Frage an Dietmar Bartsch von Alistair J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Bartsch,
in der heutigen Online-Ausgabe der WELT ( http://www.welt.de/politik/deutschland/article146991271/Lafodoedel-im-Visier-von-Dietmar-Bartsch.html ) wurde davon berichtet, dass Sie Dossiers von Parteimitgliedern anlegen ließen. Sie haben sich dabei jedoch gegen Aktionen des Verfassungsschutzes berechtigt zur Wehr gesetzt, die eine Ausspionierung Ihrer Person zum Ziel hatten.
Halten Sie es vor diesem Hintergrund für angebracht, ebenfalls eine Art geheimdienstliche Dossiers anzulegen? Und für was sind diese Dossiers gedacht?
Wären Sie bereit, diese Dossiers offenzulegen, beispielsweise über Ihre Homepage, und so transparent zu machen, was Sie gesammelt haben?
Es grüßt Sie herzlich Alistair Johns
Sehr geehrter Herr Johnes,
dass sich Politikerinnen und Politiker eine Übersicht zu Kräftekonstellationen machen – und zwar sowohl zu solchen im gesellschaftspolitischen Raum und bei der politischen Konkurrenz als auch in den eigenen Reihen – ist ein alltäglicher Vorgang. Darstellungen oder Mutmaßungen über innerparteiliche Strömungen können Sie regelmäßig in den Medien finden, zu und aus allen Parteien. Auch ich verschaffe mir ein Bild über wahrscheinliche Abstimmungsergebnisse, wenn ich z.B. Beschlussentwürfe einbringe oder mich Wahlen stelle. Dass DIE LINKE eine „strömungsreiche“ Partei ist, ist kein Geheimnis. Im Gegenteil, in unserer Satzung bezeichnen wir selbst uns als eine plurale Partei.
Insofern habe ich es als normal empfunden, dass mich Gregor Gysi 2012 um eine solche Kräfte-Übersicht im damals neu gewählten Parteivorstand bat. Außergewöhnlich waren zweifellos die Umstände, unter denen das geschah. DIE LINKE steckte in einer tiefen innerparteilichen Krise. Auf dem Bundesparteitag der Partei in Göttingen sprach Gregor Gysi z.B. davon, dass in der Bundestagsfraktion auch Hass herrsche. (Nachzulesen unter: http://www.die-linke.de/index.php?id=9950). Dass es in dieser Zeit auch heftige Auseinandersetzungen zwischen Oskar Lafontaine und mir gab – unbedachte Worte eingeschlossen –, ist damals in den Medien breit dargestellt worden.
Ich habe weder damals noch danach irgendwelche „Dossiers“ oder „Akten“ über Einzelne angefertigt oder anfertigen lassen, ich habe weder jemanden ausforschen noch „Materialien“ sammeln lassen. Im Zusammenhang mit der genannten Übersicht und ihrer Entstehung von geheimdienstlichen Methoden zu sprechen, ist für mich völlig inakzeptabel und ehrabschneidend. Es gab lediglich eine Liste mit den Namen der Mitglieder des Parteivorstandes und Angaben zu deren Landesverband, der Ost- oder West-Herkunft und zu einer Positionierung der Einzelnen zu Strömungen. Diese Liste habe ich via Facebook öffentlich gemacht.
Lassen Sie mich abschließend darauf hinweisen, dass es noch im Jahr 2012 eine Aussprache gab zwischen den Parteivorsitzenden, dem Bundestags-Fraktionsvorsitzenden, mir und dem von mir ins Vertrauen gezogenen Mitarbeiter, womit wir alle das Ganze als abgeschlossen betrachteten. Zufälligerweise stieß „DIE WELT“ jetzt auf den Vorgang – just zwei Wochen bevor ich mich zur Wahl als Vorsitzender der Bundestagsfraktion DIE LINKE stellen werde …
Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch