Frage an Dietmar Nietan von Juergen V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Nietan,
in den Medien wurde publiziert, dass die SPD-Medienholding DDVG ihren Überschuss auf 8,2 Millionen Euro nach Restrukturierung der Madsack-Gruppe. steigerte. Schatzmeister Nietan freue sich auf vier Millionen der DDVG. (Quelle: 2018 MEEDIA GmbH & Co. KG vom 1.12.2017.)
Neben meiner Verwunderung darüber, dass eine ehemalige Arbeiterpartei zur Unternehmerpartei wurde, stellt sich mir die Frage ob bei vier Millionen Zusatzeinnahmen eine Erhöhung der Parteifinanzen über Anhebung der Obergrenze um 15 Prozent nötig ist?
Viele Rentner leben In Altersarmut und müssen zu Tafeln gehen oder Pfandflaschen sammeln um überhaupt einigermaßen über die Runden zu kommen.
In der SPD wird immer wieder betont, dass für sie zuerst das Land und dann die Partei kommt
Stehen sie weiter zu der Aussage ihrer Partei, dass zuerst das Land und dann die Partei kommt?
Mit bestem Dank für Beantwortung und freundlichem Gruß
J.V.
Sehr geehrter Herr V.,
gerne beantworte ich Ihre Frage.
Die Medienbeteiligungen der SPD sind beinahe so alt wie die SPD. Sie wurden noch im Kaiserreich aus sog. Arbeitergroschen aufgebaut, um (sozial-)demokratische Zeitungen zu schaffen und auch um die finanzielle Basis der SPD zu stärken. Die Sozialistengesetze von Reichskanzler Bismarck haben von Anfang an diese Errungenschaften bedroht. Der Erste Weltkrieg und die dann folgende Inflationskrise sowie die Weltwirtschaftskrise haben viele SPD-Unternehmen die Existenz gekostet. Von den Nazis wurden alle der SPD gehörenden Unternehmen im Handstreich enteignet. Nach dem Zeiten Weltkrieg erhielt die SPD nur Teile ihres Vermögens (oder dessen was davon noch übrig war) zurück, und in der DDR wurde die Enteignung der SPD durch das dortige Regime bis 1989 fortgesetzt.
Sie sehen hieraus vielleicht, dass es nicht so ist, dass eine „ehemalige Arbeiterpartei zur Unternehmerpartei wurde“, sondern dass die SPD-Unternehmen seit eh und je durch Kriege, Verfolgung und Verbot untrennbar zur deutschen Arbeiterbewegung und zur SPD gehören.
Die teilweise Finanzierung der SPD durch ihren Unternehmensbereich gehört damit übrigens auch zur historischen Realität der Parteienfinanzierung in der Bundesrepublik Deutschland. Lassen Sie es mich so sagen: Während sich die SPD traditionell weit überwiegend aus eigener Kraft finanziert (Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträge und Einnahmen aus den SPD-Unternehmen), sind CDU, CSU und FDP in viel stärkerem Maße von (Groß-)Spenden Dritter abhängig. Diese Struktur war dem Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung von 1992 bekannt, die jetzt Grundlage der Änderung des Parteiengesetzes ist.
Ich kann den von Ihnen postulierten Gegensatz zwischen einer Anhebung der staatlichen Teilfinanzierung für politische Parteien und dem Eintreten für sozial Schwache nicht teilen. Im Gegenteil: Die SPD wusste immer, dass nur ein starke Organisation derer, die in diesem Land mehr Gerechtigkeit erreichen wollen, am Ende diese Gerechtigkeit schaffen kann.
Gerade im Hinblick auf die Verbesserung der Situation der Rentner hat die SPD in den letzten Jahren und auch im aktuellen Koalitionsvertrag vieles erreicht: Als SPD haben wir in der Großen Koalition die Einführung einer Grundrente von 10% oberhalb des Grundsicherungsbedarfs für ältere Menschen durchgesetzt, die mindestens 35 Beitragsjahre oder Zeiten der Kindererziehung vorweisen können. Auch wird die so genannte Mütterrente ausgeweitet. Das sind erste Schritte zur Bekämpfung der Altersarmut. Um Altersarmut bei künftigen Rentnern möglichst zu vermeiden, werden wir noch in diesem Jahr die Rentenformel ändern. Das gesetzlich garantierte Rentenniveau wird auf 48 Prozent bis zum Jahr 2025 angehoben und damit auch dem heutigen Stand gesichert. Dabei wird gewährleistet, dass gleichzeitig auch der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigt. Um dies zu verhindern, werden bei Bedarf Steuermittel eingesetzt. Darüber hinaus werden in einer Rentenkommission der Bundesregierung weitere Vorschläge zur Verbesserung und Sicherung der Rente erarbeitet werden. Wir bleiben also am Ball.
Zum Schluss möchte ich noch auf Ihr Stichwort "Zuerst das Land, dann die Partei" eingehen: Während es in den letzten Wochen zwischen CDU und CSU, Seehofer und Merkel, nur Zank und Streit gab, hat die SPD sachlich und unaufgeregt praktikable Lösungen zur Beschleunigung von Asylverfahren durchgesetzt. Das sagt doch schon alles. Die SPD kann ihre Parteiinteressen zurücknehmen, wenn das unserem Land nützt. Ich würde mir wünschen, andere Parteien könnten das auch.
Ich hoffe, dass ich Ihre Frage zu Ihrer Zufriedenheit beantworten konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Dietmar Nietan