Frage an Dietmar Bartsch von Anita K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Lieber Herr Bartsch, ich bin in Sorge, weil immer mehr NGOs ihre Gemeinnützigkeit verlieren oder vom Verlust bedroht sind. (Attac, BUND, Campact, VVN, changeorg) Wir brauchen in unserer politischen Situation so dringend das Engagement der Zivilgesellschaft. Meine Frage ist, was Sie zu tun gedenken, um Räume für Engagement der Zivilgesellschaft zu schützen.
Mit freundlichen Grüßen
Anita Köth
Sehr geehrte Frau K.,
zunächst einmal teile ich Ihre Sorgen. Das bisherige rechtliche Instrumentarium, die Abgabenordnung (AO), hat Schwachstellen, nämlich § 51 Absatz 3 (bei VVN-BdA) und § 52 (etwa bei Attac und Campact). Durch § 51 Absatz 3 wird es möglich, dass die Erwähnung einer Organisation in Verfassungsschutzberichten bereits ausreicht, den Status der Gemeinnützigkeit zu versagen. Das Problem ist offensichtlich: Die Erwähnung in einem Verfassungsschutzbericht ist eine bloße Meinung von irgendwelchen Beamten, oftmals auf wissenschaftlich höchst zweifelhaften Bewertungsgrundlagen, die Rechtswirkung entfaltet. So ist es inakzeptabel, dass Antifaschismus bereits Ausdruck verfassungsfeindlicher Bestrebungen sein soll.
Bei Attac und Campact ist die Sachlage eine andere. Grundlage ist hier § 52, der eigentlich unproblematisch klingt. Allerdings wurde er durch einen Anwendungserlass nachinterpretiert. Hier wird das Kunststück fertiggebracht, politische Bildung, Demokratieförderung usw. als gemeinnützig einzustufen, Parteinahme für bestimmte Ziele jedoch gerade nicht. Mir ist völlig unklar, wo dort der Widerspruch bestehen soll. Eigentlich läuft das darauf hinaus, Demokratie zu einer Veranstaltung ohne konkrete Ziele und ohne konkretes Handeln umzumünzen.
Rechtspolitisch gibt es hier nur einen Weg: eine Neufassung von § 51 Absatz 3 und § 52. Dazu ist meine Fraktion bereits aktiv geworden und wir werden weiterhin aktiv bleiben. Zugleich glaube ich, dass derartige parlamentarische Initiativen, wenn sie isoliert bleiben, versanden werden. Deshalb muss hier öffentlicher Druck aufgebaut werden, dem sich die Bundesregierung nicht entziehen kann.
Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch