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Dietmar Bartsch
DIE LINKE
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Frage von Harald T. •

Frage an Dietmar Bartsch von Harald T. bezüglich Wirtschaft

Werter Herr Dr. Bartsch,

seit geraumer Zeit stellt sich mir die Frage, wie ich mich politisch engagieren will, bzw. wo. Dabei schwanke ich zwischen DIE LINKE und der SPD. Es gibt nun aber vieles, was mich bei ihrer Partei stutzig macht. Vor allem die Steuerpläne in Kombination mit der Wirtschaft. Liegt es nicht nahe, dass viele Unternehmen aufgrund der extremen Besteuerung mit Vermögensabgabe von 5%, höherer Körperschaftssteuer und Millionärssteuer von 75% Deutschland verlassen und mit ihnen die Arbeitsplätze. Ich bin gewiss kein Verfechter der Trickle-Down-Theorie, aber hier ist nicht das Problem, dass die Investoren zu wenig Geld haben, sondern dass wir überhaupt keine Investoren hätten. Nicht nur wegen den Steuerplänen. Nach meiner Recherche wollen sie große Unternehmen/Schlüsselindustrien vergesellschaften (das hätte ich auch gerne genauer erklärt) bzw. verstaatlichen. Bei solchen Unternehmen steht die Profitmaximierung ja nicht im Vordergrund, aber gerade deswegen mache ich mir Sorgen. Auch Staatsunternehmen müssen ökonomisch rational handeln, da man ohne Profit auch keine Arbeiter entlohnen kann. Letztlich gingen die Unternehmen pleite und dann wäre unsere Wirtschaft völlig im Müll. Dann frage ich mich auch noch, wie glaubwürdig es ist, dass sie kmUs schützen wollen, da sie sich tatsächlich herzlich schwer damit täten, einen Mindestlohn von 12€ zu bezahlen. Kurz: Ruinierten die Pläne ihrer Partei nicht komplett die Wirtschaft. Das erscheint mir nämlich alles nicht besonders weitreichend gedacht. Man muss doch zumindest ein bisschen auch auf Arbeitgeberinteressen schauen, sie sind ja schließlich die Geber, mit leicht ironischem Unterton würde ich auch Leistungsträger sagen.
Und wenn ich schon dabei bin: Ist die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien wirklich sozialistisch. Oder setzten sie eher auf Konzepte wie "sozialistische Marktwirtschaft mit chinesischer Prägung"?

Mit freundliche Grüßen, Harald Töpfer

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Antwort von
DIE LINKE

Werter Herr Töpfer,

für Ihre Fragen bedanke ich mich und hoffe, dass ich mit meinen Antworten helfen kann, dass Sie Ihre Entscheidung für politisches Engagement besser treffen zu können und - Überraschung - natürlich zugunsten der LINKEN.

Die von Ihnen angesprochenen Themen sind im Rahmen dieser Plattform nicht umfänglich zu behandeln. Ich bitte Sie daher, sich über weitere Informationen zu den verschiedenen gesellschaftspolitischen, zu den wirtschafts- und steuerpolitischen Zielen der LINKEN und zu den Vorschlägen, wie diese verwirklicht werden sollen, auch auf unseren Webseiten www.linksfraktion.de und www.die-linke.de zu informieren.

Die gesellschaftspolitischen Ziele meiner Partei - eine Gesellschaft, in der alle Menschen selbstbestimmt in Frieden, Würde und sozialer Sicherheit leben und die gesellschaftlichen Verhältnisse demokratisch gestalten können, in der kein Kind in Armut aufwachsen muss - brauchen ein anderes Gesellschaftssystem. Das erfordert eine andere Wirtschaftsordnung. Insbesondere alles, was zur Daseinsfürsorge zählt - Gesundheitswesen, Wohnen, Bildung und Erziehung, gesellschaftliche Infrastruktur mit Energie, Wasser, zentrale Bereiche des Finanzsektors um nur die wichtigsten zu nennen - sollten der Profitlogik entzogen werden. Das steht nicht im Widerspruch dazu, dass auch vergesellschaftete Unternehmen wirtschaftlich arbeiten müssen. Auch dafür muss die Steuerpolitik des Staates genutzt werden, um die gewollten gesellschaftlichen Ziele „anzusteuern“, sprich zu verwirklichen.

Dass in der reichen und leistungsfähigen Industrienation Deutschland seit Jahren die Zahl der Kinder und Jugendlichen wächst, die in Armut leben, ist inakzeptabel und skandalös. Im Durchschnitt des Jahres 2015 waren 1.542.310 nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte unter 15 Jahren auf Hartz IV angewiesen. Das waren 2,2 Prozent mehr als 2014. Die Kinderarmutsquote in Deutschland ist deutlich höher als in den skandinavischen Ländern, aber auch in Staaten wie der Schweiz, Österreich, den Niederlanden, Tschechien, Irland, Zypern oder Slowenien.

Trotz immer wiederkehrender Floskeln in den Koalitionsverträgen der von Angela Merkel geführten Bundesregierungen ist die Armutsgefährdung von Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren nicht gesunken.

Der gesellschaftlich produzierte Reichtum in unserem Land reicht schon heute, um Kinderarmut zu beenden, nicht nur in unserem Land. Wir könnten allen Kindern und Jugendlichen ein besseres Leben, eine viel bessere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen: kostenfreies Mittagessen in den Schulen und Kitas, kostenfreie Nutzung des ÖPNV, kostenfreier Sport etc.

Ebenso inakzeptabel ist, dass lt. Bundesamt für Statistik im März 2015 rund 512.000 Menschen Empfänger/innen von Grundsicherung im Rentenalter waren. Das hat auch etwas mit den Löhnen und mit dem Mindestlohn zu tun, für den die LINKE an der Seite von Gewerkschaften über ein Jahrzehnt gekämpft hat, bis auch die SPD und die Union ihm nicht mehr ausweichen konnte.

Auf eine Anfrage unserer Fraktion hat die Bundesregierung bestätigt, rein rechnerisch müsste der Mindestlohn 11,68 Euro betragen, um im Alter eine Nettorente oberhalb der Grundsicherung zu ermöglichen – wenn man 45 Jahre lang bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden zu diesem Lohn beschäftigt und nie arbeitslos war. Und entgegen vieler Befürchtungen hat der Mindestlohn dem deutschen Arbeitsmarkt auch nach Expertenschätzungen nicht geschadet.

Die Politik der Großen Koalition zerstört den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter. Statt z.B. endlich eine gerechte Erbschaftssteuerreform auf den Weg zu bringen, mit der pro Jahr viele Milliarden Mehreinnahmen des Staates möglich wären, will man ein Gesetz durchpeitschen, das gerademal lächerliche 235 Millionen Euro mehr bringen soll. So werden Reichtum auf der einen Seite und Armut auf der anderen Seite der Gesellschaft vererbt.

Das will DIE LINKE ändern. Wir fordern eine stärkere Beteiligung der wirtschaftlich Leistungsfähigen an den Kosten des Gemeinwesens durch Erhöhung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer, Sonderabgabe auf Boni in der Finanzbranche, Einführung einer Millionärsteuer, Einführung einer Finanztransaktionssteuer, Besteuerung von Gewinnen beim Verkauf von Anteilen an Kapitalgesellschaften, Kapitalerträge wieder zum persönlichen Steuersatz zu versteuern, Abschöpfung der leistungslos erzielten Sondergewinne der Stromversorgungsunternehmen aus dem Emissionshandel und den Ausbau der Steuerfahndung bei Großunternehmen und Banken. All das, da will ich Sie gern beruhigen, hat nichts mit einer „sozialistischen Marktwirtschaft mit chinesischer Prägung“ zu tun.

Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch

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