Frage an Dieter Lauinger von Frank R. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Launger,
Wie stehen Sie zu erneuerbaren Energien, insbesondere zu nachwachsenden Rohstoffen? Wie wollen Sie erreichen, dass trotz des intensiven Anbaus von nachwachsenden Rohstoffen die Artenvielfalt in der Natur erhalten bleibt?
In letzter Zeit stehen nachwachsende Rohstoffe hoch im Kurs. Einmal angedacht zur Verwertung von Restern, Abfällen und Überschüssen, wurde viel geplant und gebaut. Nein reichten die vorhandenen Ressourcen nicht mehr aus und es wird Biomasse plantagenmäßig angebaut. Damit produzieren wir grüne Agrawüsten und die Artenvielfalt in der Natur leidet darunter, vor allen die Insekten und insbesondere unsere Bienen (ich bin Imker). Wenn die Artenvielfalt der Insekten und deren Anzahl zurückgeht, hat das eine negative Wirkung auf die Bestäubung vieler Wild- und Kulturpflanzen. Dazu kommt noch die Gefahr der weiteren und intensiveren Nutzung der "Grünen Gentechnik" und einen übermäßigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und damit zu einer weiteren Chemisierung der Landwirtschaft. Es wird doch keine Nahrung produziert und somit müssen keine Grenzwerte eingehalten werden.
Sehr geehrter Herr Reichardt,
Die Politik ist gefordert, starke Leitplanken einzuziehen, die dafür sorgen, dass die energetische Nutzung der Biomasse gleichzeitig eine positive Klimabilanz aufweist und weder das Hungerproblem verschärft noch zu Lasten der biologischen Vielfalt geht.
Die Schaffung eines Zertifizierungssystems, das verbindliche ökologische und soziale Standards für den Anbau von Energiepflanzen und die Produktion von Agrotreibstoffen festlegt, ist notwendig, reicht aber nicht aus, um auch die Ausweicheffekte zu erfassen.
Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf des Biokraftstoffgesetzes enthält aus Sicht von Bündnis 90/Die Grünen entscheidende Mängel. Er benachteiligt nachhaltige einheimische Erzeugung zu Lasten der Beimischung großindustriell und überwiegend importierter Biokraftstoffe. Zugleich sind entscheidende Fragen der Nachhaltigkeit weiterhin ungeklärt. Unsere Fraktion lehnt das Gesetz daher ab.
Unser Ziel ist es, die Abhängigkeit vom Öl und von Biokraftstoffen gleichermaßen zu reduzieren. Wir sehen große Potenziale in der Elektromobilität mit grünem Strom und haben dazu jüngst eine Förderstrategie vorgeschlagen.
Es gibt Potenzial für nachhaltig erzeugte Biomasse in Europa. Der Anbau von Biomasse für Kraftstoffe wird von uns aber nur dann befürwortet, wenn er nachgewiesenermaßen umweltfreundlich und nachhaltig erfolgt und eine positive Klimabilanz aufweist. Eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und die Abholzung von Regenwald muss im Rahmen verbindlicher Nachhaltigkeitskriterien ausgeschlossen werden. Biokraftstoffe werden daher am Energiemix der Zukunft nur einen kleinen Teil ausmachen können.
Die Europäische Union hat sich im Dezember 2008 auf Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe geeinigt, die in Deutschland derzeit durch eine Verordnung rechtlich umgesetzt werden. Diese Kriterien schreiben für Biokraftstoffe nachgewiesene Einsparungen bei Treibhausgasemissionen vor: beginnend mit mindestens 35%, ab 2017 mit mindestens 50%, für neue Produktionsanlagen ab 2017 mindestens 60%.
Biokraftstoffe dürfen nicht aus Rohstoffen herstellt werden, die auf Flächen mit hohem Wert hinsichtlich der biologischen Vielfalt oder hohem Kohlenstoffbestand erzeugt werden. Dazu zählen Tropenwälder, Feuchtgebiete, Torfland, aber auch natürliches oder künstlich geschaffenes Grünland. Bündnis 90/Die Grünen werden ein Auge darauf haben, dass die Bundesregierung diese Vorgaben streng umsetzt.
Die Schaffung eines Zertifizierungssystems, das verbindliche ökologische und soziale Standards für den Anbau von Energiepflanzen und die Produktion von Agrotreibstoffen festlegt, ist notwendig. Es reicht aber nicht aus, um auch Ausweicheffekte zu erfassen. Es wäre z.B. kontraproduktiv, auf einer Fläche ökologisch korrekt und als nachthaltig zertifiziert Biomasse zur energetischen Nutzung anzubauen, dafür aber an anderer Stelle Urwald für die Futtermittelproduktion zu vernichten oder der Lebensmittelproduktion Konkurrenz zu machen. Die internationale Gemeinschaft wird daher die gesamte Landnutzungspolitik von Ländern, die Energiepflanzen oder Agrotreibstoffe exportieren wollen, prüfen und ihre Nachhaltigkeit bewerten müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Lauinger