Frage an Dietmar Nietan von Karl H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Nietan,
momentan liefern sie sich als SPD ein Kopf an Kopf Duell mit den Grünen, wer als erster über die 20 Prozent-Grenze kommt, wie die SPD 2017 bei der BT-Wahl mit 20,5 Prozent http://www.wahlrecht.de/umfragen/index.htm .
Die Grünen haben damals 8,9 Prozent erreicht.
Grundrente knapp über dem Existenzminimum (HartzIV) nach mindestens 35-Beitragsjahren in der Rentenversicherung, Verpflichtende Organspende per Gesetz am Ende der Lebenszeit (Widerspruchslösung), Pflichtversicherung für alle Selbsständigen zur Rentenabsicherung...sind die "Blockbusters" oder Winnerthemen Ihrer Partei.
Der Wählerzustimmung haben diese Themen offenbar nicht Beihilfe geleistet.
Woran liegts bzw. mit welchen Themen wollen sie die Bürger noch begeistern?
Mit freundlichen Grüßen
K. H.
Sehr geehrter Herr Herzog,
Ich danke Ihnen sehr für Ihre Anfrage. Leider ist es eine Tatsache, dass die von Ihnen angesprochenen Themen bisher zu keiner merklichen Verbesserung der Umfragewerte der SPD geführt haben. Das sagt aber nicht unbedingt etwas darüber aus, wie wichtig diese Themen sind.
Die Grundrente ist eine Notwendigkeit, um das Risiko der Altersarmut zu senken und um die Lebensleistung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern endlich anzuerkennen, die ihr Leben lang viel gearbeitet und wenig verdient haben. Dafür kämpft die SPD genauso wie für höhere Löhne, die immer noch der beste Schutz vor Altersarmut sind.
Die Widerspruchsregelung zur Organspende ist noch nicht beschlossen. Ich verstehe auch nicht, warum Sie dies als SPD-Thema definieren?Gesundheitsminister Spahn ist kein SPD-Minister. Sie dürfen dieses Thema also gerne ebenso der CDU/CSU zuordnen. Neben dem Entwurf des Gesundheitsministers liegt ein zweiter Entwurf vor, der eine aktive Zustimmung zur Voraussetzung hat und von Abgeordneten aller Fraktionen unterstützt wird. Ich persönlich bin für eine Regelung der aktiven Zustimmung zur Organspende.
Im Armutsbericht warnt die Bundesregierung davor, dass viele Selbständige über keine ausreichende Altersvorsorge verfügen. SPD-Arbeitsminister Heil reagiert darauf mit der Altersvorsorgepflicht für Selbstständige, wonach Unternehmerinnen und Unternehmer abgesichert sein werden, die es bisher noch nicht sind. Dass Selbstständige nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, ist in anderen EU-Ländern unüblich. Mit der Rentenversicherungspflicht für Selbstständige wollen wir schließlich auch verhindern, dass die Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, in die Grundsicherung rutschen. Die Altersvorsorge soll entweder privat oder gesetzlich erfolgen.
Das SPD-Projekt Grundrente beispielsweise wird von großen Teilen der Deutschen befürwortet, dennoch steigen die Umfragewerte der SPD nicht. Woran liegt das?
In einer Demokratie muss jede verantwortungsvolle Partei Kompromisse schließen, ganz besonders wenn sie Regierungsverantwortung trägt. Doch gerade uns Sozialdemokraten wird genau dies immer wieder vorgeworfen und häufig sogar mit der Frage nach unserer Glaubwürdigkeit verknüpft. Wir sind aber nun einmal kein "Wünsch-Dir-Was-Verein" in der Opposition. Wenn die SPD beispielsweise Klimapolitik macht, dann kann sie eben nicht aus der Opposition heraus populäre, aber unrealistische Ziele zur sofortigen Abschaltung der Kohlekraftwerke aufstellen, was am Ende unzähligen Menschen ihre Arbeitsplätze kosten würde. Die Aufgabe der SPD ist es, die Einhaltung der Pariser-Klimaziele 2030 UND den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Industrie miteinander zu vereinbaren. Der Klimaschutz darf nicht zu einer Spaltung in unserer Gesellschaft führen, sondern muss gesamtgesellschaftlich vorangebracht werden. Für diese Art von Politik steht die SPD.
Wie man Menschen in Deutschland wieder für die SPD begeistern kann, wenn gute Ideen und große Erfolge (z.B. Mindestlohn, Grundrente, Tariflöhne, Hilfen für Familien etc.), die auch von einer breiten Mehrheit befürwortet werden, dafür anscheinend nicht ausreichen?
Jedenfalls werden wir nicht unser Fähnchen in den Wind hängen und unsere Regierungspolitik von Umfragewerten abhängig machen. Wir werden weiterhin für unsere Überzeugungen kämpfen und damit gute Politik machen. Ich bin mir sicher, dass genau das der richtige Weg ist, um die Menschen wieder für die SPD zu gewinnen. Um dies zu erreichen, brauchen wir viele engagierte Bürgerinnen und Bürger, die genau hinschauen und auch bereit sind, sich mit Inhalten auseinanderzusetzen. Außerdem ist jede und jeder eingeladen, selber bei uns mitzumachen.
Mit freundlichen Grüßen
Dietmar Nietan