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Dietmar Bartsch
DIE LINKE
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Frage von Edgar R. •

Frage an Dietmar Bartsch von Edgar R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Bartsch,

herzlichen Dank an Sie für die Möglichkeit, zu einem wesentlichen Thema, Fragen stellen zu können!
Meine zwei brennendsten Fragen zum Friedensbeitrag: Wie können Sie sich in Gegenwart von unserer Generation, den negativen Politikwechsel gegenüber von Russland und China erklären? Und welche gegensteuernden Maßnahmen unternimmt Ihre Partei, z. B. im Bund, um eine brandgefährliche Konfliktsituation für die nahe Zukunft abzuwenden?

Diese Fragestellung beruht natürlich unter der Berücksichtigung von einigen bekannten Stolpersteinen und Reibungspunkten innerhalb der Ost-Westbe-ziehungen, welche zu den bekannten Gegenargumenten führten.

Wenn man diese einmal nach Ost-West gegeneinander aufrechnet, findet man erstaunlicherweise mehr irritierende Fakten auf Seiten des Westens.

Begleitgedanken zu den Fragen an Sie:
Besonders die älteren, „kriegsnäheren“ Generationen wundern sich, warum man seit einigen Jahren einen solchen offensichtlichen Politikwechsel durch die westliche Seite vollziehen konnte.
Ist es nicht so, dass die stetig gebrauchten Argumente von unserer Seite die Friedensbewegungen haben ermüden lassen?
Ist es nicht so, dass wir aus der Geschichte diese Form von kurzsichtigen Argumenten vor vielen Kriegsausbrüchen kennen?
Ist es nicht so, dass Beziehungspflege mehr hilft, als Vorhaltungen, Aufrechnungen, Einmischungen, Druck und ständig neue Sanktionen?
Ist es nicht so, dass man zur wahren Konfliktlösung, Ehrlichkeit und Akzeptanz vorweisen muss, um gemeinsam von einem Ausgangspunkt starten zu können??
Ist es nicht so, dass alleine der Wille zum Ziel eines gemeinsamen Friedens die entscheidende Basis bietet, ohne Voreinstellungen??
Warum haben die alten warnenden Sätze, wie z. B., „nie wieder Krieg“, ihre Greifbarkeit und Wirkung verloren?

In Hochachtung

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr R.,
gestatten Sie, dass ich Ihre beiden Fragen nacheinander abarbeite. In Ihren Begleitfragen tauchen Vermutungen und Überzeugungen auf, die ich teile.

Zur ersten Frage, wie der negative Politikwechsel gegenüber Russland und China erklärbar sei, gibt es ein ganzes Ursachenbündel. Während des Kalten Krieges hatten die Menschen immer auch die Atombombe vor Augen. Ronald Reagan und Michail Gorbatschow vereinbarten die ersten wirklichen Abrüstungsschritte. Heute ist vielen diese Zeit nicht mehr präsent. Politiker, die aktiv Entspannungspolitik betrieben haben, haben sich längst aus der aktiven Politik zurückgezogen oder leben nicht mehr. Die heutige Rhetorik der "westlichen Werte" wurde damals nicht gebraucht. Stattdessen sprach man von "Wandel durch Annäherung". Der Unterschied liegt auf der Hand. "Westliche Werte" heißt: Putin, Dich nehmen wir erst ernst, wenn Du die Politik machst, die wir für richtig halten. Aber das ist das Problem. Wladimir Putin wurde von dem Augenblick an dämonisiert, wo erkennbar wurde, dass er die Jelzinsche Politik des neoliberalen Ausverkaufs nicht fortsetzen wollte, sondern auf eine innere Stabilisierung Russlands orientierte. Auch artikulierte der russische Staat wieder außenpolitische Interessen, in der Hauptsache Sicherheitsinteressen, die vom Westen ignoriert worden sind. Als Beispiel denke man an die Raketenabwehrsysteme. Ich behaupte einfach, dass man im Westen davon ausging, dass Russland ewig ausgeplündert werden könnte und ohnehin keine eigenen Interessen mehr artikulieren würde. Dafür stand Jelzin und man kann es nicht verzeihen, dass es anders kam.

Bzgl. China sehe ich das ähnlich. Nach der Öffnungspolitik von Deng Xiaoping entwickelte sich die chinesische Wirtschaft zur "Werkbank der Welt". Das bedeutete große Leistungsbilanzüberschüsse, die China wiederum zu einem großen Teil in amerikanische Wertpapiere investierte, was einen Kapitalrückfluss in die USA bedeutete. Von diesem Model profitierten China und die USA gleichermaßen. "Reibungen" gab es nie wegen der Menschenrechtssituation, die einzige Ausnahme war die Niederschlagung der Demokratiebewegung im Sommer 1989. Zum "Problem" wurde China erst, als erkennbar wurde, dass es ökonomisch weitergehende Ambitionen hat, als ewig die Werkbank der Welt zu bleiben. Mit der "Neuen Seidenstraße" und ähnlichen Projekten strebt die Volksrepublik eine "Globalisierung made in China" an. Das ist der Konfliktkern mit dem Westen.

Was unternimmt nun meine Partei, um zur zweiten Frage zu kommen? Es geht darum, Kooperation der Konfrontation stets vorzuziehen. Es gibt Verhandlungen zwischen China und der EU über einen Marktzugang Chinas zur EU. Dabei ist es der EU auch gelungen, China Zugeständnisse abzuringen. So wird China einige ILO-Normen ratifizieren. Dafür gab es mal einen Slogan, ich habe ihn oben schon erwähnt: Wandel durch Annäherung. Ähnlich sehe ich das auch bzgl. Russland. Wenn wir blockieren, wird sich Russland vom Westen völlig abwenden und auf Asien orientieren. Dann gibt aus nichts mehr, was sich durch Gespräche oder Austausch ändern ließe. Wir benötigen mehr Handel, mehr kulturellen und wissenschaftlichen Austausch, mehr Jugendbegegnungen etc. So simpel das klingt: Wenn man erst einmal mit Menschen eines anderen Landes Freundschaften geschlossen hat, wird man das Land nicht mehr hassen können.
Das ist die Linie, die meine Partei fährt. Nun kann man fragen: Was ist mit den Menschenrechten? Ich würde sagen, dass man da optimistisch sein muss. Viel Kontakt bedeutet auch, dass Ideen ausgetauscht werden. Kein Land wird sich demokratischen Ideen gegenüber verschließen, wenn die Leute sehen, dass Demokratien funktionieren können. Aber man muss auch Geduld haben.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dietmar Bartsch

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