich, zum Beispiel im Verkehr oder bei den Gebäuden, abzeichnet, dass das jeweilige Klimaziel verfehlt wird, steht das zuständige Ministerium künftig in der Pflicht, Maßnahmen zur Nachsteuerung vorzulegen. Das betroffene Ministerium ist dann verpflichtet, ein Sofortprogramm zu erarbeiten, mit dem der eigene Zuständigkeitsbereich wieder auf Kurs kommt. Damit ist gesetzlich abgesichert, dass Deutschland seine Klimaziele in der Folge erreichen wird.

CO2-Ziel 2040:
Sie haben recht damit, dass das 2040-Ziel aus dem Gesetz gestrichen wurde. Anders, als in den Medien behauptet, ist der Grund aber nicht eine Aufweichung, sondern eine Verschärfung. Das 2040-Ziel, 70 % CO2 einzusparen, war nicht mehr aktuell, da es nicht ausreichend ist, um die Treibhausgasneutralität (Klimaneutralität) bis 2050 zu erreichen. Damit war es nicht mehr mit dem Pariser Klimaschutzabkommen vereinbar, weshalb es aus dem Entwurf des Klimaschutzgesetzes gestrichen wurde. Wir brauchen ein ambitioniertes Zwischenziel bis 2040, weil wir das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 sonst nicht erreichen werden. Weil es aus heutiger Sicht aber noch nicht auszumachen ist, welches Ziel bis 2040 notwendig und gleichzeitig realistisch sein wird, hat das Klimaschutzgesetz festgelegt, dass die jährlichen Minderungsziele in den Jahren nach 2030 bereits im Jahr 2025 fortgeschrieben werden. Mit der neuen Regelung im Klimaschutzgesetz wird also sichergestellt, dass die Zwischenziele zwischen 2030 und 2050 rechtzeitig gesetzlich festgelegt werden und zum langfristigen Ziel der Klimaneutralität 2050 passen.

CO2-Ziel 2050/Klimaneutralität:
Auch das langfristige Ziel der Treibhausgasneutralität (Klimaneutralität) bis 2050 wurde in keiner Weise aufgeweicht. Die Treibhausgasneutralität 2050 wurde lediglich von den Zielen in den Zweck des Gesetzes verschoben, also in § 1 des Gesetzes. Das ist genau richtig, denn dies ist der Zweck des Klimaschutzgesetzes: Treibhausgasneutralität 2050 zu erreichen und die Mechanismen zu schaffen, die dies gewährleisten. War die Treibhausgasneutralität vor einigen Monaten innerhalb der Regierung noch umstritten, ist es der SPD zu verdanken, dass sie jetzt ein gemeinsames Ziel der Bundesregierung ist.

Was wir als SPD nun tun, ist ganz klar; Wir wollen das Klimaschutzgesetz ohne Wenn und Aber. Die Regierung muss dem Parlament hierzu schnell den Entwurf zuleiten. Im parlamentarischen Verfahren werden wir genau darauf achten, dass das Ziel der Treibhausgasneutralität 2050 einschließlich der notwendigen Zwischenschritte gesetzlich fixiert wird. Den Gesetzentwurf werden wir im Parlament in einem transparenten Prozess sehr genau diskutieren und nachschärfen, wo dies notwendig ist. Wir werden zudem darauf achten, dass die Berichtspflicht der einzelnen Ministerinnen und Minister keine jährliche Veranstaltung alleine der Regierung wird, sondern im Parlament und in der Öffentlichkeit ausführlich diskutiert wird.

Bisher haben wir bereits eine Menge guter Maßnahmen vorgelegt. Wir werden unzählige Milliarden in den Schienenverkehr, ÖPNV, erneuerbare Energien, Infrastruktur, Verkehrswende, umweltfreundliche Heizungen etc. investieren. Alleine in den Sektoren Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft in den nächsten vier Jahren bereits mehr als 54 Milliarden Euro. Auch wurde bisher nur versucht, CO2 im Bereich der Energiewirtschaft einzusparen. Das Klimaschutzgesetz gibt sektorenscharfe Ziele vor, sodass jedes Ministerium an der Einsparung von CO2 nicht nur beteiligt, sondern zur Einhaltung auch verpflichtet ist, unabhängig davon, wer dann regiert. Das ist der Einstieg in eine völlig neue Klimapolitik, mit der wir unsere Klimaziele für 2030 und darüber hinaus einhalten werden.

Wir setzten auf eine Klimapolitik, die den sozialen Zusammenhalt nicht gefährdet. Die Grünen hingegen machen sich darüber keine Gedanken und setzen auf eine neoliberal-marktwirtschaftliche CO2-Steuer. Damit diese Steuer eine Lenkungswirkung entfalten könnte, müsste man den Preis für CO2 um mehr als 70 Euro pro Tonne erhöhen. Die Folge einer solchen Politik: letztendlich wären es doch Geringverdiener, welche die Hauptlast der CO2-Einsparung tragen müssten, weil überall steigende Preise eine drastische Senkung ihres Lebensstandards mit sich bringen würde. Gleichzeitig könnten Wohlhabende es sich leisten, so weiter zu leben, wie bisher, und für den Fall, dass diese die Grünen gewählt haben, sogar noch mit einem guten Gewissen. Ich sage, wir müssen Regulieren und Investieren, Verbieten und Gebieten, aber alles mit Vernunft. Nur so werden wir unsere Klimaschutzziele erreichen und gleichzeitig den gesellschaftlichen Zusammenhalt erhalten. Das ist für mich der einzig richtige Weg!

Auch wenn in der Öffentlichkeit und den Medien mithin größere Zweifel herrschen, ob die Maßnahmen der Bundesregierung wirksam genug sind, wird eines zurecht von vielen Seiten hervorgehoben: die Pflicht eines jeden Ministeriums, egal welcher Regierung, nachsteuern zu müssen, sobald die für jedes Jahr festgeschriebenen Ziele nicht erreicht werden. Selbst wenn die Maßnahmen, auf die wir uns in diesem Jahr noch verständigen werden, entgegen meiner Erwartung nicht wirksam genug sein sollten, wird so nachgebessert werden müssen, dass die Klimaziele auf jeden Fall eingehalten werden.

Mit freundlichen Grüßen
Dietmar Nietan

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