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Dietmar Bartsch
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Frage von Christian S. •

Frage an Dietmar Bartsch von Christian S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Bartsch,

warum hat der sogenannte "islamische Staat" so eine Anziehungskraft auf manche Menschen?

Nach meiner Meinung besteht das Problem darin, dass in unserer Gesellschaft Muslime oft als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Genau dies spielt den Terroristen in die Hände: Wer sich dem IS anschließt, wird dort als Mensch ERSTER Klasse behandelt, bekommt endlich die Anerkennung, die er vorher so lange vermisst hat.

Wie ist Ihre Meinung dazu?

Mit freundlichen Grüßen

Christian Steffen

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Steffen,

die Verbrechen, die weltweit von Anhängern des IS verübt werden, sind abscheulich, menschenverachtend und durch nichts zu rechtfertigen. Terroristen und Mörder müssen weltweit verfolgt, dingfest gemacht und bestraft werden.

Die Sorge, die ich Ihrer Frage entnehme, bewegt auch andere Menschen in unserem Land und ich kann sie gut nachvollziehen. Ich finde aber auch, bei aller berechtigten Sorge ist festzustellen, dass die übergroße Mehrheit der Menschen in unserem Land und darüber hinaus die Ideologie und die menschenverachtenden Gräueltaten des IS verabscheuen und verurteilen und sich keineswegs vom IS angezogen fühlen.

Was letztlich dazu beiträgt, dass sich Menschen entscheiden, andere Menschen zu töten, vermag ich nicht nachzuvollziehen. Darauf gibt es wohl ebenso wenig eine für alle Menschen gleichermaßen zutreffende Antwort wie auf Ihre Frage, was den IS für manche Menschen attraktiv macht.

Die Terrororganisation IS ist auch ein Ergebnis der Kriege im Irak und in Syrien. Diese Kriege nutzen extremistische Kräfte aus, um die Machtbasis des IS zu errichten und seitdem versuchen sie diese mit Mord, Totschlag, Versklavung und weltweitem Terror auszubauen.
Im Irak und in Syrien betreiben die Anführer des IS ihr schmutziges Geschäft vor dem Hintergrund der seit Jahrzehnten ausgetragenen Kämpfe zwischen verschiedenen religiösen, ethnischen und nationalen Gruppierungen mit einer extrem radikalen Auslegung des Islam. Diese unterscheidet letztlich nur zwischen Gläubigen und Ungläubigen, die besiegt und vernichtet werden müssten.

Denen, die sich der Herrschaft des IS beugen, bietet der IS oft Lebensbedingungen, nach denen sich viele von ihnen gesehnt und darum gekämpft haben. Dazu muss man wissen, dass die Einnahmen des IS meist aus Raub, Erpressung, Versklavung, aber auch aus dem Ölschmuggel resultieren. Das zu unterbinden, ist nicht einfach, erfordert aber auch, dass wir dafür sorgen, dass die Unterstützung der sunnitischen Stämme und anderer Sympathisanten für den IS schwindet. Die Zusammenarbeit mit Ländern, die die Ideologie des islamistischen Terrors exportieren, wie Saudi-Arabien und einige Golf-Staaten, passt mit dem Bedauern über die Opfer des islamistischen Terrors nicht zusammen. Dass die Bundesregierung Waffen an Staaten liefern lässt, die auch hier in Deutschland radikal-islamistische, salafistische, antidemokratische Ideologien fördern, muss unverzüglich beendet werden.

Soweit sich Ihre Frage auf Menschen in Deutschland und Europa bezieht, gibt es auch hier keine einfachen Antwort. Zumeist junge Menschen, die in ihrem beruflichen und privaten Leben Probleme haben oder sich von Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit bedroht fühlen, sind für die vermeintlich einfachen Schwarz-Weiß-Antworten der radikalisierten Islamisten, für deren Schuldzuweisungen an die „Ungläubigen“ offenbar gut erreichbar. Das umso mehr, als sich der IS erfolgreich und professionell moderner Medien und des Internets bedient.
Es ist richtig, dass seit September 2014 in Deutschland die Betätigung des "Islamischen Staates" verboten ist.

Information und Aufklärung über die menschenverachtende Ideologie des radikalen Islamismus, gelebte kulturelle und religiöse Vielfalt, Toleranz und konsequenter Kampf gegen jede Form von Diskriminierung anders denkender und anderes lebender Menschen können einen Beitrag leisten. Aber eben auch eine Politik in unserem Land, die auf gesellschaftlichen Zusammenhalt statt auf Spaltung und auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet ist und die berechtigte Zuversicht auf ein Leben in Würde und Wohlstand verleiht, kann radikalislamistischen Denkweisen den Nährboden entziehen.

Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch

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