Frage an Dietmar Bartsch von Sabine H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Bartsch,
mit Erstaunen habe ich den Bericht einest Wahlhelfers gelesen. Er beschreibt die Auszählung wie folgt: Die Urnen werden geöffnet und die Wahlzettel nach Parteien und ungültigen Stimmen gestapelt und ausgezählt. Stimmt die Anzahl der abgegeben Stimmen mit der Wählerliste überein, Erfolge in der Regel keine Nachprüfung. Das Problem dabei, so schreibt er, daß ungewollte Stimmen auf dem Stapel der ungültigen Stimmen landen. Damit würde auch wieder die Gesamtzahl der Wahlzettel mit der Wählerliste übereinstimmen und keine weitere Kontrolle stattfinden. In Anbetracht der vielen kleinen Wahllokale sind das dann vielleicht immer nur wenige Stimmen, im Gesamtergebnis jedoch sehr wohl von Bedeutung. Würden Sie mir bitte folgende Fragen beantworten: Entspricht es wirklich der Realität, daß die Stimmen in der Regel nur einmal ausgezählt werden? Wer kann eigentlich Wahlhelfer sein? Jeder oder gibt es bestimmte Voraussetzungen? Und nun würde mich IHRE PERSÖNLICHE MEINUNG interessieren: wäre es nicht sinnvoll GRUNDSÄTZLICH zweimal und unabhängig von den ersten Wahlhelfern auszählen zu lassen? In Anbetracht der Unregelmäßigkeiten bei der Bremenwahl und Wahlbeteiligungen von 174% habe ich mich mit dem Thema beschäftigt und würde das gerne geklärt wissen. Und noch eine Frage: Mit was rechtfertigt man eigentlich die 5%-Klausel? Im Extremfall wird doch immerhin der Wille von 4,99% der Wähler einfach nicht berücksichtigt.
Für Ihre Antwort danke ich Ihnen schon heute.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Häffner-Schroeder
Von meinem iPad gesendet
Sehr geehrte Frau Häffner-Schroeder,
den Antworten anderer Abgeordneter des Deutschen Bundestages zu Ihren Fragen „rund ums Wahlrecht“ möchte ich nur noch wenige Anmerkungen hinzufügen.
Soweit sich Ihre Fragen auf die „Bremen-Wahl“ beziehen, kann ich diese weder nachvollziehen noch beantworten.
Die Auszählung der Stimmzettel bei den Wahlen ist in der jeweiligen Wahlordnung (z.B. Bundeswahlordnung § 69) klar geregelt.
Jeder Wahlhelfer (das kann jede/r Wahlberechtigte für diese Wahl sein) muss sich an diese Verfahrensschritte halten bzw. auf deren Einhaltung drängen. Ein Verstoß dagegen würde eine erneute Auszählung der Wahlscheine notwendig machen. Sofern keine Verstöße gegen die Verfahrensschritte stattfanden, ist eine zweite Auszählung nicht erforderlich.
Wenn die Wahlvorstände und ihre Helfer zu der Auffassung kommen, sie könnten sich verzählt haben, liegt es in ihrer Entscheidung, die Wahlscheine erneut nach den vorgegebenen Verfahrensschritten auszuzählen.
Hinsichtlich der Sperrklauseln vertritt die LINKE mehrheitlich die Auffassung, derartige Klauseln abzuschaffen. Der Souverän sind die Wählerinnen und Wähler. Sie allein sollen über die Zusammensetzung des Parlaments entscheiden. Zu einer freien Wahl und zur Chancengleichheit gehört, dass man jede Partei wählen kann, ohne Angst haben zu müssen, dass die Stimmen wegen einer Sperrklausel verloren gehen. Trotz mehrerer Gerichtsentscheidungen, z.B. des BVerGer zur 3-Prozent-Hürde bei Europawahlen, geht die Diskussion über die Sinnhaftigkeit und die Vereinbarkeit solcher Sperrklauseln sowohl in der Wissenschaft als auch in der Gesellschaft weiter.
Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch