Frage an Dieter Lauinger von Henryk F. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Lauinger,
wie stehen Sie und Ihre Partei zu dem zweigeteilten System gesetzliche und private Krankenversicherung?
Sollte dieses beibehalten oder abgeschafft werden?
Wenn ja, würde mich noch interessieren, wie verhindert werden soll, dass die bereits praktizierte Zwei-Klassen-Medizin noch mehr zwischen privaten und gesetzlich Versicherten unterscheidet (Wartezeiten auf Facharzttermine, OP, etc.).
wenn nicht, wie soll die Struktur der "neuen" Krankenversicherung aussehen.
Soll es weiterhin so viele Kassen geben?
Soll das System Krankenkasse-Kassenärztliche Vereinigung-Ärzte beibehalten werden?
Mit freundlichen Grüßen H. Franke
Sehr geehrter Herr Franke,
als Basis für ein patientenorientiertes Gesundheitswesen wollen wir eine Bürgerversicherung einführen. Die heutige Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung führt dazu, dass sich ausgerechnet die wirtschaftlich leistungsstärksten und im Regelfall auch gesündesten Bevölkerungsgruppen nicht am Solidarausgleich beteiligen müssen. Das wollen wir ändern. Außerdem ist die Finanzierung der Gesundheitsversorgung heute zu einseitig von den Arbeitseinkommen aus abhängiger Beschäftigung abhängig. Dagegen bleiben Kapitaleinkommen und Gewinne beitragsfrei. Das ist ungerecht und beeinträchtigt die Fähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung, die wachsenden Anforderungen durch den demografischen Wandel und den medizinisch-technischen Fortschritt zu bewältigen. In der Bürgerversicherung wollen wir deshalb alle Einkommensarten in die Beitragsbemessung einbeziehen. Um zu verhindern, dass dadurch kleine und mittlere EinkommensbezieherInnen belastet werden, wollen wir für die zusätzlichen Einkommensarten Freigrenzen einziehen und die Beitragsbemessungsgrenze anheben. Praxisgebühren und Arzneimittelzuzahlungen wollen wir wieder abschaffen. Kinder bleiben beitragsfrei mitversichert. Auch Ehegatten und Lebenspartner, die Kinder erziehen oder Pflegebedürftige betreuen, müssen keine Krankenversicherungsbeiträge bezahlen.Die Bürgerversicherung soll auch von privaten Krankenversicherungsunternehmen angeboten werden können. Damit können sich alle Bürgerinnen und Bürger frei zwischen allen Krankenversicherern entscheiden. Bündnis 90/Die Grünen wollen mit ihrer Gesundheitspolitik die Patientinnen und Patienten stark machen. Wir wollen die Zusammenarbeit fördern. Krankenhäuser, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte und andere Gesundheitsberufe sollen Hand in Hand arbeiten können. Das ist besonders wichtig mit Blick auf die steigende Zahl der chronisch und mehrfach Kranken, die auf gut miteinander verzahnte Behandlungsketten angewiesen sind. Wir wollen mehr Behandlung auf Augenhöhe. Patientinnen und Patienten müssen über Behandlungsalternativen informiert und in die Entscheidungen voll einbezogen werden. Für diese anspruchsvolle Anforderung müssen angehende Ärztinnen und Ärzte schon in ihrer Ausbildung das notwendige Rüstzeug erhalten. Ärztinnen und Ärzte, die sich die notwendige Zeit für ein eingehendes Gespräch mit Patientinnen und Patienten nehmen, sollen dafür auch angemessen honoriert werden. Wir wollen eine "Stiftung Warentest im Gesundheitswesen", die zuverlässige Qualitätsinformationen sammelt und allgemeinverständlich offenlegt. Patientinnen und Patienten sollen sich mit guten Gründen entscheiden können, wo und durch wen sie sich behandeln lassen. Wir wollen ein Patientenrechtegesetz, das die vorhandenen Rechte übersichtlich zusammenfasst und auch die Rechte von Opfern von Behandlungsfehlern verbessert. Recht haben und Recht bekommen, dürfen im Gesundheitswesen nicht länger zweierlei sein. Dazu gehört auch, dass die unabhängigen Patientenberatungsstellen flächendeckend ausgebaut und solide finanziert werden. Patientenverbände und Selbsthilfeorganisationen müssen sich stärker an der Ausgestaltung der Gesundheitsversorgung beteiligen können. Wir wollen ihre Rechte in den Gremien des Gesundheitswesens ausbauen und ihnen das Recht geben, mit Krankenkassen, Ärzten oder auch Krankenhäusern spezielle Behandlungsangebote vereinbaren zu können. Und wir wollen endlich ein Präventionsgesetz, das dafür sorgt, dass das Geld und die Strukturen dafür da sind, um den Menschen mehr Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen. Dabei wollen wir die Prävention neben Kindern und Jugendlichen insbesondere auf sozial Benachteiligte ausrichten. Denn die werden von den herkömmlichen Präventionsangeboten weit weniger erreicht als Menschen, die gesellschaftlich gut eingebunden sind.
Bisher werden die Beziehungen zwischen Ärzteschaft und Krankenkassen noch weitgehend über Kollektivverträge geregelt. Deshalb ist der Sicherstellungsauftrag vorerst auch noch gut bei den Kassenärztlichen Vereinigungen aufgehoben. Allerdings wird die Bedeutung von Selektivverträgen deutlich wachsen. Für die hausärztliche Versorgung zeichnet sich die Ablösung des Kollektivvertragssystems durch Selektivverträge bereits deutlich ab. Wir begrüßen diesen Wandel, weil wir uns von ihm mehr Wettbewerb und mehr Innovationsspielräume für alle Beteiligten erwarten. In der Konsequenz werden die Kassenärztlichen Vereinigungen aber irgendwann nicht mehr in der Lage sein, ihren Sicherstellungsauftrag wahrzunehmen. Dann werden die Krankenkassen in die Verantwortung genommen werden müssen. Ich hoffe, ich konnte Ihre Anliegen damit beantworten .
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Lauinger