Frage an Dieter Stier von René B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Stier!
Bitte erklären Sie mir, warum Deutschland wochenlang über eine noch nie da gewesene Neuverschuldung diskutiert und dann im Gegenzug Milliarden in so genannten Euro-Hilfs-Pakten verschenkt! Woher nimmt die Bundesregierung ihren Optimismus, wenn selbst Leute wie Herr Ackermann nicht an die Möglichkeit einer Rückzahlung durch die betroffenen Länder glauben?
Wäre es nicht sinnvoller, endlich einmal dem deutschen Volk - das Sie ja eigentlich vertreten sollen - Genüge zu tun? Ihm fehlt das Verständnis für solche Aktionen! Die Bereitschaft, noch mehr zu sparen ist längst aufgebraucht. Vor allem, wenn es darum geht, das Ersparte anderen Nationen in den Rachen zu werfen.
Spalten Sie Länder, die die Vorgaben des EU-Vertrages nicht erfüllen können, von der EU ab! Das "Gespenst" Europa wird auf lange Sicht alle Länder der Euro-Zone ins Verderben stürzen! Sorgen Sie statt dessen für einen stabilen deutschen Staat mit einer deutschen Währung! Und vor allem: Lassen Sie das deutsche Volk darüber entscheiden!
Diese Aussagen treffe ich keinesfalls als Gegner von länderübergreifenden Wirtschaftsverbunden oder gar der Globalisierung! Allerdings muss sicher gestellt sein, dass die Zeit reif für derartige Aktionen ist. Die übereilte Einführung der gesamteuropäischen Währung - ohne stabilen wirtschaftlichen Background - straft uns momentan.
Auch wenn wir in unserem Land keine "griechischen Zustände" zu erwarten haben, wird sich das Volk nicht mehr länger alles gefallen lassen! Auch wenn die Rufe "WIR sind das Volk!" seit nunmehr 20 Jahren verstummt sind, sind diese dennoch aktueller denn je und gehören in Erinnerung gerufen! Ich denke nicht, dass Sie als Abgeordneter vergessen haben, wer Sie (neben Ihrem persönlichen Engagement) dazu gemacht hat.
Hochachtungsvoll
René Berner
Sehr geehrter Herr René Berner,
ich danke Ihnen für Ihr Interesse an meiner politischen Tätigkeit.
Die parlamentarische Arbeit der vergangenen Wochen und auch die uns bevorstehenden Entscheidungsprozesse standen und stehen ganz im Zeichen der Finanz- und Wirtschaftskrise, welche zweifelsfrei kein rein nationales Problem ist. Neben den direkten Auswirkungen in unserer Bundesrepublik treten auch, durch unsere weitvernetzten Handelsbeziehungen, indirekt Effekte hinzu, welche die gesamten negativen globalen Auswirkungen sichtbar und für uns zudem spürbar werden lassen. Diese sind besonders im Europäischen Raum und dem EU-Binnenmarkt stark ausgeprägt. In den vergangenen Parlamentsentscheidungen galt es, eben diese, für die deutsche Exportwirtschaft wichtigen Pfeiler unserer deutschen Finanzkraft zu stützen.
Die Situation der öffentlichen Haushalte in den EU-Mitgliedstaaten hat sich im Zuge der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise (zum Teil weiter) erheblich verschlechtert. Diese dramatische Verschärfung der Krise hat dazu geführt, dass sich in einigen Mitgliedstaaten die Finanzierungsbedingungen in kürzester Zeit in einer Weise verschärft haben, die sich nicht allein durch eine Änderung der Fundamentaldaten erklären lässt. Eine weitere Eskalation der Lage würde die Zahlungsfähigkeit dieser Staaten gefährden und eine ernste Gefahr für die Finanzstabilität der Währungsunion insgesamt nach sich ziehen und mit dieser Finanzinstabilität so zu einer Staatskrise führen, welche die staatliche Handlungsfähigkeit in allen Bereichen betreffen würde.
Aus diesem Grund hat der Rat der Europäischen Union am 10. Mai 2010 Maßnahmen zur Sicherung der Finanzstabilität beschlossen. Voraussetzung ist, dass die entsprechenden Mitgliedstaaten durch außergewöhnliche Ereignisse, die sich ihrer Kontrolle entziehen, von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht sind.
In diesem Zusammenhang wird ein neues Gemeinschaftsinstrument durch den EU-Haushalt gewährleistet. Das dadurch zu garantierende Volumen wird begrenzt durch die Eigenmittelobergrenze; hieraus resultiert ein mögliches Kreditvolumen von zirka 60 Milliarden Euro.
Darüber hinaus haben die Mitgliedstaaten in einer zwischenstaatliche Vereinbarung Vorsorge getroffen, um einer weiteren Eskalation auf den Finanzmärkten durch eine zusätzliche Unterstützungsmöglichkeit begegnen zu können. Es ist beabsichtigt, eine Zweckgesellschaft zu gründen, die durch Gewährung von Krediten i.H.v. bis zu 440 Milliarden Euro, eine drohende Zahlungsunfähigkeit von Mitgliedstaaten abwehren soll. Hierfür erhält die Zweckgesellschaft Garantien von den Euro-Mitgliedstaaten. Der jeweilige Anteil an diesen Garantien richtet sich nach dem Anteil am Europäischen Zentralbank-Kapitalschlüssel der teilnehmenden Euro-Mitgliedstaaten. Zusätzlich plant man, dass sich der Internationale Währungsfonds mit mindestens der Hälfte der von europäischer Seite aufgebrachten Mittel an etwaigen Finanzierungsmaßnahmen beteiligt. Voraussetzung für etwaige Finanzierungsmaßnahmen ist, dass der betroffene Mitgliedstaat mit dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Kommission unter Mitwirkung der Europäischen Zentralbank ein wirtschafts- und finanzpolitisches Programm vereinbart. Für die Bundesrepublik Deutschland errechnet sich aus der Eingangs genannten zwischenstaatliche Vereinbarung ein maximales Garantievolumen von 123 Milliarden Euro.
Die Bundesregierung hat einen solchen Gesetzesentwurf gebilligt, der die Grundlage zur Umsetzung der am 10. Mai getroffenen Vereinbarungen bildet. Damit werden die Voraussetzungen dafür geschaffen. dass sich Deutschland an den koordinierten Finanzhilfen der Eurozonenstaaten beteiligen kann.
Für Staat Griechenland bedeutet dies, dass gemäß der Vereinbarungen die EU-Kommission und der Europäische Zentralbank in enger Zusammenarbeit mit den Internationalen Währungsfonds den Mitgliedern der Eurogruppe eine Einschätzung zur finanziellen Situation Griechenlands vorlegen muss. Dabei sind insbesondere der Zugang zu den Finanzmärkten und die Risiken für die Finanzstabilität der Eurozone insgesamt zu bewerten. Erst wenn anschließend die Mitglieder der Eurostaaten – mithin auch Deutschland – auf dieser Basis einstimmig einen Beschluss fällen, kann das Hilfsprogramm formal aktiviert werden. Dabei werden auch die ausgehandelten Hauptelemente des Kredits wie Auflagen festgelegt.
Die Kredite an Griechenland sollen in Deutschland über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gegeben werden. Dabei soll der Bund lediglich eine Ausfallbürgschaft für die KfW-Kredite gewähren, mithin werden keine Haushaltsmittel des Bundes benötigt. Damit schützen wir einerseits den deutschen Steuerzahler und stellen andererseits sicher, dass Griechenland die notwendige Hilfe zur Selbsthilfe erhält.
Die beschlossenen Maßnahmen liegen unmittelbar in unserem eigenen deutschen und europäischen Interesse. Sie sind als ultima ratio notwendig, um die Finanzstabilität im Euroraum als Ganzes zu sichern und erheblichen Schaden vom Deutschen Volk und der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden. Aus dieser Perspektive heraus und in fester Überzeugung der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Europäischen Gemeinschaft – auch als Garant des Friedens in Europa – habe ich diesem Rettungspaket durch meine Zustimmung zum Gesetz unterstützt. Es geht nicht zuletzt bei der Verteidigung der Stabilität des Euro um die europäische Idee schlechthin. Denn der Euro ist mehr als nur eine Währung. Er ist das bislang weitreichendste Ergebnis und Symbol der europäischen Integration. Und diese europäische Integration hat sich für alle Europäer ausgezahlt, denn noch nie hat es auf europäischem Boden eine längere Friedensperiode gegeben als seit der Unterzeichnung der Römischen Verträge. Niemand soll glauben, ohne die Kraft der europäischen Idee wäre je die deutsche Wiedervereinigung gelungen. Auch aus dieser Verantwortung heraus bin ich überzeugt im Sinne der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes gehandelt zu haben.
Sehr geehrter Herr Berner, lassen Sie mich Ihnen versichern, dass ich immer bemüht bin, in allen meinen Entscheidungen – nicht nur in dieser Angelegenheit –, mit großer Sorgfalt und dem Bewußtsein dieser oben genannten Verantwortung zu handeln. Ihren Gedanken entnehme ich eine gegenteilige Ansicht, die ich respektiere. Für meine Überzeugung möchte ich jedoch werben.
Ich darf Sie bitten sich in weitern Anliegen an meine Adresse Platz der Republik1 in 11011 Berlin zu wenden. Gern beantworte ich Ihre Anregungen auf dem Postweg.
Mit freundlichen Grüßen verbleibe ich
Ihr
Dieter Stier, MdB